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Benutzer215076 (34)
Ist noch neu hier
- #1
Dass Pornos, in denen Männer Sex haben, einen gewissen Reiz auf mich ausüben, hatte ich bereits in der Pubertät festgestellt. Damals kursierte ein Video im Internet, in dem ein Mann mit breit gespreizten Beinen einen Schwanz ritt, während sein eigener, halb erigierter Pimmel sich wie ein Propeller drehte. Es war so ein GIF-Video, das sich unendlich wiederholte und das man sich damals, als harmlosen Link getarnt, gegenseitig zuschickte, um sich einen Streich zu spielen.
Als ich eines Nachmittags mit ein paar Klassenkameraden bei mir im Zimmer saß und nichtsahnend den Link öffnete, wandten sich alle angewidert ab, und ich tat natürlich dasselbe. Ich hatte gesehen, wie es Leuten erging, die durch irgendeine unbedachte Geste oder Äußerung den Stempel „Schwuchtel" aufgedrückt bekamen. Also tat ich genauso angeekelt und empört wie die anderen und schloss den Browser. In Wahrheit hatte das Video bei mir jedoch weder Schock noch Ekel ausgelöst, sondern Neugierde und Erregung. Später, als ich wieder alleine war, öffnete ich den Link erneut, sah mir wieder und wieder den kreisenden Schwanz an und merkte, wie auch ich dabei erregt wurde.
Ich schloss den Browser an diesem Abend wieder, ohne dem Verlangen, das in mir erwacht war, weiter nachzugehen. Es dauerte jedoch nicht lange bis meine Neugier siegte und ich sah öfter auch mal Gay Pornos wenn ich mir einen runterholen wollte. Dass ich mich in irgendeiner Form vom eigenen Geschlecht angezogen fühlte, gestand ich mir jedoch lange Zeit nicht richtig ein. Ich geriet auch nie in ein Umfeld, in dem diesbezüglich eine akzeptierende Einstellung vorherrschte. „Die sollen miteinander machen, was sie wollen. Aber mich sollen die bloß nicht anpacken!", war da noch das, was einer toleranten Haltung am nächsten kam. Ich muss zugeben, dass ich da mitgemacht habe – und das, obwohl ich inzwischen regelmäßig auf Gay- und Trans-Pornos wichste.
Andererseits hatte ich persönlich wirklich noch nie einen Mann getroffen, den ich attraktiv fand. Das stand meiner nicht zu leugnenden Faszination für Schwänze irgendwie entgegen. Auf Frauen stand ich zweifelsfrei, auch wenn ich aus Schüchternheit nur sehr selten Sex hatte. War ich also bi oder bi-neugierig? Oder einfach verkappt schwul? Ich wurde langsam erwachsen, aber traute mich kaum, mir diese Frage zu stellen, geschweige denn eine ehrliche Antwort darauf zu geben. Es gab auch niemanden, mit dem ich darüber hätte reden können.
Meine Eltern hatten immer gesagt, dass sie sich freuen würden, wenn ich mal jemanden mit nach Hause bringe – egal, ob das eine Frau oder ein Mann ist. Wenn ich also irgendwann mal gesagt hätte: „Mama und Papa, ich bin schwul", wäre das kein Problem gewesen. Aber auf der anderen Seite konnte ich mit meinen Eltern nicht gut über solch intime Fragen sprechen. Und meine Freunde? Gerade zu dieser Zeit gaben in meinem Freundeskreis Jungs den Ton an, die man getrost als homophob bezeichnen konnte – selbst gemessen an damaligen Maßstäben.
Ich emanzipierte mich immer mehr von dieser Haltung, trotzdem blieb die Zerrissenheit in mir. Diese zwei Pole, die einfach nicht zusammenpassten. Ich kann zum Glück von mir sagen, dass ich mich nie abfällig oder herablassend einem Schwulen gegenüber verhalten oder geäußert habe. Tief in mir wusste ich wohl immer, dass das bescheuert ist und dass man sich nicht aussucht, wen man liebt. Ich war auch nicht so erzogen worden – und außerdem ja auch irgendwie selbst betroffen. Trotzdem habe ich lange Zeit mitgemacht und noch viel länger nichts dagegen gesagt. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert, und ich hoffe, dass das auch so weitergeht. Mein innerer Konflikt blieb jedoch seltsam unberührt von dieser Entwicklung.
Als ich Anfang 20 war, traten dann die Dating-Apps ihren Siegeszug an, und da ich scheinbar nicht schlecht aussehe, hatte ich dort eine gute Auswahl. Besonders viel machte ich aber nicht daraus. Ich traf mich mit vielen Frauen, hatte aber nur mit wenigen Sex. Aber es half ein wenig, meine Schüchternheit abzulegen und zu erkennen, dass Frauen auch nur Menschen sind. Später lernte ich dann meine erste richtige Freundin kennen, und zum ersten Mal hatte ich regelmäßig Sex und stellte das ständige Wichsen ein.
Es lief eine Zeit lang gut. Es war aber schon kurz nach der anfänglichen Phase, in der man die Finger nicht voneinander lassen kann, so gewesen, dass ich deutlich öfter Sex wollte als sie. Eine Zeit lang war das irgendwie okay für mich. Doch als dann teilweise Wochen vergingen, in denen wir nicht miteinander schliefen, war Selbstbefriedigung bei mir wieder hoch im Kurs. Und natürlich Pornos: Hetero, Gay, Trans – alles machte mich irgendwie an.
Zumindest machte ich mir selbst immer weniger was vor: Ich war scheinbar bi, und irgendwie war es ja auch okay. Pornos sind jedoch nur ein schwacher Ersatz für echte menschliche Aufmerksamkeit. Sie ersetzen vielleicht eine Zeit lang das Gefühl des Begehrens – auf keinen Fall aber das Gefühl, begehrt zu werden.
Es blieb jedoch dabei, dass der Sex in meiner Beziehung immer weniger wurde, obwohl es nicht an Gefühlen mangelte, und auch ansonsten lief es gut zwischen uns. Ich sprach es wiederholt an, doch langfristig änderte sich nie etwas. Ich war nie besonders selbstbewusst gewesen, und mich so wenig begehrenswert zu fühlen, nagte zusätzlich an meinem Selbstvertrauen.
Ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe meine Freundin dann irgendwann hintergangen. Ich habe sie nicht im klassischen Sinne betrogen, mit einer Affäre oder einem Seitensprung. Aber ich war ihr trotzdem untreu. Und das kam so:
Ich war schon früher oft bei Chatroulette und ähnlichen Seiten unterwegs gewesen. Nur zum Spaß und zum Unterhalten. Die Typen, die sich vor der Cam einen runterholten, hatte ich jedoch immer schnell weggeklickt. Wenn ich mich aber nun aus Langeweile vor die Cam setzte, war es anders. Ich genoss den Anblick der Wichser, und ich wartete immer länger, bis ich auf „Next" klickte. Es dauerte nicht lange, bis ich es mir bis zum Ende ansah. Bis sie kamen. Ich stand die anfängliche Unsicherheit und Verlegenheit durch, und nach einer Weile turnte es mich richtig an, dass da irgendwo auf der Welt jemand saß und sich nur beim Anblick meines Gesichts einen runterholte. Es wurde meine liebste Beschäftigung, wenn meine Freundin nicht zu Hause war (wir wohnten mittlerweile zusammen). Ich machte die Typen dann sogar richtig an, indem ich mit Blicken zeigte, dass mir gefiel, was ich sah. Ich biss mir auf die Lippen oder leckte sie mit der Zunge ab und zeigte mit Mimik und Gestik, dass ich es kaum erwarten konnte, sie abspritzen zu sehen. Wie sie darauf ansprangen, erregte mich wiederum sehr. Dabei blieb es aber nicht.
Wenig später blieb ich dann über Skype mit einigen im Kontakt, die mir gut gefallen hatten und die nach dem Abspritzen nicht sofort den Chat beendet hatten. Mit denen wichste ich dann auch gemeinsam. Einer war dabei, der es mir besonders angetan hatte, weil er Damenunterwäsche trug. Das war für mich der absolute Kick. Mit ihm machte ich es mir häufig gemeinsam, und wir hatten regen Kontakt.
Es war dann der Chat mit ihm, den ich vergaß zu schließen und den meine Freundin entdeckte, als sie den Laptop aufklappte. Sein Profilbild zeigte seinen Arsch mit Spitzenstring und Strapsen. Sie sah es und dachte natürlich sofort, dass es eine Frau war. Sie war völlig außer sich. Ich bekam zunächst kein Wort heraus. Nur „Es tut mir leid" sagte ich immer wieder. Sie verlangte natürlich eine Erklärung, aber ich brachte nichts hervor, dachte, dass sie mich in jedem Fall verlassen wird – egal, ob ich die Wahrheit sage oder nicht. Sie hätte auch jedes Recht dazu gehabt.
Irgendwann entschied ich, dass sie zumindest die Wahrheit verdient hatte, und brachte hervor: „Schatz, das ist keine Frau." Das verschlug ihr dann erst mal die Sprache. Nach einer Weile redeten wir in Ruhe darüber. Ich erklärte es ihr, ohne zu sehr ins Detail zu gehen – das wollte sie auch nicht. Nach ein paar Tagen, als der Schock verdaut war, sagte sie mir, dass ich es ausprobieren müsse. Ich müsse wissen, wie es ist, mit einem Mann oder ich würde immer im Zweifel bleiben. Wie recht sie hatte. Sie erteilte mir praktisch die Erlaubnis, sagte aber auch, dass sie nicht dabei sein wollte, aber sie würde es akzeptieren.
Ich war unheimlich durcheinander und verunsichert in dieser Zeit, und ich entschied mich dagegen, es zu tun. Treue ist mir sehr wichtig, und ich erkannte, dass ich mir etwas vorgemacht hatte. „Es ist nur vor der Cam, und es sind keine Frauen", habe ich mir gesagt. Aber natürlich habe ich es heimlich gemacht und hätte es ihr von mir aus nie erzählt. Treue und Aufrichtigkeit sehen jedenfalls anders aus. Ich fühlte mich schuldig und erzählte ihr, dass ich es nicht tun möchte.
Und so verpasste ich die Gelegenheit, es auszuprobieren – es richtig auszuprobieren. Zum einen, weil ich mich immer noch schuldig fühlte und die Sorge hatte, dass das noch mehr kaputt machen könnte. Zum anderen – und wahrscheinlich vor allem –, weil ich mir trotz allem nicht eingestehen konnte, dass ich mich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühle, und vielleicht auch Angst hatte, so richtig auf den Geschmack zu kommen, wenn ich es einmal wirklich probieren würde.
Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich bin, dass meine damalige Freundin so darauf reagiert hat. So wie es gelaufen ist, hätte sie jedes Recht gehabt, mich in den Wind zu schießen. Wäre vor der anderen Cam wirklich eine Frau gewesen, hätte sie es wohl auch getan. Ich glaube jedoch, dass ihr Vertrauen zu mir niemals wieder wurde was es war. Wir haben uns allerdings erst Jahre später aus ganz anderen Gründen getrennt und sind im Guten auseinandergegangen.
Aber nutzte ich diese Gelegenheit, um endlich herauszufinden, wie es mit einem Mann ist? Nein! Nicht wirklich. Die Trennung hat mich ziemlich mitgenommen, obwohl sie einvernehmlich war und es hat eine ganze Zeit gebraucht, bis ich mich überhaupt wieder mit jemandem treffen wollte. Ich meldete mich dann irgendwann wieder bei Tinder an, traf mich mit Frauen, schrieb aber auch teilweise mit Männern. Gelegenheiten, einen Mann zu daten, hätte es genug gegeben, aber immer wenn es kurz davor war, zog ich den Schwanz ein. Männer zu daten ist etwas ganz anderes, als sich normal mit ihnen zu unterhalten – so schien es mir jedenfalls. Irgendwie ist es ja auch wie das erste Mal, dachte ich. Ist es da besser, jemanden mit Erfahrung zu treffen, oder lieber jemanden, der sich auch gerade ausprobiert? Keine Ahnung, wie man da auf den Richtigen trifft. Ich war wieder ganz am Anfang. Ich fühlte mich wieder wie 16, und irgendwie war es auch aufregend. Ich tastete mich behutsam vor, und vielleicht wäre es auch dazu gekommen – aber es kam etwas dazwischen.
Man kann sich nicht aussuchen, wo und wann man der Liebe seines Lebens begegnet. Ich habe sie bei Tinder getroffen – genau in dem Moment, als ich fast so weit war, es endlich mit einem Mann zu probieren. Ich bereue es aber nicht, denn wir sind mittlerweile seit fünf Jahren glücklich verheiratet. Es steht außer Frage, dass ich mein Leben mit dieser Frau verbringen möchte, aber ich habe ihr von meiner bi-Neigung – oder wie man es auch immer nennen möchte – nie erzählt. Diesen Teil von mir verheimliche ich noch immer. Das Wichsen vor der Cam mache ich nicht mehr. Ich glaube auch, dass Pornos in der heutigen Verfügbarkeit nicht gut fürs Gehirn sind. Ich komme aber nicht ganz davon los, obwohl wir ein erfülltes Sexleben haben. Pornos sind für sie kein Problem. Sie weiß, dass ich sie schaue. Aber nicht, dass es eben auch Schwänze sind, die mich dabei geil machen.
Warum ich ihr das nicht sage, weiß ich nicht genau. Am Anfang haben wir uns mal darüber unterhalten. Sie erzählte mir, dass sie mal eine Frau geküsst hatte, dabei aber nichts gespürt habe. „Du stehst aber nicht auf Männer, oder?“, sagte sie dann. Da habe ich mich dann nicht getraut zu widersprechen. Am Anfang war ich in ihrer Gegenwart noch total unsicher und wollte es nicht verkacken. Ich weiß nicht mal ob ich die Betonung nicht einfach falsch verstanden habe. Sie ist Brasilianerin und als wir uns kennenlernten war ihr Deutsch noch nicht so gut wie heute. In Brasilien gibt es altbackene Konservative, die nach wie vor allem ablehnend gegenüberstehen, das nicht der Norm entspricht. Demgegenüber gibt es eine Große Menge an Menschen, die das freie Ausleben der Sexualität und Identität befürwortet. Meine Frau gehört glücklicherweise zur letzteren Gruppe. Ihr bester Freund ist schwul, sie interessiert sich für Dragshows und ist einfach ein wunderbar aufgeschlossener Mensch. Wir waren zum Karneval in Rio, und es ist dort ganz üblich, dass Männer sich als Frauen verkleiden. Und was soll ich sagen? Ich bin ziemlich drauf abgefahren, wie eine Nutte rumzulaufen, und meine Frau schien es auch irgendwie anzumachen. Wir hatten sogar mal fast einen Dreier mit einer Lesbe, die uns auf einer Party aufgerissen hat. Meine Frau hat dann aber leider kalte Füße bekommen.
Grundsätzlich glaube ich nicht, dass ich etwas zu befürchten habe, wenn ich ihr gegenüber ehrlich bin. Ich kann nicht erwarten, dass sie damit einverstanden ist, dass ich, oder wir gemeinsam, es mit einem anderen Mann ausprobieren. Aber um mein Leben mit ihr zu verbringen, wäre ich auch bereit, darauf zu verzichten. Wirklich wichtig ist mir nur, dass sie es weiß.
Ich weiß gar nicht, warum ich das alles so ausführlich aufschreibe. Ich habe einfach angefangen, und es hat gutgetan, mir das alles mal von der Seele zu schreiben. Vielleicht interessiert es niemanden. Vielleicht liest es aber auch der eine oder die andere und findet sich in Teilen wieder oder hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Grund, warum ich das hier veröffentliche, ist die Hoffnung, in den Austausch zu kommen. Vielleicht auch, um die Geschichten anderer zu hören und hoffentlich Menschen zu finden, die den Schritt gewagt haben, den ich mich noch nicht traue zu gehen.
Ich bin mir sicher, dass es viele Männer – und bestimmt auch Frauen – gibt, die ähnlich damit kämpfen oder gekämpft haben, sich diesen Teil von sich einzugestehen. Ich bin Jahrgang 90, also nicht gerade im finsteren Mittelalter geboren, und doch war der Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe, speziell unter Männern, in meiner Kindheit und Jugend irgendwie ein Tabu, auch wenn man es längst besser wusste. Es ist schade, dass ein offener Umgang damit bis heute Mut erfordert. Ich habe größten Respekt vor denjenigen, die diesen Mut aufgebracht haben – vermutlich besonders, weil ich ihn nie hatte. Ich will nicht alles auf Andere oder auf die Gesellschaft schieben. Ich habe die längste Zeit gebraucht um mir selbst einzugestehen, dass ich bin wie ich bin. Die Verantwortung liegt bei mir und es tut mir leid, dass ich dadurch einen Menschen verletzt habe, der mir einmal viel bedeutet hat. Ich will nicht, dass so etwas nochmal passiert. Ich weiß eigentlich, was ich tun muss – ich weiß nur noch nicht, wie ich den Mut dafür aufbringen soll.
Als ich eines Nachmittags mit ein paar Klassenkameraden bei mir im Zimmer saß und nichtsahnend den Link öffnete, wandten sich alle angewidert ab, und ich tat natürlich dasselbe. Ich hatte gesehen, wie es Leuten erging, die durch irgendeine unbedachte Geste oder Äußerung den Stempel „Schwuchtel" aufgedrückt bekamen. Also tat ich genauso angeekelt und empört wie die anderen und schloss den Browser. In Wahrheit hatte das Video bei mir jedoch weder Schock noch Ekel ausgelöst, sondern Neugierde und Erregung. Später, als ich wieder alleine war, öffnete ich den Link erneut, sah mir wieder und wieder den kreisenden Schwanz an und merkte, wie auch ich dabei erregt wurde.
Ich schloss den Browser an diesem Abend wieder, ohne dem Verlangen, das in mir erwacht war, weiter nachzugehen. Es dauerte jedoch nicht lange bis meine Neugier siegte und ich sah öfter auch mal Gay Pornos wenn ich mir einen runterholen wollte. Dass ich mich in irgendeiner Form vom eigenen Geschlecht angezogen fühlte, gestand ich mir jedoch lange Zeit nicht richtig ein. Ich geriet auch nie in ein Umfeld, in dem diesbezüglich eine akzeptierende Einstellung vorherrschte. „Die sollen miteinander machen, was sie wollen. Aber mich sollen die bloß nicht anpacken!", war da noch das, was einer toleranten Haltung am nächsten kam. Ich muss zugeben, dass ich da mitgemacht habe – und das, obwohl ich inzwischen regelmäßig auf Gay- und Trans-Pornos wichste.
Andererseits hatte ich persönlich wirklich noch nie einen Mann getroffen, den ich attraktiv fand. Das stand meiner nicht zu leugnenden Faszination für Schwänze irgendwie entgegen. Auf Frauen stand ich zweifelsfrei, auch wenn ich aus Schüchternheit nur sehr selten Sex hatte. War ich also bi oder bi-neugierig? Oder einfach verkappt schwul? Ich wurde langsam erwachsen, aber traute mich kaum, mir diese Frage zu stellen, geschweige denn eine ehrliche Antwort darauf zu geben. Es gab auch niemanden, mit dem ich darüber hätte reden können.
Meine Eltern hatten immer gesagt, dass sie sich freuen würden, wenn ich mal jemanden mit nach Hause bringe – egal, ob das eine Frau oder ein Mann ist. Wenn ich also irgendwann mal gesagt hätte: „Mama und Papa, ich bin schwul", wäre das kein Problem gewesen. Aber auf der anderen Seite konnte ich mit meinen Eltern nicht gut über solch intime Fragen sprechen. Und meine Freunde? Gerade zu dieser Zeit gaben in meinem Freundeskreis Jungs den Ton an, die man getrost als homophob bezeichnen konnte – selbst gemessen an damaligen Maßstäben.
Ich emanzipierte mich immer mehr von dieser Haltung, trotzdem blieb die Zerrissenheit in mir. Diese zwei Pole, die einfach nicht zusammenpassten. Ich kann zum Glück von mir sagen, dass ich mich nie abfällig oder herablassend einem Schwulen gegenüber verhalten oder geäußert habe. Tief in mir wusste ich wohl immer, dass das bescheuert ist und dass man sich nicht aussucht, wen man liebt. Ich war auch nicht so erzogen worden – und außerdem ja auch irgendwie selbst betroffen. Trotzdem habe ich lange Zeit mitgemacht und noch viel länger nichts dagegen gesagt. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert, und ich hoffe, dass das auch so weitergeht. Mein innerer Konflikt blieb jedoch seltsam unberührt von dieser Entwicklung.
Als ich Anfang 20 war, traten dann die Dating-Apps ihren Siegeszug an, und da ich scheinbar nicht schlecht aussehe, hatte ich dort eine gute Auswahl. Besonders viel machte ich aber nicht daraus. Ich traf mich mit vielen Frauen, hatte aber nur mit wenigen Sex. Aber es half ein wenig, meine Schüchternheit abzulegen und zu erkennen, dass Frauen auch nur Menschen sind. Später lernte ich dann meine erste richtige Freundin kennen, und zum ersten Mal hatte ich regelmäßig Sex und stellte das ständige Wichsen ein.
Es lief eine Zeit lang gut. Es war aber schon kurz nach der anfänglichen Phase, in der man die Finger nicht voneinander lassen kann, so gewesen, dass ich deutlich öfter Sex wollte als sie. Eine Zeit lang war das irgendwie okay für mich. Doch als dann teilweise Wochen vergingen, in denen wir nicht miteinander schliefen, war Selbstbefriedigung bei mir wieder hoch im Kurs. Und natürlich Pornos: Hetero, Gay, Trans – alles machte mich irgendwie an.
Zumindest machte ich mir selbst immer weniger was vor: Ich war scheinbar bi, und irgendwie war es ja auch okay. Pornos sind jedoch nur ein schwacher Ersatz für echte menschliche Aufmerksamkeit. Sie ersetzen vielleicht eine Zeit lang das Gefühl des Begehrens – auf keinen Fall aber das Gefühl, begehrt zu werden.
Es blieb jedoch dabei, dass der Sex in meiner Beziehung immer weniger wurde, obwohl es nicht an Gefühlen mangelte, und auch ansonsten lief es gut zwischen uns. Ich sprach es wiederholt an, doch langfristig änderte sich nie etwas. Ich war nie besonders selbstbewusst gewesen, und mich so wenig begehrenswert zu fühlen, nagte zusätzlich an meinem Selbstvertrauen.
Ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe meine Freundin dann irgendwann hintergangen. Ich habe sie nicht im klassischen Sinne betrogen, mit einer Affäre oder einem Seitensprung. Aber ich war ihr trotzdem untreu. Und das kam so:
Ich war schon früher oft bei Chatroulette und ähnlichen Seiten unterwegs gewesen. Nur zum Spaß und zum Unterhalten. Die Typen, die sich vor der Cam einen runterholten, hatte ich jedoch immer schnell weggeklickt. Wenn ich mich aber nun aus Langeweile vor die Cam setzte, war es anders. Ich genoss den Anblick der Wichser, und ich wartete immer länger, bis ich auf „Next" klickte. Es dauerte nicht lange, bis ich es mir bis zum Ende ansah. Bis sie kamen. Ich stand die anfängliche Unsicherheit und Verlegenheit durch, und nach einer Weile turnte es mich richtig an, dass da irgendwo auf der Welt jemand saß und sich nur beim Anblick meines Gesichts einen runterholte. Es wurde meine liebste Beschäftigung, wenn meine Freundin nicht zu Hause war (wir wohnten mittlerweile zusammen). Ich machte die Typen dann sogar richtig an, indem ich mit Blicken zeigte, dass mir gefiel, was ich sah. Ich biss mir auf die Lippen oder leckte sie mit der Zunge ab und zeigte mit Mimik und Gestik, dass ich es kaum erwarten konnte, sie abspritzen zu sehen. Wie sie darauf ansprangen, erregte mich wiederum sehr. Dabei blieb es aber nicht.
Wenig später blieb ich dann über Skype mit einigen im Kontakt, die mir gut gefallen hatten und die nach dem Abspritzen nicht sofort den Chat beendet hatten. Mit denen wichste ich dann auch gemeinsam. Einer war dabei, der es mir besonders angetan hatte, weil er Damenunterwäsche trug. Das war für mich der absolute Kick. Mit ihm machte ich es mir häufig gemeinsam, und wir hatten regen Kontakt.
Es war dann der Chat mit ihm, den ich vergaß zu schließen und den meine Freundin entdeckte, als sie den Laptop aufklappte. Sein Profilbild zeigte seinen Arsch mit Spitzenstring und Strapsen. Sie sah es und dachte natürlich sofort, dass es eine Frau war. Sie war völlig außer sich. Ich bekam zunächst kein Wort heraus. Nur „Es tut mir leid" sagte ich immer wieder. Sie verlangte natürlich eine Erklärung, aber ich brachte nichts hervor, dachte, dass sie mich in jedem Fall verlassen wird – egal, ob ich die Wahrheit sage oder nicht. Sie hätte auch jedes Recht dazu gehabt.
Irgendwann entschied ich, dass sie zumindest die Wahrheit verdient hatte, und brachte hervor: „Schatz, das ist keine Frau." Das verschlug ihr dann erst mal die Sprache. Nach einer Weile redeten wir in Ruhe darüber. Ich erklärte es ihr, ohne zu sehr ins Detail zu gehen – das wollte sie auch nicht. Nach ein paar Tagen, als der Schock verdaut war, sagte sie mir, dass ich es ausprobieren müsse. Ich müsse wissen, wie es ist, mit einem Mann oder ich würde immer im Zweifel bleiben. Wie recht sie hatte. Sie erteilte mir praktisch die Erlaubnis, sagte aber auch, dass sie nicht dabei sein wollte, aber sie würde es akzeptieren.
Ich war unheimlich durcheinander und verunsichert in dieser Zeit, und ich entschied mich dagegen, es zu tun. Treue ist mir sehr wichtig, und ich erkannte, dass ich mir etwas vorgemacht hatte. „Es ist nur vor der Cam, und es sind keine Frauen", habe ich mir gesagt. Aber natürlich habe ich es heimlich gemacht und hätte es ihr von mir aus nie erzählt. Treue und Aufrichtigkeit sehen jedenfalls anders aus. Ich fühlte mich schuldig und erzählte ihr, dass ich es nicht tun möchte.
Und so verpasste ich die Gelegenheit, es auszuprobieren – es richtig auszuprobieren. Zum einen, weil ich mich immer noch schuldig fühlte und die Sorge hatte, dass das noch mehr kaputt machen könnte. Zum anderen – und wahrscheinlich vor allem –, weil ich mir trotz allem nicht eingestehen konnte, dass ich mich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühle, und vielleicht auch Angst hatte, so richtig auf den Geschmack zu kommen, wenn ich es einmal wirklich probieren würde.
Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich bin, dass meine damalige Freundin so darauf reagiert hat. So wie es gelaufen ist, hätte sie jedes Recht gehabt, mich in den Wind zu schießen. Wäre vor der anderen Cam wirklich eine Frau gewesen, hätte sie es wohl auch getan. Ich glaube jedoch, dass ihr Vertrauen zu mir niemals wieder wurde was es war. Wir haben uns allerdings erst Jahre später aus ganz anderen Gründen getrennt und sind im Guten auseinandergegangen.
Aber nutzte ich diese Gelegenheit, um endlich herauszufinden, wie es mit einem Mann ist? Nein! Nicht wirklich. Die Trennung hat mich ziemlich mitgenommen, obwohl sie einvernehmlich war und es hat eine ganze Zeit gebraucht, bis ich mich überhaupt wieder mit jemandem treffen wollte. Ich meldete mich dann irgendwann wieder bei Tinder an, traf mich mit Frauen, schrieb aber auch teilweise mit Männern. Gelegenheiten, einen Mann zu daten, hätte es genug gegeben, aber immer wenn es kurz davor war, zog ich den Schwanz ein. Männer zu daten ist etwas ganz anderes, als sich normal mit ihnen zu unterhalten – so schien es mir jedenfalls. Irgendwie ist es ja auch wie das erste Mal, dachte ich. Ist es da besser, jemanden mit Erfahrung zu treffen, oder lieber jemanden, der sich auch gerade ausprobiert? Keine Ahnung, wie man da auf den Richtigen trifft. Ich war wieder ganz am Anfang. Ich fühlte mich wieder wie 16, und irgendwie war es auch aufregend. Ich tastete mich behutsam vor, und vielleicht wäre es auch dazu gekommen – aber es kam etwas dazwischen.
Man kann sich nicht aussuchen, wo und wann man der Liebe seines Lebens begegnet. Ich habe sie bei Tinder getroffen – genau in dem Moment, als ich fast so weit war, es endlich mit einem Mann zu probieren. Ich bereue es aber nicht, denn wir sind mittlerweile seit fünf Jahren glücklich verheiratet. Es steht außer Frage, dass ich mein Leben mit dieser Frau verbringen möchte, aber ich habe ihr von meiner bi-Neigung – oder wie man es auch immer nennen möchte – nie erzählt. Diesen Teil von mir verheimliche ich noch immer. Das Wichsen vor der Cam mache ich nicht mehr. Ich glaube auch, dass Pornos in der heutigen Verfügbarkeit nicht gut fürs Gehirn sind. Ich komme aber nicht ganz davon los, obwohl wir ein erfülltes Sexleben haben. Pornos sind für sie kein Problem. Sie weiß, dass ich sie schaue. Aber nicht, dass es eben auch Schwänze sind, die mich dabei geil machen.
Warum ich ihr das nicht sage, weiß ich nicht genau. Am Anfang haben wir uns mal darüber unterhalten. Sie erzählte mir, dass sie mal eine Frau geküsst hatte, dabei aber nichts gespürt habe. „Du stehst aber nicht auf Männer, oder?“, sagte sie dann. Da habe ich mich dann nicht getraut zu widersprechen. Am Anfang war ich in ihrer Gegenwart noch total unsicher und wollte es nicht verkacken. Ich weiß nicht mal ob ich die Betonung nicht einfach falsch verstanden habe. Sie ist Brasilianerin und als wir uns kennenlernten war ihr Deutsch noch nicht so gut wie heute. In Brasilien gibt es altbackene Konservative, die nach wie vor allem ablehnend gegenüberstehen, das nicht der Norm entspricht. Demgegenüber gibt es eine Große Menge an Menschen, die das freie Ausleben der Sexualität und Identität befürwortet. Meine Frau gehört glücklicherweise zur letzteren Gruppe. Ihr bester Freund ist schwul, sie interessiert sich für Dragshows und ist einfach ein wunderbar aufgeschlossener Mensch. Wir waren zum Karneval in Rio, und es ist dort ganz üblich, dass Männer sich als Frauen verkleiden. Und was soll ich sagen? Ich bin ziemlich drauf abgefahren, wie eine Nutte rumzulaufen, und meine Frau schien es auch irgendwie anzumachen. Wir hatten sogar mal fast einen Dreier mit einer Lesbe, die uns auf einer Party aufgerissen hat. Meine Frau hat dann aber leider kalte Füße bekommen.
Grundsätzlich glaube ich nicht, dass ich etwas zu befürchten habe, wenn ich ihr gegenüber ehrlich bin. Ich kann nicht erwarten, dass sie damit einverstanden ist, dass ich, oder wir gemeinsam, es mit einem anderen Mann ausprobieren. Aber um mein Leben mit ihr zu verbringen, wäre ich auch bereit, darauf zu verzichten. Wirklich wichtig ist mir nur, dass sie es weiß.
Ich weiß gar nicht, warum ich das alles so ausführlich aufschreibe. Ich habe einfach angefangen, und es hat gutgetan, mir das alles mal von der Seele zu schreiben. Vielleicht interessiert es niemanden. Vielleicht liest es aber auch der eine oder die andere und findet sich in Teilen wieder oder hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Grund, warum ich das hier veröffentliche, ist die Hoffnung, in den Austausch zu kommen. Vielleicht auch, um die Geschichten anderer zu hören und hoffentlich Menschen zu finden, die den Schritt gewagt haben, den ich mich noch nicht traue zu gehen.
Ich bin mir sicher, dass es viele Männer – und bestimmt auch Frauen – gibt, die ähnlich damit kämpfen oder gekämpft haben, sich diesen Teil von sich einzugestehen. Ich bin Jahrgang 90, also nicht gerade im finsteren Mittelalter geboren, und doch war der Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe, speziell unter Männern, in meiner Kindheit und Jugend irgendwie ein Tabu, auch wenn man es längst besser wusste. Es ist schade, dass ein offener Umgang damit bis heute Mut erfordert. Ich habe größten Respekt vor denjenigen, die diesen Mut aufgebracht haben – vermutlich besonders, weil ich ihn nie hatte. Ich will nicht alles auf Andere oder auf die Gesellschaft schieben. Ich habe die längste Zeit gebraucht um mir selbst einzugestehen, dass ich bin wie ich bin. Die Verantwortung liegt bei mir und es tut mir leid, dass ich dadurch einen Menschen verletzt habe, der mir einmal viel bedeutet hat. Ich will nicht, dass so etwas nochmal passiert. Ich weiß eigentlich, was ich tun muss – ich weiß nur noch nicht, wie ich den Mut dafür aufbringen soll.