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Benutzer15054 (44)
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- #1
Hallo. Ich habe zwei Schwächen, mit denen ich schon seit meiner Kindheit zu kämpfen habe. Sie sind nicht mehr so übel wie damals, ich konnte sie schon etwas ausgleichen. Aber noch immer beeinflussen beide Schwächen mein Leben und eine von beiden - die Vergesslichkeit - ist mir in jüngster Vergangenheit zweimal zum Verhängnis geworden.
Meine erste Schwäche ist, wie gesagt, die Vergesslichkeit. Es ist keine generelle Vergesslichkeit, eher eine Schusseligkeit und Unkonzentriertheit bei alltäglichen Dingen. Ich habe studiert und strebe nun eine Promotion an. Meine Mitmenschen und Verwandten bescheinigen mir immer ein hohes abstraktes Wissen. Ich weiss Geschichtsdaten auswendig, habe mehrere Fremdsprachen gelernt und kenne mich auch sonst in vielen theoretischen Sachen gut aus. Zudem lese ich sehr viel.
Meine Schusseligkeit betrifft dagegen alltägliche, praktische und wichtige Dinge. Vor Kurzem hat mir meine Vergesslichkeit zwei richtige Schocks verpasst:
Das erste war die Bewerbung für ein Stipendium. Ich hatte dieses Stipendium so gut wie sicher. Mein Doktorvater hatte sich in seinem Gutachten sehr für mich eingesetzt und auch die Stipendiumsvergeber boten mir von sich aus dieses Stipendium an.
Ich brauchte nur das Formular ausfüllen, und einige Belege wie Studienbescheinigung und Magisterzeugnis beilegen.
Das mit der Studienbescheinigung dauerte ziemlich lange. Ich wollte das Formular erst losschicken, wenn ich auch noch die Studienbescheinigung hätte. Hätte ich aber gewusst, dass es für das Stipendium eine Bewerbungsfrist gab, hätte ich das Formular auch ohne die Studienbescheinigung abgeschickt und die Bescheinigung noch nachgeschickt.
Aber nein, ich vergaß völlig, dass es für die Bewerbung einen Einsendeschluss gab (30. April 2008). Als ich die Studienbescheinigung in der ersten Maiwoche erhielt, war es schon zu spät. Ich schickte die Bewerbung los, ohne zu wissen, dass die Deadline schon längst überschritten war. Daher wurde der Antrag auch abgewiesen.
Ich war so nah dran, ein Stipendium zu bekommen. Und dann verhaue ich diesen Glücksfall.
Mein Doktorvater war sehr enttäuscht von mir. Er hatte fest damit gerechnet, dass ich den Antrag rechtzeitig einreiche, und er hatte sich sehr für mich eingesetzt.
Jetzt habe ich mich bei der HBS um ein Stipendium beworben. Den Antrag habe ich zum Glück rechtzeitig abgeschickt und wird nun bearbeitet. Beide Gutachter, darunter mein Doktorvater, haben erneut Gutachten geschrieben und sie an die HBS geschickt. Aber ich könnte nur noch kotzen über diese meine Dummheit.
Der zweite Fall ereignete sich auf einem Einsatz des Malteser-Hilfsvereins beim Stadtfest. Ich bin Mitglied bei den Maltesern und helfe immer mal wieder mit. Das schätzen auch die anderen Kollegen und danken mir immer für meine Hilfe.
Aber beim Stadtfest hat mir meine Schusseligkeit wieder einen Streich gespielt.
Ich hatte nämlich meine Haus- und Fahrradschlüssel in meine Malteser-Jacke getan. Mit dem Fahrrad fuhr ich direkt zum Stadtfest und schloss es dort ab. Die Malteser-Einsatzgruppe war ein zwei Bereiche aufgeteilt, medizinischer Bereich und Funkbereich. Während des Einsatzes zog ich wegen der Hitze die Jacke aus und legte sie über einen Stuhl im medizinischen Bereich, wo wir auch mit Essen versorgt wurden etc..
Ich hielt mich aber danach ständig in der Funkabteilung auf. Am Abend, als der Einsatz beendet war, wurde alles abgebaut. Ich wollte gerade mein Fahrrad aufschließen, als die letzten Malteser-Wagen davonfuhren und ich plötzlich wie verrückt meine Schlüssel suchte. Ich durchsuchte meinen Rucksack, meine Hosentaschen und mein Hemd. Ich erzählte der Polizei, die noch vor Ort war, dass ich wohl meinen Schlüssel verloren hatte.
Ich wusste gar nicht mehr, dass ich mit einer Jacke zum Stadtfest gekommen war. Ich suchte den Boden und das Gras ab nach dem Schlüssel, weil ich dachte, er wäre mir rausgefallen. Die Polizei half mir dabei.
Erst nach einiger Zeit überlegte ich, ob ich denn mit einer Jacke zum Stadtfest gefahren war. Ich rief meine Freundin an, aber die wusste es auch nicht - obwohl sie mich mit Jacke hat weggehen sehen.
Dann aber fiel mir wieder ein, dass ich die Jacke im medizinischen Bereich hatte liegen lassen. Nun hoffte ich, dass die Malteser-Kollegen meine Jacke mitgenommen hatten.
Ich rief auf dem Handy eines Kollegen an, erreichte ihn aber nicht, so dass die Polizei mir anbot, das Schloss meines Fahrrads mit einem Bolzenschneider durchzuschneiden. Dem stimmte ich letztendlich zu, da ich wusste, dass die Malteser-Kollegen jetzt noch in ihrem Hauptquartier feiern und grillen und ich noch versuchen wollte, hinzufahren, solange sie noch im Hauptquartier waren.
Ich fuhr erstmal zu meiner Freundin und rief den Kollegen noch einmal an, und er bestätigte, dass meine Jacke mit meinem Schlüssel im Hauptquartier ist. Glück im Unglück, dachte ich nur. Naja, ich holte dann meine Jacke ab, und der Kollege fragte mich, ob ich meinen Kopf vergessen hätte.
Es ist jetzt nicht so wie in meiner Kindheit. Damals war ich noch vergesslicher. Mittlerweile nutze ich Notizbücher und lege die wichtigsten Dinge wie Hausschlüssel in meine Kleidung. Das hilft mir, die von mir geplanten Dinge einzuhalten. Aber dennoch gibt es solche Unglücksfälle, bei denen ich mir selbst eine reinwürge. Ich hasse das!!! Wenn es doch wenigstens harmlose Dinge wären wie ein Geschichtsdatum oder eine Vokabel - aber es sind wichtige Dinge, die ich vergesse oder verbassele. Es ist zum Kotzen!
Und das Schlimmste ist, dass ich jedes Mal in Panik gerate, wenn ich in größere Schwierigkeiten gerate. Womit wir bei meinem zweiten Problem wären, das etwas umfassender ist. Es zeigt sich bei mir darin, in Krisensituationen nicht souverän sein zu können und Konflikte nicht anzupacken.
Als ich meine Schlüssel verloren habe, bin ich in Panik geraten und habe rumgeflucht, anstatt erstmal kühlen Kopf zu bewahren und nachzudenken. Ich bin wie bekloppt rumgelaufen und habe nach dem Schlüssel gesucht, als wenn die Zeit mir hinterherrennen würde.
Das ist ein Ereignis. Ein weiterer Punkt sind hitzige Diskussionen mit anderen. Man kann sich mit mir sehr gut unterhalten, das wird mir auch von anderen bescheinigt. Ich kann gut und sachlich argumentieren und zeige auch mein Wissen in Diskussionen.
Problematisch wird es, wenn eine Diskussion hitzig wird und emotional gesprochen wird. Sobald eine Diskussion emotional wird, kriege ich einen totalen Blackout. Mir verschlägt es dann die Sprache und ich kriege keine ganzen Sätze mehr raus. Ich stammel dann nur noch irgend etwas vor mir hin, bringe Sätze durcheinander und wirke sehr aufgebracht.
Ein Beispiel ist eine Szene zwischen mir und einer Malteser-Kollegin beim besagten Stadtfest. Wir waren zusammen mit einer dritten Person auf "Streife". Irgendwann später wurden wir dann zur Zentrale zurückgerufen. Meine Kollegin legte plötzlich einen ziemlichen Zahn zu und spurtete fast zurück zur Basisstation. Die andere Kollegin und ich wunderten uns, warum sie es so eilig hat. Ich fragte meine schnelle Kollegin auch, warum sie es so eilig habe. Sie meinte, warum wir denn langsam gehen sollte.
Ich sagte zu ihr, dass die Innenstadt voll ist und wir uns zwischen lauter Menschen bewegen, daher nunmal Rücksicht auf die anderen nehmen müssen und wir nicht schneller vorankommen. Sie meinte dann, wie schnell ich denn laufen will, wenn denn mal ein Unfall wäre und wir herbeigerufen würden. Ich sagte, dass wir jetzt aber nicht zu einem Unfall gerufen wurden. Sie entgegnete, dass das gut sei, denn sonst würde sie noch schneller gehen.
Ich wusste echt nicht, was ich sagen sollte. Ich kam, während sie spurtete, nicht vorwärts, weil immer wieder Menschenmengen mir den Weg versperrten. Sie meinte lapidar zu mir, ich müsse mir dann halt einen freien Weg suchen und dass es gar nicht so viele Leute seien.
Ich war total aufgewühlt, da ich ihr nicht richtig klarmachen konnte, wo ich das Problem sah. Ich hatte plötzlich das Gefühl, in der "Redeschlacht" verloren zu haben. Und dieses Gefühl war sehr niederschmetternd für mich.
Und das passiert mir immer, wenn jemand mir mit "flinker Zunge" oder emotional antwortet. Ich werde dann selbst unruhig und aufgebracht, kann aber dann nicht mehr klar denken und bringe keine richtigen Sätze und Argumente mehr hervor. Es ist, als ob dann plötzlich mein Denken aussetze. Als ob mein Denken meinem Sprechen hinterherhinkt. Mein Denken erweist sich dann als total unflexibel und reaktionsträge. Man würde wohl von einem Mangel an Schlagfertigkeit sprechen.
Erst nach der Diskussion, wenn ich mich wieder beruhigt habe und die Diskussion noch einmal in Gedanken durchgehe, fallen mir viele Argumente ein, die ich hätte bringen können und die auch gefruchtet hätten. Aber immer erst hinterher!
Allerdings ist es auch hier nicht immer so schlimm. Ich weiss mittlerweile, wie ich auf emotionale Diskussionen am Besten reagiere, nämlich zuerst nachdenken und dann sprechen. Mein Fehler scheint immer wieder zu sein, dass ich überschnell und hastig spreche, bevor ich überhaupt nachgedacht habe. Aber wenn ich ruhig bleibe und durchatme und zuhöre, kann ich relativ gelassen reagieren.
Dennoch bleibt dieser psychische Druck vorhanden. Auch in anderen Konfliktsituationen ist das der Fall. So zeigt sich zum Beispiel sehr oft, dass ich in Konfliktsituationen viel zu gutmütig und beschwichtigend reagiere. Ich traue mich manchmal einfach nicht, jemandem die Meinung zu sagen oder ihn bzw. sie zu kritisieren.
So z.B. heute während des Fantasy-Rollenspiels. In unserer Gruppe ist so ein Kotzbrocken, der mit allem, was er hat, rumprollt und auch sonst eine große Klappe hat, was aber von uns allen schnell durchschaut wird.
Meine Freundin raucht sehr viel, auch beim Rollenspiel. Auch kann sie sehr schlecht Rollenspiel spielen und sie macht immer wieder Fehler.
Letzte Woche kam sie nicht mit. Als dieser Kotzbrocken die Runde betrat, bemerkte er, dass meine Freundin nicht mitgekommen war und in die Runde fragte: "Wo ist denn der Aschenbecher?"
Mit "Aschenbecher" meinte er nicht den Aschenbecher, sondern meine Freundin bezeichnete er als Aschenbecher. Ich hätte an die Decke gehen können, habe aber nichts gesagt. Stattdessen habe ich diesen Typen für den Rest des Abends ignoriert.
Aber heute beim Rollenspiel dasselbe. Meine Freundin konnte wieder nicht gut spielen und wir waren alle mehr oder weniger genervt von ihrem Spiel-Stil. Dann ging sie wieder eine rauchen.
Als sie rausging, sagte dieser Typ irgendetwas. Ich verstand es aber nicht richtig. Ich hörte nur die letzten Worte:
"... jetzt hat sie wieder etwas im Mund."
Ich wollte dem Typen sagen, er soll die Fresse halten und aufhören, über meine Freundin so herzuziehen. Aber auch diesmal habe ich nichts gesagt. Ich habe es später meiner Freundin erzählt. Sie juckt das nicht. Sie meint, sie wisse, dass dieser Typ dumm ist, und daher blicke sie über sowas hinweg. Sie forderte mich dann auf, auf solche dummen Bemerkungen nicht zu reagieren.
Mich hat das aber aufgeregt, dass es sie nicht gejuckt hat. Ich komme mir immer so feige und konfliktscheu vor, wenn ich jemandem die Meinung sagen will, ich es aber nicht tue.
Als der Typ seine Sprüche abgelassen hat, wollte ich dem Typen die Meinung geigen. Aber ich wusste nicht, was ich sagen und wie ich es sagen sollte.
Der Typ kann mir nix tun, er kocht auch nur mit Wasser. So ist er auch schon mal zusammengezuckt, wenn ich als Reaktion auf sein "Knuffen" ihn zurückgehauen habe. Der Typ prollt immer wieder damit rum, wieviele Kampfmesser und -stöcke er bei sich zuhause hat. Dann spielt er immer wieder mit einem seiner Kampfmesser am Rollenspieltisch und zeigt uns allen, wie gut er damit umgehen kann. Dann erzählt er auch oft, dass er bewaffnete Nahkampfverteidigung lernt etc..
Aber das finde ich jetzt nicht so bedrohlich, denn ich habe schon oft genug gesehen, wie der Typ selbst zusammengezuckt und gekuscht hat, wenn andere ihm die Meinung erzählt haben.
Und es ist oft schon so gewesen, dass, wenn er über meine Freundin hergezogen hat, ich ihn ziemlich finster angeschaut habe. Er hat dann immer verlegen zurückgegrinst.
Von daher weiss ich, dass hinter seiner großen Klappe nicht viel steckt.
Ich wollte dem Typen heute so gerne sagen, er soll sein dummes Maul halten. Aber ich fürchte immer wieder, dass andere denken, ich würde überreagieren und "uncool" bzw. nicht-locker wirken.
Ich selbst frage mich dann immer wieder: Soll ich jetzt reagieren? War das jetzt übertrieben, was der Typ gesagt hat? Soll ich warten, bis er das nächste Mal dumm rumlabert? Was soll ich ihm sagen? Klingt es nicht lächerlich, wenn ich wegen seinem Gelabere so eine Szene mache?
Ich selbst verabscheue Gewalt und will den Typen jetzt auch nicht reizen. Andererseits will ich mir das auch nicht länger gefallen lassen, dass ich anderen nicht die Meinung sagen oder sie kritisieren kann.
Ein weiterer Fall ist mein Ausstieg aus einer zweiten Rollenspielgruppe. Eigentlich bin ich ausgestiegen, weil mir die Kampagne nicht mehr gefallen hat und die skurrilen Regelauslegungen der Spielleiterin. Als ich ihr gesagt habe, dass ich aus ihrer Gruppe vorerst austreten will, sagte ich ihr aber die wahren Gründe nicht. Stattdessen formulierte ich es so um, dass ich im Moment keine Zeit mehr für die Gruppe hätte und mein Charakter nicht mehr in die Kampagne passe.
Aber ich hasse jetzt im Rückblick diese "Umformulierung". Warum kann ich niemandem Kritik aufrecht ins Gesicht sagen?
Vielleicht, weil ich andere nicht veletzen oder beleidigen will. Vielleicht auch, weil ich weiss, dass heute viel zu viele Leute wegen jeder kleinen Kritik sofort wütend, eingeschnappt und aggressiv reagieren. Die Spielleiterin ist eine gute Bekannte von mir und ich möchte mir es mit ihr nicht verscherzen.
Was denkt ihr? Hängen diese beiden Fälle von Konfliktscheue miteinander zusammen? Und was sagt ihr zu meiner Schusseligkeit?
Das sind meine beiden Probleme, die ich sehr erdrückend finde. Meine Schusseligkeit einerseits und meine Konfliktscheue andererseits.
Was sagt ihr zu dem Ganzen? Sorry für den langen Text, aber ich wollte für beiden Probleme nicht je ein Thema aufmachen.
Meine erste Schwäche ist, wie gesagt, die Vergesslichkeit. Es ist keine generelle Vergesslichkeit, eher eine Schusseligkeit und Unkonzentriertheit bei alltäglichen Dingen. Ich habe studiert und strebe nun eine Promotion an. Meine Mitmenschen und Verwandten bescheinigen mir immer ein hohes abstraktes Wissen. Ich weiss Geschichtsdaten auswendig, habe mehrere Fremdsprachen gelernt und kenne mich auch sonst in vielen theoretischen Sachen gut aus. Zudem lese ich sehr viel.
Meine Schusseligkeit betrifft dagegen alltägliche, praktische und wichtige Dinge. Vor Kurzem hat mir meine Vergesslichkeit zwei richtige Schocks verpasst:
Das erste war die Bewerbung für ein Stipendium. Ich hatte dieses Stipendium so gut wie sicher. Mein Doktorvater hatte sich in seinem Gutachten sehr für mich eingesetzt und auch die Stipendiumsvergeber boten mir von sich aus dieses Stipendium an.
Ich brauchte nur das Formular ausfüllen, und einige Belege wie Studienbescheinigung und Magisterzeugnis beilegen.
Das mit der Studienbescheinigung dauerte ziemlich lange. Ich wollte das Formular erst losschicken, wenn ich auch noch die Studienbescheinigung hätte. Hätte ich aber gewusst, dass es für das Stipendium eine Bewerbungsfrist gab, hätte ich das Formular auch ohne die Studienbescheinigung abgeschickt und die Bescheinigung noch nachgeschickt.
Aber nein, ich vergaß völlig, dass es für die Bewerbung einen Einsendeschluss gab (30. April 2008). Als ich die Studienbescheinigung in der ersten Maiwoche erhielt, war es schon zu spät. Ich schickte die Bewerbung los, ohne zu wissen, dass die Deadline schon längst überschritten war. Daher wurde der Antrag auch abgewiesen.
Ich war so nah dran, ein Stipendium zu bekommen. Und dann verhaue ich diesen Glücksfall.
Jetzt habe ich mich bei der HBS um ein Stipendium beworben. Den Antrag habe ich zum Glück rechtzeitig abgeschickt und wird nun bearbeitet. Beide Gutachter, darunter mein Doktorvater, haben erneut Gutachten geschrieben und sie an die HBS geschickt. Aber ich könnte nur noch kotzen über diese meine Dummheit.
Der zweite Fall ereignete sich auf einem Einsatz des Malteser-Hilfsvereins beim Stadtfest. Ich bin Mitglied bei den Maltesern und helfe immer mal wieder mit. Das schätzen auch die anderen Kollegen und danken mir immer für meine Hilfe.
Aber beim Stadtfest hat mir meine Schusseligkeit wieder einen Streich gespielt.
Ich hatte nämlich meine Haus- und Fahrradschlüssel in meine Malteser-Jacke getan. Mit dem Fahrrad fuhr ich direkt zum Stadtfest und schloss es dort ab. Die Malteser-Einsatzgruppe war ein zwei Bereiche aufgeteilt, medizinischer Bereich und Funkbereich. Während des Einsatzes zog ich wegen der Hitze die Jacke aus und legte sie über einen Stuhl im medizinischen Bereich, wo wir auch mit Essen versorgt wurden etc..
Ich hielt mich aber danach ständig in der Funkabteilung auf. Am Abend, als der Einsatz beendet war, wurde alles abgebaut. Ich wollte gerade mein Fahrrad aufschließen, als die letzten Malteser-Wagen davonfuhren und ich plötzlich wie verrückt meine Schlüssel suchte. Ich durchsuchte meinen Rucksack, meine Hosentaschen und mein Hemd. Ich erzählte der Polizei, die noch vor Ort war, dass ich wohl meinen Schlüssel verloren hatte.
Ich wusste gar nicht mehr, dass ich mit einer Jacke zum Stadtfest gekommen war. Ich suchte den Boden und das Gras ab nach dem Schlüssel, weil ich dachte, er wäre mir rausgefallen. Die Polizei half mir dabei.
Erst nach einiger Zeit überlegte ich, ob ich denn mit einer Jacke zum Stadtfest gefahren war. Ich rief meine Freundin an, aber die wusste es auch nicht - obwohl sie mich mit Jacke hat weggehen sehen.
Dann aber fiel mir wieder ein, dass ich die Jacke im medizinischen Bereich hatte liegen lassen. Nun hoffte ich, dass die Malteser-Kollegen meine Jacke mitgenommen hatten.
Ich rief auf dem Handy eines Kollegen an, erreichte ihn aber nicht, so dass die Polizei mir anbot, das Schloss meines Fahrrads mit einem Bolzenschneider durchzuschneiden. Dem stimmte ich letztendlich zu, da ich wusste, dass die Malteser-Kollegen jetzt noch in ihrem Hauptquartier feiern und grillen und ich noch versuchen wollte, hinzufahren, solange sie noch im Hauptquartier waren.
Ich fuhr erstmal zu meiner Freundin und rief den Kollegen noch einmal an, und er bestätigte, dass meine Jacke mit meinem Schlüssel im Hauptquartier ist. Glück im Unglück, dachte ich nur. Naja, ich holte dann meine Jacke ab, und der Kollege fragte mich, ob ich meinen Kopf vergessen hätte.
Es ist jetzt nicht so wie in meiner Kindheit. Damals war ich noch vergesslicher. Mittlerweile nutze ich Notizbücher und lege die wichtigsten Dinge wie Hausschlüssel in meine Kleidung. Das hilft mir, die von mir geplanten Dinge einzuhalten. Aber dennoch gibt es solche Unglücksfälle, bei denen ich mir selbst eine reinwürge. Ich hasse das!!! Wenn es doch wenigstens harmlose Dinge wären wie ein Geschichtsdatum oder eine Vokabel - aber es sind wichtige Dinge, die ich vergesse oder verbassele. Es ist zum Kotzen!
Und das Schlimmste ist, dass ich jedes Mal in Panik gerate, wenn ich in größere Schwierigkeiten gerate. Womit wir bei meinem zweiten Problem wären, das etwas umfassender ist. Es zeigt sich bei mir darin, in Krisensituationen nicht souverän sein zu können und Konflikte nicht anzupacken.
Als ich meine Schlüssel verloren habe, bin ich in Panik geraten und habe rumgeflucht, anstatt erstmal kühlen Kopf zu bewahren und nachzudenken. Ich bin wie bekloppt rumgelaufen und habe nach dem Schlüssel gesucht, als wenn die Zeit mir hinterherrennen würde.
Das ist ein Ereignis. Ein weiterer Punkt sind hitzige Diskussionen mit anderen. Man kann sich mit mir sehr gut unterhalten, das wird mir auch von anderen bescheinigt. Ich kann gut und sachlich argumentieren und zeige auch mein Wissen in Diskussionen.
Problematisch wird es, wenn eine Diskussion hitzig wird und emotional gesprochen wird. Sobald eine Diskussion emotional wird, kriege ich einen totalen Blackout. Mir verschlägt es dann die Sprache und ich kriege keine ganzen Sätze mehr raus. Ich stammel dann nur noch irgend etwas vor mir hin, bringe Sätze durcheinander und wirke sehr aufgebracht.
Ein Beispiel ist eine Szene zwischen mir und einer Malteser-Kollegin beim besagten Stadtfest. Wir waren zusammen mit einer dritten Person auf "Streife". Irgendwann später wurden wir dann zur Zentrale zurückgerufen. Meine Kollegin legte plötzlich einen ziemlichen Zahn zu und spurtete fast zurück zur Basisstation. Die andere Kollegin und ich wunderten uns, warum sie es so eilig hat. Ich fragte meine schnelle Kollegin auch, warum sie es so eilig habe. Sie meinte, warum wir denn langsam gehen sollte.
Ich sagte zu ihr, dass die Innenstadt voll ist und wir uns zwischen lauter Menschen bewegen, daher nunmal Rücksicht auf die anderen nehmen müssen und wir nicht schneller vorankommen. Sie meinte dann, wie schnell ich denn laufen will, wenn denn mal ein Unfall wäre und wir herbeigerufen würden. Ich sagte, dass wir jetzt aber nicht zu einem Unfall gerufen wurden. Sie entgegnete, dass das gut sei, denn sonst würde sie noch schneller gehen.
Ich wusste echt nicht, was ich sagen sollte. Ich kam, während sie spurtete, nicht vorwärts, weil immer wieder Menschenmengen mir den Weg versperrten. Sie meinte lapidar zu mir, ich müsse mir dann halt einen freien Weg suchen und dass es gar nicht so viele Leute seien.
Ich war total aufgewühlt, da ich ihr nicht richtig klarmachen konnte, wo ich das Problem sah. Ich hatte plötzlich das Gefühl, in der "Redeschlacht" verloren zu haben. Und dieses Gefühl war sehr niederschmetternd für mich.
Und das passiert mir immer, wenn jemand mir mit "flinker Zunge" oder emotional antwortet. Ich werde dann selbst unruhig und aufgebracht, kann aber dann nicht mehr klar denken und bringe keine richtigen Sätze und Argumente mehr hervor. Es ist, als ob dann plötzlich mein Denken aussetze. Als ob mein Denken meinem Sprechen hinterherhinkt. Mein Denken erweist sich dann als total unflexibel und reaktionsträge. Man würde wohl von einem Mangel an Schlagfertigkeit sprechen.
Erst nach der Diskussion, wenn ich mich wieder beruhigt habe und die Diskussion noch einmal in Gedanken durchgehe, fallen mir viele Argumente ein, die ich hätte bringen können und die auch gefruchtet hätten. Aber immer erst hinterher!
Allerdings ist es auch hier nicht immer so schlimm. Ich weiss mittlerweile, wie ich auf emotionale Diskussionen am Besten reagiere, nämlich zuerst nachdenken und dann sprechen. Mein Fehler scheint immer wieder zu sein, dass ich überschnell und hastig spreche, bevor ich überhaupt nachgedacht habe. Aber wenn ich ruhig bleibe und durchatme und zuhöre, kann ich relativ gelassen reagieren.
Dennoch bleibt dieser psychische Druck vorhanden. Auch in anderen Konfliktsituationen ist das der Fall. So zeigt sich zum Beispiel sehr oft, dass ich in Konfliktsituationen viel zu gutmütig und beschwichtigend reagiere. Ich traue mich manchmal einfach nicht, jemandem die Meinung zu sagen oder ihn bzw. sie zu kritisieren.
So z.B. heute während des Fantasy-Rollenspiels. In unserer Gruppe ist so ein Kotzbrocken, der mit allem, was er hat, rumprollt und auch sonst eine große Klappe hat, was aber von uns allen schnell durchschaut wird.
Meine Freundin raucht sehr viel, auch beim Rollenspiel. Auch kann sie sehr schlecht Rollenspiel spielen und sie macht immer wieder Fehler.
Letzte Woche kam sie nicht mit. Als dieser Kotzbrocken die Runde betrat, bemerkte er, dass meine Freundin nicht mitgekommen war und in die Runde fragte: "Wo ist denn der Aschenbecher?"
Mit "Aschenbecher" meinte er nicht den Aschenbecher, sondern meine Freundin bezeichnete er als Aschenbecher. Ich hätte an die Decke gehen können, habe aber nichts gesagt. Stattdessen habe ich diesen Typen für den Rest des Abends ignoriert.
Aber heute beim Rollenspiel dasselbe. Meine Freundin konnte wieder nicht gut spielen und wir waren alle mehr oder weniger genervt von ihrem Spiel-Stil. Dann ging sie wieder eine rauchen.
Als sie rausging, sagte dieser Typ irgendetwas. Ich verstand es aber nicht richtig. Ich hörte nur die letzten Worte:
"... jetzt hat sie wieder etwas im Mund."
Ich wollte dem Typen sagen, er soll die Fresse halten und aufhören, über meine Freundin so herzuziehen. Aber auch diesmal habe ich nichts gesagt. Ich habe es später meiner Freundin erzählt. Sie juckt das nicht. Sie meint, sie wisse, dass dieser Typ dumm ist, und daher blicke sie über sowas hinweg. Sie forderte mich dann auf, auf solche dummen Bemerkungen nicht zu reagieren.
Mich hat das aber aufgeregt, dass es sie nicht gejuckt hat. Ich komme mir immer so feige und konfliktscheu vor, wenn ich jemandem die Meinung sagen will, ich es aber nicht tue.
Als der Typ seine Sprüche abgelassen hat, wollte ich dem Typen die Meinung geigen. Aber ich wusste nicht, was ich sagen und wie ich es sagen sollte.
Der Typ kann mir nix tun, er kocht auch nur mit Wasser. So ist er auch schon mal zusammengezuckt, wenn ich als Reaktion auf sein "Knuffen" ihn zurückgehauen habe. Der Typ prollt immer wieder damit rum, wieviele Kampfmesser und -stöcke er bei sich zuhause hat. Dann spielt er immer wieder mit einem seiner Kampfmesser am Rollenspieltisch und zeigt uns allen, wie gut er damit umgehen kann. Dann erzählt er auch oft, dass er bewaffnete Nahkampfverteidigung lernt etc..
Aber das finde ich jetzt nicht so bedrohlich, denn ich habe schon oft genug gesehen, wie der Typ selbst zusammengezuckt und gekuscht hat, wenn andere ihm die Meinung erzählt haben.
Und es ist oft schon so gewesen, dass, wenn er über meine Freundin hergezogen hat, ich ihn ziemlich finster angeschaut habe. Er hat dann immer verlegen zurückgegrinst.
Von daher weiss ich, dass hinter seiner großen Klappe nicht viel steckt.
Ich wollte dem Typen heute so gerne sagen, er soll sein dummes Maul halten. Aber ich fürchte immer wieder, dass andere denken, ich würde überreagieren und "uncool" bzw. nicht-locker wirken.
Ich selbst frage mich dann immer wieder: Soll ich jetzt reagieren? War das jetzt übertrieben, was der Typ gesagt hat? Soll ich warten, bis er das nächste Mal dumm rumlabert? Was soll ich ihm sagen? Klingt es nicht lächerlich, wenn ich wegen seinem Gelabere so eine Szene mache?
Ich selbst verabscheue Gewalt und will den Typen jetzt auch nicht reizen. Andererseits will ich mir das auch nicht länger gefallen lassen, dass ich anderen nicht die Meinung sagen oder sie kritisieren kann.
Ein weiterer Fall ist mein Ausstieg aus einer zweiten Rollenspielgruppe. Eigentlich bin ich ausgestiegen, weil mir die Kampagne nicht mehr gefallen hat und die skurrilen Regelauslegungen der Spielleiterin. Als ich ihr gesagt habe, dass ich aus ihrer Gruppe vorerst austreten will, sagte ich ihr aber die wahren Gründe nicht. Stattdessen formulierte ich es so um, dass ich im Moment keine Zeit mehr für die Gruppe hätte und mein Charakter nicht mehr in die Kampagne passe.
Aber ich hasse jetzt im Rückblick diese "Umformulierung". Warum kann ich niemandem Kritik aufrecht ins Gesicht sagen?
Vielleicht, weil ich andere nicht veletzen oder beleidigen will. Vielleicht auch, weil ich weiss, dass heute viel zu viele Leute wegen jeder kleinen Kritik sofort wütend, eingeschnappt und aggressiv reagieren. Die Spielleiterin ist eine gute Bekannte von mir und ich möchte mir es mit ihr nicht verscherzen.
Was denkt ihr? Hängen diese beiden Fälle von Konfliktscheue miteinander zusammen? Und was sagt ihr zu meiner Schusseligkeit?
Das sind meine beiden Probleme, die ich sehr erdrückend finde. Meine Schusseligkeit einerseits und meine Konfliktscheue andererseits.
Was sagt ihr zu dem Ganzen? Sorry für den langen Text, aber ich wollte für beiden Probleme nicht je ein Thema aufmachen.