
Benutzer70527 (35)
Sehr bekannt hier
- #1
Moin zusammen.
Vorweg: Ich muss mich auskotzen. Lösungsvorschläge und Handlungsanweisungen suche ich nicht, denn ich weiß schon, was ich tue: Nichts. Ich werde auf die Aussage, die ich gleich beschreibe, nicht reagieren. Antworten sind dennoch gerne gesehen.
Um die Aussage verständlich zu machen, muss ich die Entwicklung der Beziehung schildern; das wird lang. Ihr seid gewarnt.
Im Frühjahr 2014 lernte ich online eine junge Frau kennen, von der ich erst einmal nicht wusste, ob sie Männlein oder Weiblein ist. Wir verstanden uns recht gut, fanden Gemeinsamkeiten, hatten Spaß beim Zocken. Nachdem ich erfahren habe, dass es sich um eine Sie handelt und woher sie kommt (etwa 500 km Differenz), erzählte sie mir auch zwei Dinge, die später wichtig werden.
1. Sie hat eine grauenhafte Mutter, die sie schlecht behandelt und einen schlechten Einfluss hat. Durch eine Kindheit, in der sie immer an allem schuld war und sich nicht traute, Widerworte zu geben, ist sie psychisch angeknackst. Nicht meine Interpretation, sondern ihre eigene Meinung. Es fällt ihr schwer, jemandem zu vertrauen, und wenn sie als Schuldige hingestellt wird, akzeptiert sie das meist einfach.
2. Vor mir hatte sie nur eine Beziehung, in der sie lange ebenfalls schlecht behandelt wurde. Als ihr Ex sie zum ersten Mal nackt gesehen hat (mit 15, glaube ich), hat er ihr geraten, sich die Titten machen zu lassen. Außerdem hat er sie immer als zu fett dargestellt (leicht über Normalgewicht, definitiv nicht dick oder fett, also Schwachsinn) und ihr beim Sex sehr wehgetan.
Nach ein paar Wochen Spielen, Skypen und Videotelefonie kam sie von sich aus auf mich zu und sagte mir: "Du, ich glaub, ich hab mich in dich verknallt." Ich daraufhin: "Netter Zufall, geht mir ähnlich." Sofort kam aber das Aber: "Ich habe ein heftiges Jahr in meinem Studium vor mir, in dem ich keine Zeit für Freundschaften und erst recht nicht für eine Beziehung haben werde."
Ich habe nicht versprochen, auf sie zu warten oder ähnliches. Ich habe nur gesagt: Sollten wir nach diesem Jahr noch beide interessiert und single sein, kann man ja noch mal drüber reden. Dieses "Jahr" begann im August 2014. Im Dezember 2014 war ich, gerade den Status "Bester Freund" besitzend aber ihrer Aussage nach "nicht in der Friendzone"
D), bei ihren Eltern eingeladen, über Weihnachten und Silvester. Einen Tag vor Weihnachten bat ich um ein Gespräch: "Dieses Jahr hat vor vier Monaten angefangen, und du hast noch so viel Zeit für mich wie bisher. Bist du sicher, dass deine Aversion gegen eine Beziehung von der Uni herrührt und nicht von der Angst, ich könnte so ein Arschloch sein wie dein Ex?"
Daraufhin erst einmal eine Diskussion, und letzten Endes die Einsicht, dass ich Recht habe. Ich habe sie nicht dazu gezwungen, zu dieser Einsicht zu kommen, und habe auch klargemacht, dass ich kein Ultimatum stelle, sondern einfach nur wissen will, ob das so ist. Nach der Unterhaltung waren wir zusammen und ich so happy, dass es nicht einmal Pharrell Williams ausreichend besingen könnte. Klar war: Das mit dem Sex dauert eine Weile wegen ihrer schlechten Erfahrungen, aber wir haben immer wieder darüber gesprochen und sichergestellt, dass wir beide dasselbe Ziel haben: Irgendwann eine "normale" Beziehung mit Sex. Aber kein Stress.
Im Januar 2015 hab ich Scheiße gebaut. Nein, ich habe sie nicht betrogen, aber ein Versprechen gebrochen, das ihr sehr wichtig war. Kann man hier im Forum nachlesen, muss man aber nicht; so relevant ist das nicht. Es war der einzige große Fehler, den ich in der Beziehung begangen habe, und ich habe ihn nach drei Tagen von mir aus gebeichtet. Allein hätte sie das nie rausgefunden. Mir war Ehrlichkeit aber wichtiger.
Die Beichte führte zu einem großen Vertrauensverlust. Geholfen hat nicht, dass wir uns erst ein paar Monate später wieder sehen konnten. Als ich dann im März 2015 bei ihr aufschlug, meinte sie nach dem Ende des ersten (halben) Tages meines Aufenthalts zu mir, sie fühle sich nicht wohl in der Beziehung und wolle sie beenden. Auch hierzu findet man hier im Forum was. Ich habe entschieden, wie von ihr gewünscht trotzdem erst mal dazubleiben. Die Entscheidung war von ihrer Seite als endgültig gedacht und ich habe sie akzeptiert. Es gab, was sie auch wusste, von einer Freundin von mir das Angebot, zu ihr zu fahren und den Kummer wegzuvögeln. Ich war zu dem Zeitpunkt über ein Jahr lang sexlos und das Angebot war verlockend, aber ich habe abgelehnt. Erst mal das Ende der Beziehung klären und für meine Ex-Freundin da sein, für die das auch nicht leicht war.
Dann kam die Kehrtwende. Sie hat der Beziehung noch eine Chance gegeben, weil das Verliebtheitsgefühl (vorher wohl wegen der Sache im Januar dahin) auf einmal wieder da sei. Ziemlich sprunghaft, aber ich beschwer mich da sicher nicht. Von da an lief die Beziehung relativ gut. Wir tasteten uns sexuell laaaaaangsam vor (auch hier: dazu steht was im Forum
); zum Eigentlichen kam es nie. Wann immer wir etwas ausprobiert haben, kam von meiner Seite je zwanzigmal: "Ist das okay? Fühlst du dich unwohl? Soll ich aufhören?", einfach weil sie eine Vorgeschichte hatte, in der sie einfach alles mit sich machen lässt. Das wollte ich definitiv nicht.
Im August 2015 klagte sie, während ich da war und sie Semesterferienprüfungen hatte, darüber, dass sie sich in meiner Anwesenheit nicht aufs Lernen konzentrieren und nicht schlafen könne. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon diverse Termine, mal mit zu mir zu fahren, entweder verplant oder aus verständlichen Gründen abgesagt. In der zweiten Septemberwoche wollte sie zusammen mit mir zurückfahren und endlich mal meine Familie kennenlernen, nachdem ich schon zweimal ihre tolle Mutter ausgehalten hatte. Obwohl es mir so gar nicht passte, das schon wieder verschieben zu müssen, fragte ich: "Willst du, dass ich heimfahre? Ich will dir nicht das Studium versauen, und nur aus schlechtem Gewissen musst du mich sicher nicht noch zwei Wochen hier aushalten." Es wurde überlegt und diskutiert, dann meinte sie: "Ja, fahr bitte heim."
Ich musste meinen Dad um Spritgeld anpumpen und bin heimgefahren. Als Rausschmiss habe ich das aber nicht erlebt, sondern als gemeinsame Entscheidung und als Rücksicht meinerseits. Ich war ihr nicht böse, höchstens etwas enttäuscht.
Im September 2015 schrieb sie mir dann im Skype: "Ich glaub, ich hab Asperger."
Erst mal: Wie? Wat? Hä? Das war zu dem Zeitpunkt eine der einfühlsamsten Personen, die ich kannte, die immer darauf bedacht war, dass es mir gut ging, mit der ich über alles reden konnte. Und jetzt diagnostizierte sie bei sich selbst eine Krankheit, die sich unter anderem durch fehlende oder stark eingeschränkte Empathie äußert? Was'n nu kaputt?
Ihre Erklärung: Während ihrer Kindheit habe sie gelernt, die von der Gesellschaft vorgeschriebenen Reaktionen auf bestimmte Situationen zu fälschen. Wenn sie Mist gebaut hat und sagte: "Tut mir leid", dann hieß das: "Ich empfinde keine Reue, aber ich muss das sagen, damit's keine negativen Konsequenzen für mich gibt". Wenn es mir schlecht ging und sie sagte: "Das tut mir leid für dich", dann hieß das: "Ich weiß, dass das scheiße für dich ist. Mich juckt das nicht, aber vielleicht hilft's ja, wenn ich sage, es tut mir leid". Wenn sie meine Fotografie oder Musik lobte, hieß das: "Interessiert mich nicht die Bohne, das Zeug, aber wenn ich was Tolles mache, will ich auch das jemand Yaaaaaaaay, tooooooll sagt."
Sie hat mich über Monate hinweg belogen. Nicht bewusst, nicht böswillig, aber im Effekt schon. Jede Reaktion, die sie zeigte, war ein einstudiertes Schauspiel. Und doch fühlte ich mich nicht beschissen, sondern betroffen. Ich wusste jetzt, warum es ihr schwerfällt, mich für längere Zeit bei sich zu haben: Sie musste sich ständig verstellen.
Ihr Vorschlag war: "Können wir das einfach weiter so machen? Wenn ich immer sage, was ich wirklich denke, dann bin ich gemein, und ich will nicht gemein sein. Ich lüg dich einfach weiter an, okay?" (Sinngemäß.)
Ich hatte ihr bis dahin nie ein Ultimatum gestellt. Kein "Wird das mit dem Ficken jetzt mal was, oder soll ich mich verpissen?" Kein "Hör auf, dir immer die Schuld an allem zu geben; ich hab keine Lust, dir immer wieder zu sagen, dass du nicht so scheiße bist, wie du denkst". Aber jetzt kam das Ultimatum: Sei ehrlich zu mir, oder ich verpiss mich.
Das haben wir so probiert. Das "Ich liebe dich" vor dem Schlafengehen wurde zu einem Smiley, denn "Ich liebe dich" hieß bis dahin für sie: "Das Ich-Viech ist mir nicht böse, ich habe nichts falsch gemacht, er verlässt mich nicht". Wir haben uns die drei Wörtchen aufgespart für Gelegenheiten, in denen sie das auch wirklich fühlte. Und die gab es, sagte sie. Ich habe immer wieder bei verdächtigen Sätzen gefragt: "Meinst du das so, oder ist das eine Asperger-Metapher für was anderes?" Oft kam raus, dass es ein Ersatz für etwas ganz anderes war.
Ich habe gefragt, was sie mir sonst noch verschwiegen/vorgespielt hat. Antwort: "Das Sex-Zeug war für mich immer ganz grausig". Bämm. Voll in die Fresse. Ich kannte ihr "Wir fummeln jetzt"-Gesicht, diese skeptische, ängstliche Miene. Ihre Erklärung bis dahin: Angst, etwas falsch zu machen, aber trotzdem Neugierde. Ihre Erklärung jetzt: Penisse sind komisch, anfassen ist komisch, will ich alles gar nicht.
Aha. Ich habe die Beziehung trotzdem nicht aufgegeben und ihr gesagt, wir können das gerne noch weiter aufschieben. Gut, was heißt gerne? Wenn's sein muss. Begeisterung habe ich nicht geheuchelt, nur gesagt: Ich will irgendwann Sex mit dir haben, aber wenn's dauert, dauert's. Zwing dich nicht zu irgendwas, sonst bin ich am Ende der Vergewaltiger oder so.
Noch im selben Monat, Mitte/Ende September, kam sie dann auf eine glorreiche Idee: "Schreib mir mal eine Liste mit Sachen, die ich ändern muss, damit du mich nicht verlässt."
Nö. Sowas mache ich nicht. Ich setze keinen Beziehungsvertrag mit dir auf, in dem steht: 2017 laufen meine Kondome ab, bis dahin bitte Knickknack, denn wenn ich die wegwerfen muss, werf ich dich auch weg. Was ich machen kann, ist: Dir eine Liste schreiben mit Dingen, von denen ich persönlich glaube, dass du sie ändern bzw. daran arbeiten solltest, damit du ein zufriedenes Leben führen kannst. Mit mir, ohne mich, mit wem anderen, allein, egal. Diese Liste sollte ich also schreiben. Darauf waren acht große Punkte, darunter Ehrlichkeit, Selbstakzeptanz etc. pp.
Ihre Reaktion auf diese Liste: "Puh, das ist viel. Ähm... Ich hab dir ja versprochen, dass ich (anders als beim letzten Mal) länger darüber nachdenke, ob ich eine Trennung will. Ich denk jetzt mal nach. Melde mich morgen."
Und ich so:
... 
"Nein, du meldest dich nicht morgen. Heute ist Donnerstag. Am Montag hast du deinen Psychodoc-Termin zur Asperger-Diagnose. Bevor der war, kannst du dich eh nicht auf was anderes konzentrieren. Meld dich Montag und sag mir dann, ob du noch Zeit zum Nachdenken brauchst."
Okay, machen wir so. Donnerstagabend hab ich mich allein daheim besoffen. Freitag dachte ich mir: Allein daheim besaufen ist scheiße. Also habe ich mich mit einem Freund in einer Kneipe besoffen. Samstag konnte mein Freund nicht, also hab ich mich mit meinem Dad in einer Kneipe besoffen. Am Sonntag habe ich Yoga gemacht... Ach, nee. Richtig. Ich wollte mich mit dem Freund meiner Mutter in einer Kneipe besaufen. Nach dem ersten Bier eine Whatsapp-Nachricht:
"Meine Mum hat den Diagnose-Termin abgesagt, und die brauchen wen aus meiner Kindheit für die Diagnose. Ich krieg monatelang keinen Termin mehr. Können jetzt reden."
Ich also zum Freund meiner Mutter: "Ich geh mal Mit-mir-schlussgemacht-werden, bin in fünf Minuten wieder da."
Habe sie angerufen. Ihre Entscheidung: Die Beziehung ist für sie Stress und sie möchte sie beenden. Okay. Habe ich mir gedacht. Ich wollte immer eine Hilfe sein, den Stress zu senken - nicht noch mehr Stress machen. Dann ist das jetzt so. Ich habe um Kontaktstopp gebeten und gesagt, ich melde mich, wenn ich weiß, ob ich die Freundschaft aufrechterhalten möchte. Dass das nie gut geht, war mir auch klar, aber sie hat immer wieder betont, dass sie mich nicht als besten Freund verlieren möchte und all das.
Nach einer Depri-Phase habe ich das Ganze akzeptiert und mich soweit gefestigt. Wir haben uns also im Oktober 2015 auf eine Freundschaft geeinigt. Das funktionierte auch ganz gut, mit einem einzigen großen Problem: Ich bin so anhänglich geblieben, wie ich während der Beziehung war. Wir waren beide Menschen, die den Großteil ihres Tages mit einem Menschen verbracht haben, nämlich miteinander. Ich bin höchstens einmal die Woche mit Freunden oder Familie unterwegs gewesen, sie so ziemlich gar nicht. Allerdings lernte sie dann neue Freunde kennen und ich hatte ein Problem.
Das Problem, immer das Gefühl zu haben, "vom Thron gestoßen" zu werden. Wann immer sie mit jemandem unterwegs war, ging das Gedankenkarussell los: "Mag sie da jemanden lieber als mich? Wird da jetzt wer ihr neuer bester Freund? Hat sie da mehr Spaß als beim Zocken und Quatschen mit mir?" Ich habe ihr gegenüber offen kommuniziert, dass ich da Probleme habe, aber an mir arbeite. Habe sie mehrfach gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn sie die Freundschaft doch nicht mehr haben will, denn Mitleidskontakt brauche ich nicht.
Das Ganze wurde nur sehr langsam besser. Es hat auch nicht geholfen, dass sie dreimal die Woche mit Leuten weg war, mit ihrem "besten Freund" aber alle drei Wochen mal eine halbe Stunde telefoniert hat. Geschrieben haben wir viel, aber ich persönlich brauche den verbalen Kontakt. Wusste sie auch.
Im April 2016 wurde es dann schlagartig besser. Da war sie von Mittwoch bis Sonntag durchgehend weg, ohne Kontaktmöglichkeit, bei einem LARP-Wochenende. Normalerweise hätte am ersten Tag der übliche Gedankengang losgehen sollen: "Sie lernt da ganz viele tolle Leute kennen und ich bin abgeschrieben. Die Freundschaft ist vorbei. Ich werde weggeworfen."
Kam aber nicht. Ich hab ab und zu an sie gedacht und sonst mein Leben gelebt. Für mich war das eine Offenbarung. Endlich frei von dieser selbstzerstörerischen Angst, ersetzt zu werden. Endlich nicht mehr klammern wie eine Dreizehnjährige in ihrer ersten Beziehung. Endlich nicht mehr so ein paranoides Weichei, das Magenschmerzen kriegt, wenn eine Person ihm keine Aufmerksamkeit schenkt. Ich fühlte mich schlagartig wie der Mensch, der ich sein wollte: Ein guter Freund, aber nicht so sehr angewiesen auf ständiges Bauchpinseln und Liebhaben.
Für mich ein gewaltiger Erfolg. Den wollte ich nicht wieder einbüßen, weswegen unser erster Kontakt nach diesem Wochenende eher kühl war. Ich habe sie nicht ignoriert oder links liegen gelassen, das nicht. Ich habe einfach nicht mehr so an ihr geklammert.
Einfach mal ein "Moin!" statt "Wie war's? Hast du mich ersetzt? Erzähl mir alles! Hast du mich noch lieb? Ich hab dich vermisst!"
Statt "Oh, du hast Muskelkater? Das tut mir leid. Ruh dich aus, schon dich, willst du zocken?" einfach mal: "Oh, das ist doof."
Ihre Interpretation des Ganzen war aber nicht: "Oh, er klammert nicht mehr. Sehr gut. Hat mich eh genervt, und das hab ich ihm tausendmal gesagt." Ihre Interpretation war: "Er straft mich mit Missachtung, weil ich so lange weg war."
Diese Interpretation hat sie mir ein paar Tage später auch mitgeteilt. Ich habe ihr daraufhin gesagt, wie ich das wirklich empfinde. Das, was ich hier gerade geschrieben habe. Dass alles gut ist und sie immer noch meine beste Freundin, aber dass ich eben kein nerviger Klammeraffe mehr bin, weil ich wundersamerweise das Wochenende über keine Angst hatte, in der Freundschaftsmülltonne zu landen. Es war eine lange Unterhaltung - schriftlich, weil sie sich noch nicht einmal dafür überwinden konnte, mal mit mir zu reden. Sie endete von ihrer Seite mit einem "Okay", das mir sagte: Sie muss noch drüber nachdenken, hat's aber kapiert.
Hat sie aber nicht. Mir war mulmig, und ich folgte meinem Bauchgefühl. Es gibt ein "Ernährungstagebuch" von ihr in einem Low-Carb-Forum, in dem ich lange (hat sie mir so angeboten) mitlesen "durfte". Wir haben uns dann aber (noch während der Beziehung) darauf verständigt, dass ich das nicht mehr lesen soll. Meine Bitte hierfür war, dass sie da nichts schreibt, was mit mir zu tun hat, außer sie beredet das auch mit mir. Kann man sehen, wie man will, aber ich persönlich finde, wenn mich etwas angeht (also wie sie über mich denkt, welche Probleme ich gerade womöglich verursache), dann sollte das mit mir besprochen werden, nicht hinter meinem Rücken. Sie hat zugestimmt: Sie schreibt da nur über mich, nachdem sie mit mir darüber geredet hat. Dafür lese ich es nicht.
Mein Bauchgefühl war jetzt: Sie verschweigt mir was. Bin ich stolz darauf, nachgelesen zu haben? Nein. War es eine schlechte Idee? Auch nicht. Denn:
Vor unserem Gespräch über das Thema "kühler Empfang" und "Bestrafung für Abwesenheit" hat sie in diesem Forum (das voller Jasager ist, die Nicht-Mitglieder immer für die Schuldigen halten - nicht so wie hier!) deutlich weniger freundlich geschrieben, ich sei kindisch, würde schmollen und ich solle mal machen, sei ihr egal. Das ist an sich schon enttäuschend, aber nicht mein großes Problem. Mein großes Problem war: Nach dem Gespräch hat sie reingeschrieben, dass sie mir kein Wort glaubt.
Ich fasse zusammen: Sie holt sich in einem Forum von Kopfnickern und Jasagern die Bestätigung, dass ihre (falsche) Interpretation meines Verhaltens die einzige Möglichkeit ist, es zu interpretieren. Dann spricht sie mich, mit gefestigter falscher Meinung, darauf an; ich sage die Wahrheit. Sie glaubt mir daraufhin kein Wort und schließt innerlich schon mit der Freundschaft ab.
Da ist mir der Kragen geplatzt. Das (erneut schriftliche) Gespräch, in dem ich ihr sagte, dass ich keine "beste Freundin" brauche, die mir kein Wort glaubt und über mich herzieht, weil ich sie "für ihre Abwesenheit bestrafe", war von meiner Seite nicht sehr nett. Wann immer wir Meinungsverschiedenheiten hatten, habe ich versucht, möglichst rational und "geerdet" zu reagieren. Hier war nichts mehr geerdet, hier war Polen offen. Ich habe ihr vor den Latz geknallt, dass die Nummer durch ist. Ihre Reaktion: Ich solle dann bloß nicht wieder angekrochen kommen.
Ihr Verstoß gegen das Versprechen, da nicht über mich zu schreiben, bevor ich weiß, was das Problem ist, war nicht das Problem. Das Problem war, dass sie mich dann angesprochen und mir nicht geglaubt hat. Ein Gespräch über etwas Essenzielles, darüber, dass eine Eigenschaft an mir, die sie nervt, jetzt endlich verschwindet - und sie glaubt mir nicht.
Klar war das sofortige Beenden der Freundschaft eine Überreaktion. Aber es ging mir danach sehr viel besser. Wir haben uns nicht mehr gegenseitig wahnsinnig gemacht, ich habe nicht mehr geklammert, ich hatte keine Angst mehr, ersetzt zu werden. Das Ende der Freundschaft war für beide Parteien das beste, was passieren konnte. Und damit sollte die Sache eigentlich durch sein.
Eigentlich.
Dumm wie ich bin, lese ich in einem anderen Forum (nicht dem mit dem "Leseverbot") ab und zu noch nach. Ja, das ist dämlich. Nein, das ist nicht nötig. Aber ich tue es. Sie hat einen neuen Freund gefunden. Freut mich. Ehrlich! Ich will sie um Gottes Willen nicht zurück, und wenn sie jetzt einen Freund mit Ausbildung im psychologischen Bereich hat, der viel besser mit ihr umgehen kann: Find ich super! Ich habe die Entwicklung verfolgt und mich gefreut, dass es ihr jetzt besser geht - so, wie es mir ohne sie auch besser geht.
Gestern dann ein neuer Beitrag über ihre neue Beziehung. Eigentlich sehr positiv. Nur: Da ist ein Satz über mich drin, der mich halb umbringt.
Sie schreibt, sie habe vor dieser tollen Beziehung nur zwei andere gehabt. Beide Männer seien "schreckliche Personen" gewesen, die "ihr Leid und ihre Probleme zu ihrem Vorteil genutzt hätten."
... wat.
...
Ernsthaft. WAT?!
...
Okay, ich war kein Heiliger. Ja, ich hatte Probleme mit Klammern (die jetzt immer noch weg sind, juhu!
). Nein, das Ende der Freundschaft war von meiner Seite nicht optimal, auch wenn ich nicht beleidigend, sondern nur überdeutlich geworden bin.
Aber... Ich stehe jetzt auf einer Stufe mit einem Kerl, der sie aus meiner Sicht schon fast vergewaltigt hat? Ich stehe auf einer Stufe mit einem Kerl, von dem sie sagte, er habe ihre psychischen Probleme erkannt und daraus ein Netz gestrickt, mit dem er sie klein halten und sich selbst hassen lassen konnte? Ich bin jetzt einer der zwei Personen, die sich an ihrem Leid bereichert haben?
Himmelherrgottsakrament! Ich bin ein sehr sexueller Mensch (ja,
Nevery
, echt!
), der neun Monate Beziehung ohne Geficke trotzdem okay fand, weil es einen guten Grund gab. Ich bin der Mensch, zu dem sie sagte: "Es ist so schön, nicht für jeden kleinen Scheiß bestraft zu werden". Ich bin der Mensch, der ihr gezeigt hat, dass Meinungsverschiedenheiten mit einem Gespräch statt mit Gebrüll und fliegendem Geschirr gelöst werden können. Ich bin der Mensch, der Abstriche gemacht, Rücksicht gezeigt und sich selbst hintenan gestellt hat, um mit ihr zusammen sein zu können.
Ein nervig anhänglicher Mensch? Damals leider ja. Ein manchmal irrational ängstlicher Mensch? Ja doch. Aber ich bin keine schreckliche Person, die ihre Schwäche ausgenutzt hat. Bin ich nicht, werde ich nie sein. Wenn überhaupt, dann bin ich zu wenig Arschloch, aber doch nicht zu sehr.
Ich habe überlegt, ihr zu schreiben. Tu ich nicht. Ich habe überlegt, im Forum öffentlich zu antworten. Tu ich nicht. Denn es gibt zwei Arten, wie ich das tun könnte.
1. Ich könnte rational darlegen, was mich daran stört. Das würde sie nicht jucken.
2. Ich könnte, und dazu habe ich gute Lust, eine Tirade an Schimpfwörtern loslassen. Ist aber erstens unter meiner Würde und würde zweitens ihre Meinung von mir bestätigen.
Ich hätte schon vor langer Zeit aufhören sollen, mir den Scheißdreck überhaupt durchzulesen. Mach ich jetzt auch endlich mal. Ich hätte das Ende der Freundschaft vielleicht anders gestalten oder natürlich auslaufen lassen sollen, statt mit einem Knall wegen einer Kleinigkeit (?). Aber diese Einschätzung verletzt mich.
Ich habe nie etwas getan, was auch nur andeutet, ich hätte sie klein gehalten. Ich habe sie nie absichtlich verletzt oder ausgenutzt. Ich habe nicht - so wie sie - die Beziehung beendet, kurz nachdem sich das eigentliche Problem, das man hätte lösen können, offenbart hat. Ich habe immer versucht, ihr zu helfen. Oft hat das funktioniert.
Ich war ein großer Faktor, als sie es geschafft hat, sich von der Tyrannei ihrer Mutter zu lösen. Sage nicht ich, sagte damals ihre Therapeutin. Die auch sagte, meine bodenständige, rationale Art bei Streit und Meinungsverschiedenheiten täte ihrer Patientin sehr gut. Und jetzt bin ich der schreckliche Mensch.
Aha. Ich weiß: Ich sollte das nicht an mich ranlassen. Ich sollte darüber lachen und mir denken, die Alte soll zur Hölle fahren. Aber ich denke gerade darüber nach, und es pisst mich an. Erst war ich traurig und enttäuscht, jetzt könnte ich ihre Wohnung in Schutt und Asche legen.
Tu ich natürlich nicht. Ich will die Frau nicht mal mehr sehen.
Naja. Danke fürs Lesen? Oder so?
Vorweg: Ich muss mich auskotzen. Lösungsvorschläge und Handlungsanweisungen suche ich nicht, denn ich weiß schon, was ich tue: Nichts. Ich werde auf die Aussage, die ich gleich beschreibe, nicht reagieren. Antworten sind dennoch gerne gesehen.
Um die Aussage verständlich zu machen, muss ich die Entwicklung der Beziehung schildern; das wird lang. Ihr seid gewarnt.
Im Frühjahr 2014 lernte ich online eine junge Frau kennen, von der ich erst einmal nicht wusste, ob sie Männlein oder Weiblein ist. Wir verstanden uns recht gut, fanden Gemeinsamkeiten, hatten Spaß beim Zocken. Nachdem ich erfahren habe, dass es sich um eine Sie handelt und woher sie kommt (etwa 500 km Differenz), erzählte sie mir auch zwei Dinge, die später wichtig werden.
1. Sie hat eine grauenhafte Mutter, die sie schlecht behandelt und einen schlechten Einfluss hat. Durch eine Kindheit, in der sie immer an allem schuld war und sich nicht traute, Widerworte zu geben, ist sie psychisch angeknackst. Nicht meine Interpretation, sondern ihre eigene Meinung. Es fällt ihr schwer, jemandem zu vertrauen, und wenn sie als Schuldige hingestellt wird, akzeptiert sie das meist einfach.
2. Vor mir hatte sie nur eine Beziehung, in der sie lange ebenfalls schlecht behandelt wurde. Als ihr Ex sie zum ersten Mal nackt gesehen hat (mit 15, glaube ich), hat er ihr geraten, sich die Titten machen zu lassen. Außerdem hat er sie immer als zu fett dargestellt (leicht über Normalgewicht, definitiv nicht dick oder fett, also Schwachsinn) und ihr beim Sex sehr wehgetan.
Nach ein paar Wochen Spielen, Skypen und Videotelefonie kam sie von sich aus auf mich zu und sagte mir: "Du, ich glaub, ich hab mich in dich verknallt." Ich daraufhin: "Netter Zufall, geht mir ähnlich." Sofort kam aber das Aber: "Ich habe ein heftiges Jahr in meinem Studium vor mir, in dem ich keine Zeit für Freundschaften und erst recht nicht für eine Beziehung haben werde."
Ich habe nicht versprochen, auf sie zu warten oder ähnliches. Ich habe nur gesagt: Sollten wir nach diesem Jahr noch beide interessiert und single sein, kann man ja noch mal drüber reden. Dieses "Jahr" begann im August 2014. Im Dezember 2014 war ich, gerade den Status "Bester Freund" besitzend aber ihrer Aussage nach "nicht in der Friendzone"
Daraufhin erst einmal eine Diskussion, und letzten Endes die Einsicht, dass ich Recht habe. Ich habe sie nicht dazu gezwungen, zu dieser Einsicht zu kommen, und habe auch klargemacht, dass ich kein Ultimatum stelle, sondern einfach nur wissen will, ob das so ist. Nach der Unterhaltung waren wir zusammen und ich so happy, dass es nicht einmal Pharrell Williams ausreichend besingen könnte. Klar war: Das mit dem Sex dauert eine Weile wegen ihrer schlechten Erfahrungen, aber wir haben immer wieder darüber gesprochen und sichergestellt, dass wir beide dasselbe Ziel haben: Irgendwann eine "normale" Beziehung mit Sex. Aber kein Stress.
Im Januar 2015 hab ich Scheiße gebaut. Nein, ich habe sie nicht betrogen, aber ein Versprechen gebrochen, das ihr sehr wichtig war. Kann man hier im Forum nachlesen, muss man aber nicht; so relevant ist das nicht. Es war der einzige große Fehler, den ich in der Beziehung begangen habe, und ich habe ihn nach drei Tagen von mir aus gebeichtet. Allein hätte sie das nie rausgefunden. Mir war Ehrlichkeit aber wichtiger.
Die Beichte führte zu einem großen Vertrauensverlust. Geholfen hat nicht, dass wir uns erst ein paar Monate später wieder sehen konnten. Als ich dann im März 2015 bei ihr aufschlug, meinte sie nach dem Ende des ersten (halben) Tages meines Aufenthalts zu mir, sie fühle sich nicht wohl in der Beziehung und wolle sie beenden. Auch hierzu findet man hier im Forum was. Ich habe entschieden, wie von ihr gewünscht trotzdem erst mal dazubleiben. Die Entscheidung war von ihrer Seite als endgültig gedacht und ich habe sie akzeptiert. Es gab, was sie auch wusste, von einer Freundin von mir das Angebot, zu ihr zu fahren und den Kummer wegzuvögeln. Ich war zu dem Zeitpunkt über ein Jahr lang sexlos und das Angebot war verlockend, aber ich habe abgelehnt. Erst mal das Ende der Beziehung klären und für meine Ex-Freundin da sein, für die das auch nicht leicht war.
Dann kam die Kehrtwende. Sie hat der Beziehung noch eine Chance gegeben, weil das Verliebtheitsgefühl (vorher wohl wegen der Sache im Januar dahin) auf einmal wieder da sei. Ziemlich sprunghaft, aber ich beschwer mich da sicher nicht. Von da an lief die Beziehung relativ gut. Wir tasteten uns sexuell laaaaaangsam vor (auch hier: dazu steht was im Forum
Im August 2015 klagte sie, während ich da war und sie Semesterferienprüfungen hatte, darüber, dass sie sich in meiner Anwesenheit nicht aufs Lernen konzentrieren und nicht schlafen könne. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon diverse Termine, mal mit zu mir zu fahren, entweder verplant oder aus verständlichen Gründen abgesagt. In der zweiten Septemberwoche wollte sie zusammen mit mir zurückfahren und endlich mal meine Familie kennenlernen, nachdem ich schon zweimal ihre tolle Mutter ausgehalten hatte. Obwohl es mir so gar nicht passte, das schon wieder verschieben zu müssen, fragte ich: "Willst du, dass ich heimfahre? Ich will dir nicht das Studium versauen, und nur aus schlechtem Gewissen musst du mich sicher nicht noch zwei Wochen hier aushalten." Es wurde überlegt und diskutiert, dann meinte sie: "Ja, fahr bitte heim."
Ich musste meinen Dad um Spritgeld anpumpen und bin heimgefahren. Als Rausschmiss habe ich das aber nicht erlebt, sondern als gemeinsame Entscheidung und als Rücksicht meinerseits. Ich war ihr nicht böse, höchstens etwas enttäuscht.
Im September 2015 schrieb sie mir dann im Skype: "Ich glaub, ich hab Asperger."
Erst mal: Wie? Wat? Hä? Das war zu dem Zeitpunkt eine der einfühlsamsten Personen, die ich kannte, die immer darauf bedacht war, dass es mir gut ging, mit der ich über alles reden konnte. Und jetzt diagnostizierte sie bei sich selbst eine Krankheit, die sich unter anderem durch fehlende oder stark eingeschränkte Empathie äußert? Was'n nu kaputt?
Ihre Erklärung: Während ihrer Kindheit habe sie gelernt, die von der Gesellschaft vorgeschriebenen Reaktionen auf bestimmte Situationen zu fälschen. Wenn sie Mist gebaut hat und sagte: "Tut mir leid", dann hieß das: "Ich empfinde keine Reue, aber ich muss das sagen, damit's keine negativen Konsequenzen für mich gibt". Wenn es mir schlecht ging und sie sagte: "Das tut mir leid für dich", dann hieß das: "Ich weiß, dass das scheiße für dich ist. Mich juckt das nicht, aber vielleicht hilft's ja, wenn ich sage, es tut mir leid". Wenn sie meine Fotografie oder Musik lobte, hieß das: "Interessiert mich nicht die Bohne, das Zeug, aber wenn ich was Tolles mache, will ich auch das jemand Yaaaaaaaay, tooooooll sagt."
Sie hat mich über Monate hinweg belogen. Nicht bewusst, nicht böswillig, aber im Effekt schon. Jede Reaktion, die sie zeigte, war ein einstudiertes Schauspiel. Und doch fühlte ich mich nicht beschissen, sondern betroffen. Ich wusste jetzt, warum es ihr schwerfällt, mich für längere Zeit bei sich zu haben: Sie musste sich ständig verstellen.
Ihr Vorschlag war: "Können wir das einfach weiter so machen? Wenn ich immer sage, was ich wirklich denke, dann bin ich gemein, und ich will nicht gemein sein. Ich lüg dich einfach weiter an, okay?" (Sinngemäß.)
Ich hatte ihr bis dahin nie ein Ultimatum gestellt. Kein "Wird das mit dem Ficken jetzt mal was, oder soll ich mich verpissen?" Kein "Hör auf, dir immer die Schuld an allem zu geben; ich hab keine Lust, dir immer wieder zu sagen, dass du nicht so scheiße bist, wie du denkst". Aber jetzt kam das Ultimatum: Sei ehrlich zu mir, oder ich verpiss mich.
Das haben wir so probiert. Das "Ich liebe dich" vor dem Schlafengehen wurde zu einem Smiley, denn "Ich liebe dich" hieß bis dahin für sie: "Das Ich-Viech ist mir nicht böse, ich habe nichts falsch gemacht, er verlässt mich nicht". Wir haben uns die drei Wörtchen aufgespart für Gelegenheiten, in denen sie das auch wirklich fühlte. Und die gab es, sagte sie. Ich habe immer wieder bei verdächtigen Sätzen gefragt: "Meinst du das so, oder ist das eine Asperger-Metapher für was anderes?" Oft kam raus, dass es ein Ersatz für etwas ganz anderes war.
Ich habe gefragt, was sie mir sonst noch verschwiegen/vorgespielt hat. Antwort: "Das Sex-Zeug war für mich immer ganz grausig". Bämm. Voll in die Fresse. Ich kannte ihr "Wir fummeln jetzt"-Gesicht, diese skeptische, ängstliche Miene. Ihre Erklärung bis dahin: Angst, etwas falsch zu machen, aber trotzdem Neugierde. Ihre Erklärung jetzt: Penisse sind komisch, anfassen ist komisch, will ich alles gar nicht.
Aha. Ich habe die Beziehung trotzdem nicht aufgegeben und ihr gesagt, wir können das gerne noch weiter aufschieben. Gut, was heißt gerne? Wenn's sein muss. Begeisterung habe ich nicht geheuchelt, nur gesagt: Ich will irgendwann Sex mit dir haben, aber wenn's dauert, dauert's. Zwing dich nicht zu irgendwas, sonst bin ich am Ende der Vergewaltiger oder so.
Noch im selben Monat, Mitte/Ende September, kam sie dann auf eine glorreiche Idee: "Schreib mir mal eine Liste mit Sachen, die ich ändern muss, damit du mich nicht verlässt."
Nö. Sowas mache ich nicht. Ich setze keinen Beziehungsvertrag mit dir auf, in dem steht: 2017 laufen meine Kondome ab, bis dahin bitte Knickknack, denn wenn ich die wegwerfen muss, werf ich dich auch weg. Was ich machen kann, ist: Dir eine Liste schreiben mit Dingen, von denen ich persönlich glaube, dass du sie ändern bzw. daran arbeiten solltest, damit du ein zufriedenes Leben führen kannst. Mit mir, ohne mich, mit wem anderen, allein, egal. Diese Liste sollte ich also schreiben. Darauf waren acht große Punkte, darunter Ehrlichkeit, Selbstakzeptanz etc. pp.
Ihre Reaktion auf diese Liste: "Puh, das ist viel. Ähm... Ich hab dir ja versprochen, dass ich (anders als beim letzten Mal) länger darüber nachdenke, ob ich eine Trennung will. Ich denk jetzt mal nach. Melde mich morgen."
Und ich so:

"Nein, du meldest dich nicht morgen. Heute ist Donnerstag. Am Montag hast du deinen Psychodoc-Termin zur Asperger-Diagnose. Bevor der war, kannst du dich eh nicht auf was anderes konzentrieren. Meld dich Montag und sag mir dann, ob du noch Zeit zum Nachdenken brauchst."
Okay, machen wir so. Donnerstagabend hab ich mich allein daheim besoffen. Freitag dachte ich mir: Allein daheim besaufen ist scheiße. Also habe ich mich mit einem Freund in einer Kneipe besoffen. Samstag konnte mein Freund nicht, also hab ich mich mit meinem Dad in einer Kneipe besoffen. Am Sonntag habe ich Yoga gemacht... Ach, nee. Richtig. Ich wollte mich mit dem Freund meiner Mutter in einer Kneipe besaufen. Nach dem ersten Bier eine Whatsapp-Nachricht:
"Meine Mum hat den Diagnose-Termin abgesagt, und die brauchen wen aus meiner Kindheit für die Diagnose. Ich krieg monatelang keinen Termin mehr. Können jetzt reden."
Ich also zum Freund meiner Mutter: "Ich geh mal Mit-mir-schlussgemacht-werden, bin in fünf Minuten wieder da."
Habe sie angerufen. Ihre Entscheidung: Die Beziehung ist für sie Stress und sie möchte sie beenden. Okay. Habe ich mir gedacht. Ich wollte immer eine Hilfe sein, den Stress zu senken - nicht noch mehr Stress machen. Dann ist das jetzt so. Ich habe um Kontaktstopp gebeten und gesagt, ich melde mich, wenn ich weiß, ob ich die Freundschaft aufrechterhalten möchte. Dass das nie gut geht, war mir auch klar, aber sie hat immer wieder betont, dass sie mich nicht als besten Freund verlieren möchte und all das.
Nach einer Depri-Phase habe ich das Ganze akzeptiert und mich soweit gefestigt. Wir haben uns also im Oktober 2015 auf eine Freundschaft geeinigt. Das funktionierte auch ganz gut, mit einem einzigen großen Problem: Ich bin so anhänglich geblieben, wie ich während der Beziehung war. Wir waren beide Menschen, die den Großteil ihres Tages mit einem Menschen verbracht haben, nämlich miteinander. Ich bin höchstens einmal die Woche mit Freunden oder Familie unterwegs gewesen, sie so ziemlich gar nicht. Allerdings lernte sie dann neue Freunde kennen und ich hatte ein Problem.
Das Problem, immer das Gefühl zu haben, "vom Thron gestoßen" zu werden. Wann immer sie mit jemandem unterwegs war, ging das Gedankenkarussell los: "Mag sie da jemanden lieber als mich? Wird da jetzt wer ihr neuer bester Freund? Hat sie da mehr Spaß als beim Zocken und Quatschen mit mir?" Ich habe ihr gegenüber offen kommuniziert, dass ich da Probleme habe, aber an mir arbeite. Habe sie mehrfach gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn sie die Freundschaft doch nicht mehr haben will, denn Mitleidskontakt brauche ich nicht.
Das Ganze wurde nur sehr langsam besser. Es hat auch nicht geholfen, dass sie dreimal die Woche mit Leuten weg war, mit ihrem "besten Freund" aber alle drei Wochen mal eine halbe Stunde telefoniert hat. Geschrieben haben wir viel, aber ich persönlich brauche den verbalen Kontakt. Wusste sie auch.
Im April 2016 wurde es dann schlagartig besser. Da war sie von Mittwoch bis Sonntag durchgehend weg, ohne Kontaktmöglichkeit, bei einem LARP-Wochenende. Normalerweise hätte am ersten Tag der übliche Gedankengang losgehen sollen: "Sie lernt da ganz viele tolle Leute kennen und ich bin abgeschrieben. Die Freundschaft ist vorbei. Ich werde weggeworfen."
Kam aber nicht. Ich hab ab und zu an sie gedacht und sonst mein Leben gelebt. Für mich war das eine Offenbarung. Endlich frei von dieser selbstzerstörerischen Angst, ersetzt zu werden. Endlich nicht mehr klammern wie eine Dreizehnjährige in ihrer ersten Beziehung. Endlich nicht mehr so ein paranoides Weichei, das Magenschmerzen kriegt, wenn eine Person ihm keine Aufmerksamkeit schenkt. Ich fühlte mich schlagartig wie der Mensch, der ich sein wollte: Ein guter Freund, aber nicht so sehr angewiesen auf ständiges Bauchpinseln und Liebhaben.
Für mich ein gewaltiger Erfolg. Den wollte ich nicht wieder einbüßen, weswegen unser erster Kontakt nach diesem Wochenende eher kühl war. Ich habe sie nicht ignoriert oder links liegen gelassen, das nicht. Ich habe einfach nicht mehr so an ihr geklammert.
Einfach mal ein "Moin!" statt "Wie war's? Hast du mich ersetzt? Erzähl mir alles! Hast du mich noch lieb? Ich hab dich vermisst!"
Statt "Oh, du hast Muskelkater? Das tut mir leid. Ruh dich aus, schon dich, willst du zocken?" einfach mal: "Oh, das ist doof."
Ihre Interpretation des Ganzen war aber nicht: "Oh, er klammert nicht mehr. Sehr gut. Hat mich eh genervt, und das hab ich ihm tausendmal gesagt." Ihre Interpretation war: "Er straft mich mit Missachtung, weil ich so lange weg war."
Diese Interpretation hat sie mir ein paar Tage später auch mitgeteilt. Ich habe ihr daraufhin gesagt, wie ich das wirklich empfinde. Das, was ich hier gerade geschrieben habe. Dass alles gut ist und sie immer noch meine beste Freundin, aber dass ich eben kein nerviger Klammeraffe mehr bin, weil ich wundersamerweise das Wochenende über keine Angst hatte, in der Freundschaftsmülltonne zu landen. Es war eine lange Unterhaltung - schriftlich, weil sie sich noch nicht einmal dafür überwinden konnte, mal mit mir zu reden. Sie endete von ihrer Seite mit einem "Okay", das mir sagte: Sie muss noch drüber nachdenken, hat's aber kapiert.
Hat sie aber nicht. Mir war mulmig, und ich folgte meinem Bauchgefühl. Es gibt ein "Ernährungstagebuch" von ihr in einem Low-Carb-Forum, in dem ich lange (hat sie mir so angeboten) mitlesen "durfte". Wir haben uns dann aber (noch während der Beziehung) darauf verständigt, dass ich das nicht mehr lesen soll. Meine Bitte hierfür war, dass sie da nichts schreibt, was mit mir zu tun hat, außer sie beredet das auch mit mir. Kann man sehen, wie man will, aber ich persönlich finde, wenn mich etwas angeht (also wie sie über mich denkt, welche Probleme ich gerade womöglich verursache), dann sollte das mit mir besprochen werden, nicht hinter meinem Rücken. Sie hat zugestimmt: Sie schreibt da nur über mich, nachdem sie mit mir darüber geredet hat. Dafür lese ich es nicht.
Mein Bauchgefühl war jetzt: Sie verschweigt mir was. Bin ich stolz darauf, nachgelesen zu haben? Nein. War es eine schlechte Idee? Auch nicht. Denn:
Vor unserem Gespräch über das Thema "kühler Empfang" und "Bestrafung für Abwesenheit" hat sie in diesem Forum (das voller Jasager ist, die Nicht-Mitglieder immer für die Schuldigen halten - nicht so wie hier!) deutlich weniger freundlich geschrieben, ich sei kindisch, würde schmollen und ich solle mal machen, sei ihr egal. Das ist an sich schon enttäuschend, aber nicht mein großes Problem. Mein großes Problem war: Nach dem Gespräch hat sie reingeschrieben, dass sie mir kein Wort glaubt.
Ich fasse zusammen: Sie holt sich in einem Forum von Kopfnickern und Jasagern die Bestätigung, dass ihre (falsche) Interpretation meines Verhaltens die einzige Möglichkeit ist, es zu interpretieren. Dann spricht sie mich, mit gefestigter falscher Meinung, darauf an; ich sage die Wahrheit. Sie glaubt mir daraufhin kein Wort und schließt innerlich schon mit der Freundschaft ab.
Da ist mir der Kragen geplatzt. Das (erneut schriftliche) Gespräch, in dem ich ihr sagte, dass ich keine "beste Freundin" brauche, die mir kein Wort glaubt und über mich herzieht, weil ich sie "für ihre Abwesenheit bestrafe", war von meiner Seite nicht sehr nett. Wann immer wir Meinungsverschiedenheiten hatten, habe ich versucht, möglichst rational und "geerdet" zu reagieren. Hier war nichts mehr geerdet, hier war Polen offen. Ich habe ihr vor den Latz geknallt, dass die Nummer durch ist. Ihre Reaktion: Ich solle dann bloß nicht wieder angekrochen kommen.
Ihr Verstoß gegen das Versprechen, da nicht über mich zu schreiben, bevor ich weiß, was das Problem ist, war nicht das Problem. Das Problem war, dass sie mich dann angesprochen und mir nicht geglaubt hat. Ein Gespräch über etwas Essenzielles, darüber, dass eine Eigenschaft an mir, die sie nervt, jetzt endlich verschwindet - und sie glaubt mir nicht.
Klar war das sofortige Beenden der Freundschaft eine Überreaktion. Aber es ging mir danach sehr viel besser. Wir haben uns nicht mehr gegenseitig wahnsinnig gemacht, ich habe nicht mehr geklammert, ich hatte keine Angst mehr, ersetzt zu werden. Das Ende der Freundschaft war für beide Parteien das beste, was passieren konnte. Und damit sollte die Sache eigentlich durch sein.
Eigentlich.
Dumm wie ich bin, lese ich in einem anderen Forum (nicht dem mit dem "Leseverbot") ab und zu noch nach. Ja, das ist dämlich. Nein, das ist nicht nötig. Aber ich tue es. Sie hat einen neuen Freund gefunden. Freut mich. Ehrlich! Ich will sie um Gottes Willen nicht zurück, und wenn sie jetzt einen Freund mit Ausbildung im psychologischen Bereich hat, der viel besser mit ihr umgehen kann: Find ich super! Ich habe die Entwicklung verfolgt und mich gefreut, dass es ihr jetzt besser geht - so, wie es mir ohne sie auch besser geht.
Gestern dann ein neuer Beitrag über ihre neue Beziehung. Eigentlich sehr positiv. Nur: Da ist ein Satz über mich drin, der mich halb umbringt.
Sie schreibt, sie habe vor dieser tollen Beziehung nur zwei andere gehabt. Beide Männer seien "schreckliche Personen" gewesen, die "ihr Leid und ihre Probleme zu ihrem Vorteil genutzt hätten."
... wat.
...
Ernsthaft. WAT?!
...
Okay, ich war kein Heiliger. Ja, ich hatte Probleme mit Klammern (die jetzt immer noch weg sind, juhu!
Aber... Ich stehe jetzt auf einer Stufe mit einem Kerl, der sie aus meiner Sicht schon fast vergewaltigt hat? Ich stehe auf einer Stufe mit einem Kerl, von dem sie sagte, er habe ihre psychischen Probleme erkannt und daraus ein Netz gestrickt, mit dem er sie klein halten und sich selbst hassen lassen konnte? Ich bin jetzt einer der zwei Personen, die sich an ihrem Leid bereichert haben?
Himmelherrgottsakrament! Ich bin ein sehr sexueller Mensch (ja,

Ein nervig anhänglicher Mensch? Damals leider ja. Ein manchmal irrational ängstlicher Mensch? Ja doch. Aber ich bin keine schreckliche Person, die ihre Schwäche ausgenutzt hat. Bin ich nicht, werde ich nie sein. Wenn überhaupt, dann bin ich zu wenig Arschloch, aber doch nicht zu sehr.
Ich habe überlegt, ihr zu schreiben. Tu ich nicht. Ich habe überlegt, im Forum öffentlich zu antworten. Tu ich nicht. Denn es gibt zwei Arten, wie ich das tun könnte.
1. Ich könnte rational darlegen, was mich daran stört. Das würde sie nicht jucken.
2. Ich könnte, und dazu habe ich gute Lust, eine Tirade an Schimpfwörtern loslassen. Ist aber erstens unter meiner Würde und würde zweitens ihre Meinung von mir bestätigen.
Ich hätte schon vor langer Zeit aufhören sollen, mir den Scheißdreck überhaupt durchzulesen. Mach ich jetzt auch endlich mal. Ich hätte das Ende der Freundschaft vielleicht anders gestalten oder natürlich auslaufen lassen sollen, statt mit einem Knall wegen einer Kleinigkeit (?). Aber diese Einschätzung verletzt mich.
Ich habe nie etwas getan, was auch nur andeutet, ich hätte sie klein gehalten. Ich habe sie nie absichtlich verletzt oder ausgenutzt. Ich habe nicht - so wie sie - die Beziehung beendet, kurz nachdem sich das eigentliche Problem, das man hätte lösen können, offenbart hat. Ich habe immer versucht, ihr zu helfen. Oft hat das funktioniert.
Ich war ein großer Faktor, als sie es geschafft hat, sich von der Tyrannei ihrer Mutter zu lösen. Sage nicht ich, sagte damals ihre Therapeutin. Die auch sagte, meine bodenständige, rationale Art bei Streit und Meinungsverschiedenheiten täte ihrer Patientin sehr gut. Und jetzt bin ich der schreckliche Mensch.
Aha. Ich weiß: Ich sollte das nicht an mich ranlassen. Ich sollte darüber lachen und mir denken, die Alte soll zur Hölle fahren. Aber ich denke gerade darüber nach, und es pisst mich an. Erst war ich traurig und enttäuscht, jetzt könnte ich ihre Wohnung in Schutt und Asche legen.
Tu ich natürlich nicht. Ich will die Frau nicht mal mehr sehen.
Naja. Danke fürs Lesen? Oder so?