
Benutzer20579 (40)
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- #1
Liebes Forum,
ich habe bestimmt seit Jahren keinen eigenen Thread mehr eröffnet, aber heute fühlt es sich danach an.
Ich habe ja hier schon öfter von den seelischen Problemen meines Bruders geschrieben und heute kommt es wieder alles so hoch. Er ist seelisch krank und das vermutlich schon seit Kindesbeinen. Diagnostiziert ist eine Hochbegabung, eine Karriere als klassischer Minderleister, er studiert seit Jahren, es wird einfach nicht besser. Letztes Jahr hatte ich hier geschrieben, als nach dem Urlaub feststand, dass es so nicht weitergeht. Er war so heftig drauf im Urlaub, 100 Launen wechselten sich ab, er musste seine Bachelorarbeit absagen, weil einfach nichts mehr ging. Ich war nach dem Urlaub relativ drastisch, dass seine Probleme größer sind, als gedacht, dass er Hilfe braucht.
Seitdem ist wenig passiert. Er hat einige Wochen Antidepressiva von einem Psychiater bekommen, der ihm sagte, Therapie bräuchte er gar nicht erst versuchen, weil es keine Plätze gibt. Das ist für jemanden, der eh glaubt, dass ihm keiner helfen kann, natürlich ein toller Satz.
Von den Tabletten bekam er Magendarmprobleme und hat sie dann wieder abgesetzt.
Ich leide seit Jahren darunter, wie es ihm geht, aber auch darunter, was sein Verhalten mit mir macht. Meine Mutter z.B. ist selbst schwer krank, er geht aber nicht darauf ein. Sie braucht Hilfe beim Treppensteigen, er steht doof daneben und versteht nicht, was sie will, warum sie stehen bleibt. Letztes Jahr im Urlaub z.B. konnte sie auf unebenen Flächen nicht gut gehen, braucht mal jemanden, wo sie sich einhaken kann. Er steht genervt daneben, versteht nicht, was sie will. Jahrelang ist er bei sowas gerne auch aufbrausend und aggressiv, wird teilweise beleidigend - und versinkt bei Kritik in Selbstmitleid, verkündet, besser nicht geboren worden zu sein usw. Er fühlt sich stark als Alien und hat große Selbstzweifel, aber will sich eben auch nicht helfen lassen.
Er geht null auf die Kinder ein, erkundigt sich nicht nach ihnen. 2016 hat er seiner ersten Nichte Söckchen zur Geburt geschenkt und zum ersten Geburtstag ein Buch - das war es. Er hat uns nichts zur Hochzeit geschenkt, obwohl er Trauzeuge war. Die jüngere Tochter hat noch nie was von ihm bekommen, kein Mitbringsel, nichts. Er kreist um sich und seine Probleme, nimmt alles ein, saugt alles auf - und diskutiert im Wohnzimmer laut über seine Themen, ohne Rücksicht darauf, was sonst so passiert.
Heute war wieder so ein Tag... Wir hatten ihn zum Grillen eingeladen, vielmehr meine große Tochter. Sie hatte ihm eine Sprachnachricht geschickt.
Er kam dann auch, ist ja nicht selbstverständlich. (Wie viele Tage haben wir schon mit Anrufen und "Kommt er auch?" verbracht, da er in einem recht verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus lebt, kommt man schwer dran). Den Kaffeetisch leitete er mit Gesprächen über Will Smith, den Haarausfall seiner Frau und "wie man seine Karriere so kaputtmachen kann, dass man jemanden auf offener Bühne schlägt" ein. Wir haben alle den Kontext nicht verstanden, uns gefragt, wie er jetzt darauf kommt? Wir wollten Smalltalk führen, die Großeltern mit ihren Enkeln quatschen, das Kleinkind beim Teilchenessen anschauen, die Geschichten der 5jährigen hören - keine Diskussionen über Will Smith und den Haarausfall seiner Frau. Er wurde zunehmend gereizter.
Der Nachmittag ging weiter, bei uns ist es eben laut und lebhaft mit zwei kleinen Kindern. Aber mein Bruder hört nicht auf zu reden. Er redet einfach irre laut, so laut, dass man ihn ein Stockwerk weiter durch die Decke hört. Ich bin wirklich geräuschempfindlich und sein Gehämmere löst bei mir Ohrenschmerzen und Kopfschmerzen aus. Teilweise habe ich nach den Treffen mit ihm ein pulssynchrones Pochen im Ohr. Wenn irgendwo ein Kind weint oder was möchte, spricht er lauter, als die Kinder sind. Er hält sein Handy in der Hand, zitiert Begebenheiten, politische Themen, die ihn interessieren. Oft ist sein Wissen veraltet oder mega oberflächlich, sodass ich ihm oft widerspreche. Montag bis Mittwoch war ich auf einer Konferenz, hatte zu bestimmten Themen neues Wissen. Er redet drüber mit Halbwissen, was er als ultimative Wahrheit darstellt. Irgendwann habe ich entnervt gesagt, dass ich auch mal erzählen könnte, was ich tatsächlich WEISS, kam nicht gut an.
Dann hatte ich von einer Weihnachtsreise einen kleinen Engel am Handy kleben, er fragte uns im Spaß, warum wir Vampirkinder mit Trompeten am Handy haben. Mein Mann sagte - ebenfalls im Spaß - "Das ist ein Engel, du Heide!" Später sollte uns dieser Satz dann um die Ohren fliegen, weil wir ja ihn für so dumm halten, dass er nicht weiß, was ein Engel ist und ihn auch noch diesbezüglich belehren. Und man denkt sich WTF?
Naja, das Grillen war schön, das Essen war lecker. Trotzdem geht er auf nichts ein, was am Tisch passiert, ignoriert die Kinder, selbst wenn sie ihn ansprechen, würde niemals mal von selbst drauf kommen, einem was zu trinken einzugießen, einen Teller abzuräumen, Hilfe anzubieten. Er sitzt mit einem muffigen Gesicht in der Ecke, lamentiert wahlweise über anstrengende Themen, kann keinen Smalltalk - und wenn ein Kind was will, redet er lauter. (Ich hatte dazu vor knapp 2 Jahren mal was geschrieben, hier: https://www.planet-liebe.com/threads/männer-verwandte-der-auskotz-thread-teil-2.581300/post-14009883)
Irgendwann stand ich in der Küche, er textet mich zu, ich höre, dass das große Kind weint - und er meint völlig beiläufig: Ja, die ist eben von der Schaukel gefallen, da hat sich eine Schraube gelöst.... Warum sagt er mir das nicht direkt? Warum kommt er nicht damit rein? Ich verstehe es nicht. Hat mich natürlich auch genervt, ich bin direkt raus und meinte noch zu ihm, "Und du erzählst mir hier einen?!"
Er saß nach dem Essen auch nur so mit dem Handy rum - isst hier so mit, räumt keinen Teller ab, fragt nicht, ob er z.B. was mitbringen soll... mich ärgert das.
Am Ende war ich dann wieder draußen mit meiner Mutter, konnte mit ihr aber kein Wort wechseln, weil er so laut im Wohnzimmer mit meinem Vater gesprochen hat, dass ich sie nicht verstehen konnte. Ich habe dann reingerufen: "Schrei doch bitte nicht so, der Papa steht neben dir!"
Daraufhin hat er seine Sachen gepackt und ist gegangen.
Ohne Verabschiedung, einfach so. Ich fands hart. Die Kinder waren irritiert, die Große weinte fast.
Ist doch kacke.
Meine Eltern waren dann noch da, meine Mutter war den Tränen nahe. Mein Vater wollte ihn noch nach Hause fahren, hatte auch dran zu knabbern. Schuld bin ich, die böse Schwester. Das ist ja mein Leitmotiv, weil ich mich nicht beherrschen kann, mich nicht mehr so abgegrenzt kriege, dass ich nichts sage, wo alle anderen nichts sagen. Alle finden ihn anstrengend, alle finden ihn zu laut, keiner versteht diese kontextlosen Gespräche. Aber ich habe ihn nun verjagt. Und ich fühle mich einfach nur traurig. Habe viel Arbeit in einen schönen Grillabend gesteckt und das ist das Ergebnis.
Als ich vorhin mit meinen Eltern und den Kindern spazieren war, meinte mein Bruder zu meinem Mann, ich sei ja keinen halben Tag erträglich, es wäre ja so furchtbar mit mir. Und jetzt eben schreibt er meinem Mann über Whats App, dass er nicht versteht, wieso wir ihn einladen, wenn ich doch über jeden seiner Sätze laut aufstöhne und er doch offenbar nicht erwünscht ist.
Das Blöde ist: Ich verstehe es ja. Ich war heute morgen schon ziemlich genervt von den Kindern und gestresst von einer langen Woche, dass ich morgens schon mein eigenes Mindset auf: "Entspann dich, dein Bruder kommt heute" gesetzt hatte. Weil ich wusste, wie ich bin, wenn ich gestresst bin und er kommt. Ich habe mir Mühe gegeben. Aber der Lärmpegel ist so hart. Es ist nicht so, dass ich das sage, um ihn zu ärgern. Es fiel ja auch schonmal die Unterstellung, dass ich nur deshalb auf die Lautstärke so reagiere, weil ich nicht hören will, was er zu sagen hat und es psychosomatisch ist. Aber so ist es nicht - es ist einfach irre laut und es hämmert so.
Insgesamt macht es mir Sorgen, wie es weitergehen soll.
Er läuft seit Jahrzehnten als Trauerkloß durch die Gegend, studiert mit 33 immer noch auf Bachelor, obwohl er hochintelligent ist. Es ist so tragisch und traurig.
Meine Eltern haben jahrelang nicht gesehen, wie schlimm es ist. Nun haben sie eine Sendung über Depressionen gesehen und mein Vater, der sonst nie groß über Gefühle spricht, schaute mich heute an und sagte: "Ich habe es jahrelang nicht gesehen. Aber dein Bruder ist seit Jahren depressiv." Es hat mich so berührt, dass er das nun erkennen muss, mit Mitte 60. Es macht mich traurig. Sie bringen ihm Vitamin D mit, damit es ihm besser geht, mein Vater hat ihm auch angeboten, eine private Therapie zu zahlen, damit er nicht warten muss.
Wie hilft man so jemanden? Ich habe das Gefühl, ich bin im Moment die falsche Adresse, aber ich weiß auch einfach nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Ich möchte auch, dass meine Kinder einen Onkel haben. Einen, der mal was mitbringt, der an Geburtstage denkt, der nicht kurz vor Ostern die Nester leerisst (https://www.planet-liebe.com/threads/männer-verwandte-der-auskotz-thread-teil-3.602239/post-14495594) und dann verkündet, er hätte nicht wissen können, dass Ostern ist.
Mir tut es einfach weh und es ist ein weiterer Brocken, den ich so mit mir rumtrage und nicht weiß, wie ich ihn lösen soll. Es zu lösen, dafür fühle ich mich irgendwo verantwortlich.
Gleichzeitig möchte ich auch ein Mindestmaß an menschlichem Umgang erwarten können - für die Kinder, aber auch für mich. Warum nur kann man so empathiebefreit sein?
Ich meinte eben zu meinen Eltern, dass es natürlich naheliegend ist, dass jemand, der sich irgendwo in einem neurodiversen Spektrum bewegt, auch Depressionen entwickelt. Weil das jahrelange Gefühl als Alien natürlich dazu führt, dass man sich immer fremder und niedergeschlagener fühlt. Trotzdem fügt es eben auch mir Verletzungen zu. Und das ja nun auch schon seit einigen Jahren.
Ich weiß nicht genau, was ich mir von dem Thread erhoffe - für die gängigen Plauder- und Auskotzhreads war mir der Batzen nun einfach zu groß und es musste mal raus.
Ein großer Teil von mir möchte so gerne mal alles sagen, was in mir vorgeht. Ihm sagen, was ich erwarte. Aber gleichzeitig muss auch mal dringend ein Plan her, wie man ihm helfen kann - und da stehen wir alle hilflos daneben.
ich habe bestimmt seit Jahren keinen eigenen Thread mehr eröffnet, aber heute fühlt es sich danach an.
Ich habe ja hier schon öfter von den seelischen Problemen meines Bruders geschrieben und heute kommt es wieder alles so hoch. Er ist seelisch krank und das vermutlich schon seit Kindesbeinen. Diagnostiziert ist eine Hochbegabung, eine Karriere als klassischer Minderleister, er studiert seit Jahren, es wird einfach nicht besser. Letztes Jahr hatte ich hier geschrieben, als nach dem Urlaub feststand, dass es so nicht weitergeht. Er war so heftig drauf im Urlaub, 100 Launen wechselten sich ab, er musste seine Bachelorarbeit absagen, weil einfach nichts mehr ging. Ich war nach dem Urlaub relativ drastisch, dass seine Probleme größer sind, als gedacht, dass er Hilfe braucht.
Off-Topic:
Darauf hätte man schon kommen können, nachdem er in einen Urlaub vor 3 Jahren verkündete, nicht mehr Leben zu wollen, seine Existenz in Frage stellt und meine Mutter heulend im Ferienhaus stand - aber hey, danach konnten alle sich wieder zum Scrabblespielen am Tisch vereinen, war also nicht so schlimm.
Darauf hätte man schon kommen können, nachdem er in einen Urlaub vor 3 Jahren verkündete, nicht mehr Leben zu wollen, seine Existenz in Frage stellt und meine Mutter heulend im Ferienhaus stand - aber hey, danach konnten alle sich wieder zum Scrabblespielen am Tisch vereinen, war also nicht so schlimm.

Seitdem ist wenig passiert. Er hat einige Wochen Antidepressiva von einem Psychiater bekommen, der ihm sagte, Therapie bräuchte er gar nicht erst versuchen, weil es keine Plätze gibt. Das ist für jemanden, der eh glaubt, dass ihm keiner helfen kann, natürlich ein toller Satz.
Ich leide seit Jahren darunter, wie es ihm geht, aber auch darunter, was sein Verhalten mit mir macht. Meine Mutter z.B. ist selbst schwer krank, er geht aber nicht darauf ein. Sie braucht Hilfe beim Treppensteigen, er steht doof daneben und versteht nicht, was sie will, warum sie stehen bleibt. Letztes Jahr im Urlaub z.B. konnte sie auf unebenen Flächen nicht gut gehen, braucht mal jemanden, wo sie sich einhaken kann. Er steht genervt daneben, versteht nicht, was sie will. Jahrelang ist er bei sowas gerne auch aufbrausend und aggressiv, wird teilweise beleidigend - und versinkt bei Kritik in Selbstmitleid, verkündet, besser nicht geboren worden zu sein usw. Er fühlt sich stark als Alien und hat große Selbstzweifel, aber will sich eben auch nicht helfen lassen.
Er geht null auf die Kinder ein, erkundigt sich nicht nach ihnen. 2016 hat er seiner ersten Nichte Söckchen zur Geburt geschenkt und zum ersten Geburtstag ein Buch - das war es. Er hat uns nichts zur Hochzeit geschenkt, obwohl er Trauzeuge war. Die jüngere Tochter hat noch nie was von ihm bekommen, kein Mitbringsel, nichts. Er kreist um sich und seine Probleme, nimmt alles ein, saugt alles auf - und diskutiert im Wohnzimmer laut über seine Themen, ohne Rücksicht darauf, was sonst so passiert.
Heute war wieder so ein Tag... Wir hatten ihn zum Grillen eingeladen, vielmehr meine große Tochter. Sie hatte ihm eine Sprachnachricht geschickt.
Der Nachmittag ging weiter, bei uns ist es eben laut und lebhaft mit zwei kleinen Kindern. Aber mein Bruder hört nicht auf zu reden. Er redet einfach irre laut, so laut, dass man ihn ein Stockwerk weiter durch die Decke hört. Ich bin wirklich geräuschempfindlich und sein Gehämmere löst bei mir Ohrenschmerzen und Kopfschmerzen aus. Teilweise habe ich nach den Treffen mit ihm ein pulssynchrones Pochen im Ohr. Wenn irgendwo ein Kind weint oder was möchte, spricht er lauter, als die Kinder sind. Er hält sein Handy in der Hand, zitiert Begebenheiten, politische Themen, die ihn interessieren. Oft ist sein Wissen veraltet oder mega oberflächlich, sodass ich ihm oft widerspreche. Montag bis Mittwoch war ich auf einer Konferenz, hatte zu bestimmten Themen neues Wissen. Er redet drüber mit Halbwissen, was er als ultimative Wahrheit darstellt. Irgendwann habe ich entnervt gesagt, dass ich auch mal erzählen könnte, was ich tatsächlich WEISS, kam nicht gut an.
Dann hatte ich von einer Weihnachtsreise einen kleinen Engel am Handy kleben, er fragte uns im Spaß, warum wir Vampirkinder mit Trompeten am Handy haben. Mein Mann sagte - ebenfalls im Spaß - "Das ist ein Engel, du Heide!" Später sollte uns dieser Satz dann um die Ohren fliegen, weil wir ja ihn für so dumm halten, dass er nicht weiß, was ein Engel ist und ihn auch noch diesbezüglich belehren. Und man denkt sich WTF?
Naja, das Grillen war schön, das Essen war lecker. Trotzdem geht er auf nichts ein, was am Tisch passiert, ignoriert die Kinder, selbst wenn sie ihn ansprechen, würde niemals mal von selbst drauf kommen, einem was zu trinken einzugießen, einen Teller abzuräumen, Hilfe anzubieten. Er sitzt mit einem muffigen Gesicht in der Ecke, lamentiert wahlweise über anstrengende Themen, kann keinen Smalltalk - und wenn ein Kind was will, redet er lauter. (Ich hatte dazu vor knapp 2 Jahren mal was geschrieben, hier: https://www.planet-liebe.com/threads/männer-verwandte-der-auskotz-thread-teil-2.581300/post-14009883)
Irgendwann stand ich in der Küche, er textet mich zu, ich höre, dass das große Kind weint - und er meint völlig beiläufig: Ja, die ist eben von der Schaukel gefallen, da hat sich eine Schraube gelöst.... Warum sagt er mir das nicht direkt? Warum kommt er nicht damit rein? Ich verstehe es nicht. Hat mich natürlich auch genervt, ich bin direkt raus und meinte noch zu ihm, "Und du erzählst mir hier einen?!"
Er saß nach dem Essen auch nur so mit dem Handy rum - isst hier so mit, räumt keinen Teller ab, fragt nicht, ob er z.B. was mitbringen soll... mich ärgert das.
Am Ende war ich dann wieder draußen mit meiner Mutter, konnte mit ihr aber kein Wort wechseln, weil er so laut im Wohnzimmer mit meinem Vater gesprochen hat, dass ich sie nicht verstehen konnte. Ich habe dann reingerufen: "Schrei doch bitte nicht so, der Papa steht neben dir!"
Daraufhin hat er seine Sachen gepackt und ist gegangen.
Meine Eltern waren dann noch da, meine Mutter war den Tränen nahe. Mein Vater wollte ihn noch nach Hause fahren, hatte auch dran zu knabbern. Schuld bin ich, die böse Schwester. Das ist ja mein Leitmotiv, weil ich mich nicht beherrschen kann, mich nicht mehr so abgegrenzt kriege, dass ich nichts sage, wo alle anderen nichts sagen. Alle finden ihn anstrengend, alle finden ihn zu laut, keiner versteht diese kontextlosen Gespräche. Aber ich habe ihn nun verjagt. Und ich fühle mich einfach nur traurig. Habe viel Arbeit in einen schönen Grillabend gesteckt und das ist das Ergebnis.
Als ich vorhin mit meinen Eltern und den Kindern spazieren war, meinte mein Bruder zu meinem Mann, ich sei ja keinen halben Tag erträglich, es wäre ja so furchtbar mit mir. Und jetzt eben schreibt er meinem Mann über Whats App, dass er nicht versteht, wieso wir ihn einladen, wenn ich doch über jeden seiner Sätze laut aufstöhne und er doch offenbar nicht erwünscht ist.
Das Blöde ist: Ich verstehe es ja. Ich war heute morgen schon ziemlich genervt von den Kindern und gestresst von einer langen Woche, dass ich morgens schon mein eigenes Mindset auf: "Entspann dich, dein Bruder kommt heute" gesetzt hatte. Weil ich wusste, wie ich bin, wenn ich gestresst bin und er kommt. Ich habe mir Mühe gegeben. Aber der Lärmpegel ist so hart. Es ist nicht so, dass ich das sage, um ihn zu ärgern. Es fiel ja auch schonmal die Unterstellung, dass ich nur deshalb auf die Lautstärke so reagiere, weil ich nicht hören will, was er zu sagen hat und es psychosomatisch ist. Aber so ist es nicht - es ist einfach irre laut und es hämmert so.
Insgesamt macht es mir Sorgen, wie es weitergehen soll.
Er läuft seit Jahrzehnten als Trauerkloß durch die Gegend, studiert mit 33 immer noch auf Bachelor, obwohl er hochintelligent ist. Es ist so tragisch und traurig.
Meine Eltern haben jahrelang nicht gesehen, wie schlimm es ist. Nun haben sie eine Sendung über Depressionen gesehen und mein Vater, der sonst nie groß über Gefühle spricht, schaute mich heute an und sagte: "Ich habe es jahrelang nicht gesehen. Aber dein Bruder ist seit Jahren depressiv." Es hat mich so berührt, dass er das nun erkennen muss, mit Mitte 60. Es macht mich traurig. Sie bringen ihm Vitamin D mit, damit es ihm besser geht, mein Vater hat ihm auch angeboten, eine private Therapie zu zahlen, damit er nicht warten muss.
Wie hilft man so jemanden? Ich habe das Gefühl, ich bin im Moment die falsche Adresse, aber ich weiß auch einfach nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Ich möchte auch, dass meine Kinder einen Onkel haben. Einen, der mal was mitbringt, der an Geburtstage denkt, der nicht kurz vor Ostern die Nester leerisst (https://www.planet-liebe.com/threads/männer-verwandte-der-auskotz-thread-teil-3.602239/post-14495594) und dann verkündet, er hätte nicht wissen können, dass Ostern ist.
Mir tut es einfach weh und es ist ein weiterer Brocken, den ich so mit mir rumtrage und nicht weiß, wie ich ihn lösen soll. Es zu lösen, dafür fühle ich mich irgendwo verantwortlich.
Gleichzeitig möchte ich auch ein Mindestmaß an menschlichem Umgang erwarten können - für die Kinder, aber auch für mich. Warum nur kann man so empathiebefreit sein?
Ich meinte eben zu meinen Eltern, dass es natürlich naheliegend ist, dass jemand, der sich irgendwo in einem neurodiversen Spektrum bewegt, auch Depressionen entwickelt. Weil das jahrelange Gefühl als Alien natürlich dazu führt, dass man sich immer fremder und niedergeschlagener fühlt. Trotzdem fügt es eben auch mir Verletzungen zu. Und das ja nun auch schon seit einigen Jahren.
Ich weiß nicht genau, was ich mir von dem Thread erhoffe - für die gängigen Plauder- und Auskotzhreads war mir der Batzen nun einfach zu groß und es musste mal raus.
Ein großer Teil von mir möchte so gerne mal alles sagen, was in mir vorgeht. Ihm sagen, was ich erwarte. Aber gleichzeitig muss auch mal dringend ein Plan her, wie man ihm helfen kann - und da stehen wir alle hilflos daneben.