Berufliche Neuorientierung mit 30, 40, 50

M
Benutzer210596  (33) Klickt sich gerne rein
  • #1
Hallihallo,

ich befinde mich gerade in einer kleinen Karrierekrise und überlege, noch einmal umzusatteln und etwas Neues anzufangen. Gerade auch, weil ich sicherlich bis ~ 70 arbeiten werde. Also noch viele, viele Jahre.

Ich liebe Geschichten von Leuten, die z.B. mit 50 nochmal eine Bäckerlehre oder mit 40 nochmal ein Studium begonnen haben. Deshalb eröffne ich diesen Thread. Ein paar Fragen zur Inspiration:

Hast du beruflich noch einmal etwas Neues gewagt? Vielleicht noch mal eine zweite Ausbildung gemacht oder noch mal studiert?

Wie kam es dazu? Was war deine Motivation?

Was waren die Vor- und Nachteile deiner Entscheidung?
Wie hast du das finanziell gestemmt? Während des Studiums verdient man ja nichts. Hast du nebenbei gejobbt oder hat dich deine Familie unterstützt?

Hast du Gegenwind bekommen? Haben dich Leute in deinem Umfeld für verrückt erklärt?

Wie war die Erfahrung für dich? Gab es schwierige Momente?

Würdest du dich im Nachhinein wieder dafür entscheiden?

Und: Wenn du dich nicht selbst beruflich neu orientiert hast, aber jemanden kennst, der diesen Schritt gewagt hat, kannst du auch davon erzählen.

Ich freue mich auf spannende Lebensgeschichten! :smile:
 
Maifeld
Benutzer155728  Sehr bekannt hier
  • #2
Hast du beruflich noch einmal etwas Neues gewagt? Vielleicht noch mal eine zweite Ausbildung gemacht oder noch mal studiert?
Ja, ich habe mit 40 nochmal einen dualen Diplomstudiengang belegt
Wie kam es dazu? Was war deine Motivation?
Unzufriedenheit mit den Rahmenbedingungen im damaligen Beruf. Finanziell war er sehr unattraktiv.
Was waren die Vor- und Nachteile deiner Entscheidung?
Nachteilig war eigentlich nur die Zeit während des Studiums.
Sich in dem Alter nochmal mit einem Studium zu befassen, war deutlich herausfordernder, als gedacht. Man lernt tatsächlich mit fortschreitendem Alter schwerer (ich zumindest).
Mit zwei Kindern, die nach der Scheidung bei der Mutter leb(t)en, war es schwierig, die Zeit mit den Kindern während der Phasen an der FH zu organisieren, zumal diese sehr weit weg vom Wohnort der Kinder lag.

Vorteil war ein Ausweg aus einer beruflichen Sackgasse hin zu einem deutlichen attraktiveren Arbeitsumfeld mit stark verbesserten Entwicklungsmöglichkeiten gerade auch beim Einkommen.

Wie hast du das finanziell gestemmt? Während des Studiums verdient man ja nichts. Hast du nebenbei gejobbt oder hat dich deine Familie unterstützt?
Es gab eine "Ausbildungsvergütung", da musste ich mich natürlich einschränken, fiel mir aber nicht SO schwer.
Hast du Gegenwind bekommen? Haben dich Leute in deinem Umfeld für verrückt erklärt?
Ja, vor allem meine Ex-Frau war wenig begeistert, nachvollziehbarerweise hatte sie Sorgen bezüglich des Unterhalts. Auch sonst war glaube die eine oder der andere etwas skeptisch, was dem Maifeld bezüglich seines Lebens nun schon wieder eingefallen war.
Wie war die Erfahrung für dich? Gab es schwierige Momente?
Ich bin froh, den Schritt gewagt zu haben, ich habe einen abwechslungsreichen Job mit Verantwortung, in dem ich viel gestalten kann. Auch finanziell alles prima, auch perspektivisch.
Schwierig war für mich durchgängig die Zeit an der Hochschule, die ich gehasst habe, ich habe mir mit dem Prüfungen und dem Abschluss extrem schwer getan.
Geliebt habe ich die Praktikumsabschnitte, die mir gezeigt haben, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Würdest du dich im Nachhinein wieder dafür entscheiden?
Siehe oben. Ich bin extrem froh, das Studium nochmal gemacht zu haben, weil es mir ermöglicht hat, was ich nun beruflich mache.
Aber ich möchte es nie mehr nochmal machen müssen. Von daher kann ich keine eindeutige Antwort geben.
Da hin wollen wo ich bin, würde ich jederzeit wieder, der Weg dorthin lässt mich schaudern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Armorika
Benutzer172677  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #3
Hast du beruflich noch einmal etwas Neues gewagt? Vielleicht noch mal eine zweite Ausbildung gemacht oder noch mal studiert?
Oh ja, vor wenigen Jahren zum zweiten Mal, plus immer wieder auch neue, andere Sachen nebenbei, da habe ich erst vor kurzem wieder etwas professionalisiert, das eher Hobby war. Bei der ersten Neuorientierung war ich allerdings noch in den 20ern, die zweite dann mit Mitte 30.
Nach der Ausbildung habe ich etwas ganz anderes studiert und mich dann letztlich mit wieder etwas anderem selbstständig gemacht.
Wie kam es dazu? Was war deine Motivation?
Das erste Mal Ehrgeiz und die Überzeugung, ich würde meinen Traumberuf anstreben.
Das zweite Mal die Erkenntnis, dass es doch nicht so traumhaft ist, eine schwere Erkrankung und in der Neuorientierung die Chance, eine große Leidenschaft zum Beruf zu machen.
Was waren die Vor- und Nachteile deiner Entscheidung?
Tatsächlich gab es fast nur Vorteile. Es war anstrengend, oft finanziell sehr eng, manchmal ging mir die Muffe vor dem Risiko oder einem möglichen Versagen- aber rückblickend habe ich mich absolut richtig entschieden.
Wie hast du das finanziell gestemmt?
Das Studium war heftig, ich hab im Grunde Vollzeit gearbeitet neben Studium und Kind. Aber alles geht mal vorbei und ich hab mich durchgebissen.
Jetzt beim zweiten Mal hatte ich ein bequemes finanzielles Polster und die Unterstützung eines Ehemannes, dessen Einkommen eh dicke reicht, um uns ein gutes Leben zu bieten. Das war natürlich ein riesiger Unterschied.
Hast du Gegenwind bekommen?
Aber klar. Meine Eltern haben mir das Studium nicht zugetraut und meinten, ich müsse mehr Mutter sein.
Wie war die Erfahrung für dich? Gab es schwierige Momente?
Unzählige. Gibt es auch immer wieder. Angst, nicht zu bestehen. Oder Corona, die Zeit hat mir ganz schön finanziell zugesetzt. Aber es hat sich gelohnt.
Würdest du dich im Nachhinein wieder dafür entscheiden?
Ja, immer wieder. Ich könnte auch gar nicht gut anders, meine Ideen quälen mich, wenn ich sie nicht umsetze.
Und vielleicht bin ich auch einfach kein besonders beständiger Typ, was das angeht, ich langweile mich schnell und brauche Herausforderungen.
 
Backdoor Burglar
Benutzer211472  dauerhaft gesperrt
  • #4
Ich weiss, man kann das sehr wohl anders sehen - mein Rat wäre, etwas zu machen, wo Du in irgendeiner Form Deine bisherigen Erfahrungen ein gutes Stück weit brauchen kannst, oder etwas, das ein Schulabgänger noch nicht machen kann (weil es beispielsweise eine gefestigtere Persönlichkeit braucht.)

Gerade ü40 oder ü50 würde ich mich nicht in etwas begeben, das auch Schulabgänger in grösserer Zahl ausüben. Denn man lernt nicht mehr ganz so schnell wie sie, aber sie können nur dort agieren, wo es kaum Lebenserfahrung braucht, die eigenen Vorteile kommen kaum zum Zuge, man kombiniert eher einfach beide Nachteile.

Auch kann, muss aber nicht, ein deutlich älterer Lehrling/Praktikant schräg sein für den Ausbildner, und es kann zu eigenartigen Dynamiken kommen.

Logisch, wenn man findet, man muss jetzt unbedingt mit 50 noch Schlosser werden, bleibt nicht viel Anderes übrig.

Nur so als Beispiel - einen sehr jungen Psychotherapeut könnte ich (nicht mehr weit weg von 50) für mich nicht besonders ernst nehmen, für ein Kind würde es gut gehen, wo es aber ein 60 jähriger Therapeut vielleicht schwieriger hat.
Etc.

Man muss sich die Nische wohl gezielt überlegen.
 
Armorika
Benutzer172677  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #5
Man muss sich die Nische wohl gezielt überlegen.
Ich finde wichtiger, dass man die möglichen Probleme, die Du auch nennst, bedenkt und eine bewusste Entscheidung trifft. Und am besten einen Plan hat, wohin man will mit der Überlegung, ob das realistisch ist.

Ich habe einige Menschen mit später weiterer Ausbildung (ganz normale, duale Ausbildung) im Umfeld, die ausnahmslos sehr erfolgreich damit sind. Und ich beschäftige ein paar Menschen, die nochmals etwas ganz anderes machen und habe das nie bereut.

Traumtänzer ohne Plan gibt es natürlich auch, aber das muss eben nicht so sein.
 
Backdoor Burglar
Benutzer211472  dauerhaft gesperrt
  • #6
die ausnahmslos sehr erfolgreich damit sind
Generell glaube ich, dass jemand, der sich für eine spätere Ausbildung entscheidet und dann auch durch*beisst*, meist nachher sehr motiviert ist und typischerweise erfolgreich.
Ist halt schon eine andere Energie und Motivation als die eines Schulabgängers, der mittels Ausschlussverfahren eines der dafür typischen Fächer wählt..
 
G
Benutzer Gast
  • #7
Hast du beruflich noch einmal etwas Neues gewagt? Vielleicht noch mal eine zweite Ausbildung gemacht oder noch mal studiert?
Ich habe mit 50, nachdem ich jahrzehntelang der Alleinverdiener und Geldgeber meiner Familie war, nach einem Herzinfarkt meiner Firma quasi die Pistole auf die Brust gesetzt und mich in eine stunden- und belastungsmässig deutlich ruhigere Abteilung versetzen lassen, die zwar viel mit meiner vorherigen Stelle zu tun hatte, aber ganz andere Skills und Fähigkeiten erfordert hat. Weitere 4 Jahre später habe ich dann, nachdem meine Frau aus ihrer Ausbildungsphase heraus auch langsam einen nicht unerheblichen Teil zum Familieneinkommen beitragen könnte, auch diesen Job hingeschmissen (ohne eine neue Stelle zu haben) und bin in eine ganz andere Branche und Tätigkeit gewechselt, die mit meiner bisherigen garnix mehr zu tun hat.
Wie kam es dazu? Was war deine Motivation?
Primär der Herzinfarkt, die Belastungssituation, zudem ging es der Firma eh nicht mehr so gut und meine Frau pendelte schon einfach 45km in eine andere Stadt. Dort habe ich mir dann auch einen Job gesucht und wir sind als Eltern aus dem Familienhaus ausgezogen und haben unsere Kinder (alle erwachsen) da quasi zurückgelassen 😉
Was waren die Vor- und Nachteile deiner Entscheidung?
Vorteile s.o., Nachteile gab's eigentlich nicht, da finanziell beide Einkommen mein Einzelverdiener-Einkommen bei weitem übersteigen und meine Frau inzwischen sogar mehr verdient als ich in meiner alten Branche/Firma.
Wie hast du das finanziell gestemmt? Während des Studiums verdient man ja nichts. Hast du nebenbei gejobbt oder hat dich deine Familie unterstützt?
S.o.
Hast du Gegenwind bekommen? Haben dich Leute in deinem Umfeld für verrückt erklärt?
Nein, eigentlich fanden das alle ziemlich cool, mit 54 noch was ganz anderes zu machen und einen relativ sicheren Job ohne neuen aufzugeben. Das verrückteste war eigentlich, dass die Firma ca. 2 Jahre nach meiner Kündigung insolvent ging (hatte aber definitiv nix mit meiner Kündigung dort zu tun 😎)....
Wie war die Erfahrung für dich? Gab es schwierige Momente?
Ja, die Entscheidung so ohne Absturzsicherung zu kündigen war schon ein wenig leichtsinnig, andererseits hat es sich irgendwie immer richtig angefühlt und die neue Stelle sowie die Wohnungssuche haben das Gefühl dann auch schnell positiv verstärkt, da alles gut lief und jedes Problem irgendwie einfach gelöst werden konnte.
Würdest du dich im Nachhinein wieder dafür entscheiden?
Unbedingt, im Nachhinein bereue ich ein bisschen, das nicht schon früher gemacht zu haben, allerdings hat die Zeit und die berufliche Entwicklung meiner Frau diesen Verlauf auch benötigt, viel früher hätten wir es mit Haus und Zweitwohnung finanziell nicht gestemmt.
Und: Wenn du dich nicht selbst beruflich neu orientiert hast, aber jemanden kennst, der diesen Schritt gewagt hat, kannst du auch davon erzählen.
Meine Frau hat eine Ausbildung und Studium als Dolmetscherin und Übersetzerin und hat dann mit den Kids aufgehört zu arbeiten. Als die 4 Kids einigermaßen aus dem gröbsten raus waren, hat sie ein 9-jähriges Fernstudium angefangen in einer ganz anderen Richtung und arbeitet jetzt seit 10 Jahren in diesem neuen Beruf.
Ich freue mich auf spannende Lebensgeschichten! :smile:
Hoffe, das war spannend genug 😉
 
S
Benutzer188774  Meistens hier zu finden
  • #8
Hast du beruflich noch einmal etwas Neues gewagt? Vielleicht noch mal eine zweite Ausbildung gemacht oder noch mal studiert?

Jein. Ganz neu nicht. Aber ich habe mich in einem Aufgabenbereich, den ich in der vorherigen Firma teilweise übernommen hatte, näher eingearbeitet und auch Prüfungen dafür abgelegt. In der früheren Firma bin ich da quasi ohne vorherige Kenntnisse "reingewachsen", es war aber eher so learning by doing und auch nicht ursprünglich geplant. Dies hat sich eher durch eine strukturerelle Veränderung so ergeben. Als mein Arbeitsverhältnis dort endete, habe ich gemerkt, dass es schwierig wird, einen neuen Job zu finden, der diesen Teilbereich mit abdeckt (wie vorher) oder der ausschließlich auf diesen ehemaligen Teilbereich setzt und somit zur Hauptaufgabe wird. Ich habe für mich gemerkt, dass ich auf diesen ehemaligen Teilbereich nicht verzichten möchte und für mich eigentlich die besten Hauptaufgaben meines letzten Jobs gestellt hat. Daher habe ich mich da fortgebildet während einer beruflichen Auszeit.

Wie kam es dazu? Was war deine Motivation?
Im ersten Corona-Jahr kam es zu sehr großen privaten Veränderungen in meinem Leben, die mich sehr aus der Bahn geworfen haben. Ich war in 2021 zweimal 2 Monate krankgeschrieben, als für mich nichts mehr ging (dazwischen habe ich 4 Monate wieder gearbeitet, eher so aus Pflichtgefühl. Mental war es sehr schwer). Während der zweiten Krankschreibung kam es dann so, dass mein Arbeitgeber mich dann loswerden wollte. Da sich auch sonst in meinem Leben alles verändert hatte, war das für mich dann am Ende (nach ausgiebiger monatelanger Verhandlung) ein logischer Schritt, auch mein langjähriges Arbeitsverhältnis in 2022 hinter mir zu lassen. Ich musste nicht mehr zur Arbeit, wurde aber noch einige Monate bezahlt, als würde ich es tun. Zudem bekam ich noch eine Abfindung. Das in Verbindung mit Ersparnissen hat es mir dann möglich gemacht, mir nicht direkt was neues suchen zu müssen. So kam es zu meiner kompletten beruflichen Auszeit und ich konnte auch meine Fortbildung bezahlen. Ich war dann länger raus, als ich es eigentlich wollte, aber es scheint gutzugehen. Ab nächsten Monat habe ich einen neuen Job und hätte ich die Fortbildung mit den Prüfungen nicht gemacht, hätte ich diese Chance wohl so nicht bekommen.

Ich habe vorher schon nicht schlecht verdient, aber es wird nun noch mal einiges mehr sein. Also wird sich alles auch finanziell auszahlen. Ich habe aber etwas Sorge, ob ich dem, wovon ich nun in der Theorie mehr weiß, in der Praxis wirklich gewachsen bin. Hängt vermutlich auch einiges davon ab, was der Arbeitgeber von mir erwarten wird. Ab Tag 1 quasi Vollgas oder eine für mich passende Einarbeitungszeit. Ich muss dazu sagen, dass ich schon mal in einem Job neu angefangen habe, wo der Arbeitgeber mich im Vorwege bei meinen zukünftigen Kollegen/Kolleginnen viel "größer" angekündigt hat, als ich das bieten konnte. Sowas möchte ich auch nicht nochmal.
Was waren die Vor- und Nachteile deiner Entscheidung?

Nachteile: Lücke im Lebenslauf und finanzielle Einbußen. Und Freunde, die immer wieder nachgefragt haben, wann es wie weitergeht. Die Möglichkeit, erstmal gar nichts zu machen, haben und kennen die meisten Menschen nicht. Und es irritiert sie. Das fand ich zuweilen anstrengend.

Vorteile: raus der Komfortzone und der Sicherheit. Das hat mir schon irgendwie gut getan. Lag aber sicher auch daran, dass sich mein Leben schon vorher so krass verändert hat. Und ich konnte super viel Zeit mit meinem Freund verbringen, was uns auch nochmal zusammengeschweißt hat. Es wird aber schwer und ungewohnt, dass wir dann mit dem Jobstart natürlich nicht mehr soviel Zeit gemeinsam haben. Das ist ein Nachteil, weil ich mich daran schon so gewöhnt habe, aber eigentlich ist das ja der Normalzustand im Arbeitsleben.

Hätte ich mich auf das letzte Angebot meines letzten Arbeitgebers nicht eingelassen, wäre ich sicher noch einige Monate krank gewesen und danach auch nie wieder richtig reingekommen. In meiner ersten Abwesenheit gab es einen Führungswechsel und die anderem im Team waren alle neu. Als ich dann (erstmal) zurückkam, fühlte sich alles seltsam an. Das war nicht mehr mein Team und mein Job.


Wie hast du das finanziell gestemmt?
s.o.
Hast du Gegenwind bekommen? Haben dich Leute in deinem Umfeld für verrückt erklärt?
Nicht direkt Gegenwind. Wie gesagt kommt dies für die meisten Menschen nicht in Frage und/oder es ist außerhalb ihrer Vorstellung. Daher irritiert es sie. Aber direkt für verrückt erklärt hat mich offiziell keiner. Zu meinen Eltern habe ich keinen Kontakt mehr. Wüssten sie davon, wären sie wohl außer sich gewesen. Auch für mich war es anfangs seltsam, denn ich bin doch sehr auf Sicherheit erzogen worden.
Wie war die Erfahrung für dich? Gab es schwierige Momente?
Wenn es mit dem neuen Job klappt, ich die Probezeit überlebe, mich wohl fühle und gut einarbeite etc., dann war es gut. Das weiß ich jetzt aber noch nicht.

Schwierige Momente gab es, ja. Nach einer 1-jährigen kompletten Auszeit, in der es mir mental aus privaten Gründen nicht immer gut ging, wieder viel zu lernen und den Kopf anwerfen zu müssen, war anfangs ungewohnt und teilweise schwer. Es tat mir sehr gut, aber leicht war es nicht.
Würdest du dich im Nachhinein wieder dafür entscheiden?

Ja, ich denke schon. Ich würde es aber in kürzerer Zeit machen. Ich würde die 1-jährige Auszeit, in der ich außer reisen, Wohnung renovieren und "chillen" nichts gemacht habe, auf ein halbes Jahr reduzieren und die Fortbildung in einem kürzeren Zeitraum absolvieren. Also, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte.

In Zukunft dies so nochmal zu machen, kommt wohl nicht in Frage. Klappt alles mit dem folgenden Job, habe ich die Lücke im Lebenslauf, der sonst vorher lückenlos war, überwunden. Eine weitere würde ich so nicht in Kauf nehmen. Ich denke, es gibt Dinge, die macht man 1x im Leben, aber nicht alle 3 Jahre erneut. Ich bin Ende 40 und der Plan ist schon, dass ich nun weiter arbeite bis zur Rente.

Du bist ja um einiges jünger als ich. Man muss halt bedenken, dass es in meinem Alter irgendwie eh nicht so leicht mit der Jobsuche ist. So war zumindest meine Erfahrung. Wurde ich zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, saß ich immer Menschen gegenüber, die älter als ich oder zumindest ungefähr gleich alt waren. Von jüngeren wird man dann wohl recht direkt aussortiert. Ein Freund von uns ist Ende 50 und meinte, er selbst stutzt auch erstmal, wenn eine 50+ Bewerbung reinkommt. Selbst bei ih, der ja auch älter ist, ist der erste Impuls, die Person gar nicht erst einzuladen. Warum und wieso, kann er sich selbst nicht recht erklären. Also generell wird es halt irgendwann schwieriger.

Generell wäre es wohl besser, sich in jüngeren Jahren für etwas neues zu entscheiden (also bis 35/40). Aber danach ist es schon auch noch möglich. Denke nur, es wird schwieriger, was die späteren Chancen angeht. Macht man etwas komplett neues, bei dem die vorherigen Erfahrungen so gar nicht zählen, dann wird man vermutlich auch eher wie ein Berufsanfänger gehandelt. Dann bringt man keinen Vorteil mit, sondern startet quasi auf der gleichen Ebene wie alle anderen. Wo das vll noch gut funktioniert, ist in sehr gefragten Berufen (wie z.B. in Pflegeberufen). Aber so im kaufmännischen Bereich stelle ich mir das schwieriger vor.

So rein vom Lebenslauf her, könnte ich mir vorstellen, dass zukünftige Arbeitgeber es am ehesten noch Müttern zugestehen, wenn sie sich (während der Elternzeit) für eine berufliche Neuorientierung entschieden haben. Dass man (wie ich nach offizieller Angabe) freiwillig den Job kündigt, ohne was neues zu haben und sich dann noch mal fortbildet und das in meinem Alter, ist wohl eher ungewöhnlich.

Ein spätes Studium (und das gar noch berufsbegleitend) hätte ich persönlich mir vermutlich nicht vorstellen können. Ich glaube nicht, dass ich diese Disziplin hätte aufbringen können, über Jahre so ein Leistungslevel zu halten. Ich bewundere dies wirklich sehr, wenn Jemand das macht.
 
G
Benutzer Gast
  • #9
Das ist ein Thread wie für mich gemacht, dankeschön!

ich befinde mich gerade in einer kleinen Karrierekrise und überlege, noch einmal umzusatteln und etwas Neues anzufangen. Gerade auch, weil ich sicherlich bis ~ 70 arbeiten werde. Also noch viele, viele Jahre.
Willkommen im Club!
Da war ich 2007 schon einmal und bin es momentan durch ein verändertes geschäftliches Umfeld wieder und denke entweder an Umsatteln oder zumindest das Portfolio erweitern/umbauen.

Hast du beruflich noch einmal etwas Neues gewagt? Vielleicht noch mal eine zweite Ausbildung gemacht oder noch mal studiert?
Zum Studium fehlt mir der entsprechende Abschluss.
Ich habe mich 2007 selbständig gemacht und zwar komplett.

Wie kam es dazu? Was war deine Motivation?
Ich habe jahrelang in der TGA/Systemintegration bei verschiedenen Systemhäusern gearbeitet. Man sagt "die Branche verliert keinen" und so wechseln viele innerhalb der Branche. Man trifft und traf auf Messen immer dieselben Leute, nur manchmal halt bei anderen Unternehmen.
Mir waren die Strukturen und Denkweise damals schon zu altbacken und zu starr.
Die IT begann in unsere Branche einzudringen und keiner wollte es so richtig wahr haben und aufnehmen sondern man dachte oft konzeptionell aber auch unternehmerisch immer noch auf die Art wie in den 90ern.
Ich hatte mach damals schon in der Branche auf IT und Kommunikationstechnik spezialisiert.
Zuletzt habe ich im mittleren Management gearbeitet Vorgestzte und auf neue Trends und Risiken hingewiesen.
Da ich mich dauerhaft nicht ernst gemommen fühlte beschloss ich, das ganze als Selbständiger zu tun (für meine Spezialisierung gab es damals keine Ausbildung und auch nur wenige, die es konnten).

Was waren die Vor- und Nachteile deiner Entscheidung?
Vorteile: freie Entscheidungen und freie Arbeitsweise ohne das meine Konzeptionen oder Ideen ständig hinterfragt oder zerpflückt wurden.
Nachteile: finanzielles Risiko und eine Beziehung, die damit in die Brüche ging (was aber auch andere Ursachen hatte, das war nur der letzte ausschlaggebende Punkt).

Wie hast du das finanziell gestemmt? Während des Studiums verdient man ja nichts. Hast du nebenbei gejobbt oder hat dich deine Familie unterstützt?
Ich hatte vorsichtig ein wenig Vorarbeit geleistet.
Einmal hatte ich schon zwei Kunden, die nur darauf warteten, daß ich mich selbständig machte. Ich war einer der letzten der noch von einem Förderprogramm für 12 Monate profitieren konnten. Somit war das erste Jahr nicht allzu bitter.

Hast du Gegenwind bekommen? Haben dich Leute in deinem Umfeld für verrückt erklärt?
Gegenwind?
Jede Menge! Das war kein Wind sondern ein Hurricane.
Freunde und Bekannte haben mich für schlicht verrückt erklärt mich mitten in der Eurokrise selbständig zu machen und einen (vermeintlich) sicheren Job aufzugeben.
Meine damalige Freundin drohte mit Trennung die ich dann selbst vollzog.
Der einzige der mir Zuspruch leistete war mein Vater.

Wie war die Erfahrung für dich? Gab es schwierige Momente?
Schwierige Momente?
Oh ja. Jede Menge.
Alle paar Jahre gab es kleinere und größere Einbrüche, entweder der Marktlage oder Insolvenzen von Kunden geschuldet.
Da muss man machmal schon psyschisch stabil sein.

Würdest du dich im Nachhinein wieder dafür entscheiden?
Unbedingt!
Und es gibt kein "ich bin zu alt dafür".
 
Vianne
Benutzer151786  (40) Sehr bekannt hier
  • #10
Hast du beruflich noch einmal etwas Neues gewagt? Vielleicht noch mal eine zweite Ausbildung gemacht oder noch mal studiert?
Ich habe mit 30 ein Studium begonnen. Allerdings in derselben Branche, in der ich zuvor schon eine Ausbildung gemacht habe und jahrelang berufstätig war.

Wie kam es dazu? Was war deine Motivation?
Ich war in meinem alten Beruf extrem unterfordert, sowohl inhaltlich als auch zeitlich, was echt ein großes Problem für mich war. Am Ende hatte ich freiwillig quasi 2,5 Vollzeitstellen, um halbwegs auf meine Stunden zu kommen. Und in der Sache hat es mich auch sehr gelangweilt, ich habe zwar öfters mal das Fachgebiet gewechselt, aber sobald ich mich eingearbeitet habe, war es dann doch immer nur das Gleiche - Verfügungen ausführen und Sachen stumpf abarbeiten.

Als eine nicht so nette Vorgesetzte mal zu mir sagte: "Sie sollen nicht denken, nur machen!!", nachdem ich sie auf einen vermeintlichen Fehler in ihrer Verfügung angesprochen hatte, war mir klar, dass genau das das Problem ist und ich das hier nicht mehr länger machen möchte. Zumal es mir, obwohl ich überdurchschnittlich viel und auch gute Arbeit geleistet habe, auch einfach nichts gebracht hat. Mein Vertrag wurde weiter befristet und das Gehalt blieb dasselbe. In der freien Wirtschaft wäre das noch mal was anderes gewesen - das wäre mein Schritt gewesen, wenn es mit dem Studium nicht geklappt hätte.

Mittlerweile bin ich auf Lebenszeit verbeamtet, verdiene wesentlich mehr als damals, bin sachlich (nahezu) unabhängig, habe niemanden, der mich oder meine Arbeit kontrolliert, kann alles so machen, wann und wie ich es möchte... Das alles war meine Motivation.

Wie hast du das finanziell gestemmt? Während des Studiums verdient man ja nichts. Hast du nebenbei gejobbt oder hat dich deine Familie unterstützt?
Ich habe Bezüge erhalten, allerdings hatte ich in der Zeit auch zwei Wohnungen - eine am Studienort und eine in der Heimat. Meine Eltern haben mich deshalb unterstützt, musste ich nach dem Studium aber wieder zurückzahlen.

Hast du Gegenwind bekommen? Haben dich Leute in deinem Umfeld für verrückt erklärt?
Nein, gar nicht. Es fanden eigentlich alle super. So hat es sich dann auch gelohnt, dass ich nach der Ausbildung noch das Abitur auf dem Abendgymnasium nachgeholt hatte, das war ja bis dahin jahrelang umsonst, weil ich nichts damit angefangen habe. Und es war wohl auch allen klar, dass mein alter Beruf eine Sackgasse war.

Wie war die Erfahrung für dich? Gab es schwierige Momente?
Es war ein einziger schwieriger Moment. 😅 Ich kannte das Berufsbild ja bereits und war überzeugt davon, das Studium mehr oder weniger locker zu packen (nicht überheblich gemeint, es hat mich einfach etwas beruhigt und zuversichtlich gemacht, weil das Ganze ja schon ein großer Schritt war). Es war dann aber doch um Einiges anspruchsvoller als ich geahnt habe und nach der ersten Vorlesungswoche saß ich vollkommen erschlagen da und habe mich gefragt, worauf ich mich hier eigentlich eingelassen habe.

Ich stand dann auch jahrelang durchgehend am Rande eines Nervenzusammenbruchs, weil ich eine so große Panik entwickelt habe, das Examen womöglich nicht zu bestehen. In dem Fall hätte es einfach keinen Plan B gegeben, außer eben in meinen alten Beruf zurückzukehren. Da hätte ich mir dann wohl die Kugel gegeben...

Würdest du dich im Nachhinein wieder dafür entscheiden?
Puh, gute Frage. Um ehrlich zu sein, wenn ich gewusst hätte, WIE anstrengend es wirklich wird, hätte ich es vermutlich nicht gemacht. 🙈 Es ging ja dann letztendlich alles gut, aber dieses Studium hat mich echt fix und fertig gemacht. Jetzt bin natürlich sehr froh, dass ich den Schritt gegangen bin, gar keine Frage. Aber noch froher, dass es vorbei ist und ich sowas nie wieder machen muss. 🙃
 
Mrs. Brightside
Benutzer140332  (36) Planet-Liebe ist Startseite
  • #11
Hast du beruflich noch einmal etwas Neues gewagt? Vielleicht noch mal eine zweite Ausbildung gemacht oder noch mal studiert?
Ja, ich bin inmitten meines dualen Studiums. Noch ein weiteres Jahr und ich bin durch. :smile:
Wie kam es dazu? Was war deine Motivation?
Ich hatte keinerlei Aufstiegschancen in meinem alten Beruf, könnte aber später beide Berufe kombinieren, wenn ich möchte. Ich bin gelernte Erzieherin und studiere jetzt Sportökonomie.
Was waren die Vor- und Nachteile deiner Entscheidung?
Ich bin Mutter eines 5 jährigen Kindes, ich verdiene deutlich unter Mindestlohn, ich arbeite 35h + Uni, Haushalt und gefühlt kein Privatleben mehr. Ich habe also keine Zeit und kein Geld.
Wie hast du das finanziell gestemmt?
Mit viel Hilfe von meiner Mutter. Ansonsten bafög.
Hast du Gegenwind bekommen? Haben dich Leute in deinem Umfeld für verrückt erklärt?
Nein, gar nicht. Eher im Gegenteil. Full support. :smile:
Wie war die Erfahrung für dich? Gab es schwierige Momente?
Es ist ja immer noch schwierig und wird es auch noch bis zur Bachelorarbeit sein. Noch mal würde ich das so nicht machen mit kleinem Kind.
Würdest du dich im Nachhinein wieder dafür entscheiden?
Ja, immer. Nur würde ich mir den Zeitraum anders aussuchen.
 
Zuletzt bearbeitet:
S
Benutzer199400  (46) Sorgt für Gesprächsstoff
  • #12
ich bin nach viele Jahren Selbständigkeit in der Kreativ / Marketingbranche, immer am Rande des Burnouts und gesundheitlich kurz vor der Bretterwand, mit Mitte 30 in den Öffentlichen Dienst gewechselt. Das war ein Cut, ein beruflicher Neuanfang der nur am Rande was mit meinem alten Job zu tun hatte. In dem Job bin ich jetzt noch, demnächst werde ich dort unkündbar. Das war ein 180° Turn, von Vollgas auf Standgas, von 1/4h Abrechnungsintervallen auf "Kosten? haben wir hier keine".
Aber: Der Job ist, naja, unterfordert mich ehrlicherweise. Aber (nicht wenig) Geld kommt herein, ich bin quasi unkündbar und habe eine super flexible Zeiteinteilung und kann auch für die Familie da sein und erlaube mir zeitintensive Hobbys.
Dafür ist der Job eben wenig spektakulär, hat keine Karriereoption, und es gibt eigentlich keine soziale Komponente mit den Kollegen. Eigentlich müsste man den Job schnell wieder hinschmeißen wegen Bore-Out, aber ich hab mich arrangiert und ich kümmere mich um meine Highlights eben neben dem Job. An einen beruflichen Neuanfang, auch Teilselbständigkeit, habe ich auch schon mal gedacht, aber wegen der Kohle muss ich das nicht machen und eine ausgeglichene Work-Life Balance ist Gold wert, das würde ich nicht eintauschen wollen.

Will sagen: Ein Wechsel, ein Neuanfang kann gut sein, man muss sich aber irgendwann auch die Frage stellen, ob man dann nicht mit dem zufrieden ist, was man hat und nicht immer nach dem schielt, was besser ist und was andere haben. Wer immer nur von seinem Leben gehetzt ist, der kommt nie an. Und wenn man einen krassen Wechsel macht, sollte man den nie bereuen sondern immer nur nach Vorne schauen.
 
M
Benutzer210596  (33) Klickt sich gerne rein
  • Themenstarter
  • #13
S showrunner_2.0 Interessant! Weil du sagst, dein jetziger Job hat nur bedingt was mit Marketing zu tun - wie war der Wechsel da möglich? Also, hast du dich auf gut Glück beworben und den Job bekommen, oder vorher noch nen Kurs besucht,…?
 
S
Benutzer199400  (46) Sorgt für Gesprächsstoff
  • #14
S showrunner_2.0 Interessant! Weil du sagst, dein jetziger Job hat nur bedingt was mit Marketing zu tun - wie war der Wechsel da möglich? Also, hast du dich auf gut Glück beworben und den Job bekommen, oder vorher noch nen Kurs besucht,…?
mein alter Job hatte nur am Rande mit dem zu tun, was ich jetzt mache, aber das hat für den ÖD gereicht ;-).
Ich wollte aus dem "kreativen Druck" raus und mache jetzt komplett etwas völlig unkreatives.
Ich hab da mal mit einem Coach drüber gesprochen, der meinte es wäre völlig unüblich, dass jemand so einen harten Cut von sich aus macht, die meisten reiten ihr totes Pferd noch viel zu lange weiter und schaffen den Absprung nicht.
 
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