
Benutzer123048 (45)
Sehr bekannt hier
- #1
Hey. Wall of text incoming, deal with it 
Nun bin ich auch mal dran mit einem Thema hier.
Ich dachte kurz, das in den Kummerkasten zu stellen, aber eigentlich empfinde ich keinen Kummer. Ich komm mir bloß wie ein alter Esel vor.
Was war passiert?
Step by step:
Vor knapp einem Jahr bekam ich eine neue Kollegin in meinem Fachbereich. Da ich dort die erfahrene Fachkraft bin und wir thematisch in einem Zweierteam arbeiten, war klar, dass ich bei der Entscheidung für eine Bewerberin großes Mitspracherecht eingeräumt bekomme, auch die Einstellungsgespräche wurden überwiegend von mir geführt.
Ich habe mich für eine Kandidatin entschieden, die mir im Gesamteindruck sehr zusagte und mich gegen zwei ältere Kolleginnen durchgesetzt, die eine andere Favoritin hatten (wir sind ein insgesamt recht kleines Team und allgemeine Zustimmung zu einer Neueinstellung ist schon notwendig).
Jedenfalls fing diese Kollegin bei uns an. Etwas Erfahrung mitgebracht, jung, superfixe Auffassungsgabe, super-energetisch und lieb im Auftreten, ein richtiger Sonnenschein. Ich war happy.
Sie ist auch bildhübsch - aber darum gehts nicht. Waren andere Kandidatinnen auch. Also nein: Es geht nicht darum, dass ich sie eigentlich daten/heiraten/chloroformieren/operativ in eine hummerähnliche Kreatur verwandeln/knattern oder sonstiges will. Alles, was ich von Anfang an wollte war, dass der Laden sauber läuft und wir Spaß am Job haben.
Nun waren die Dinge nicht so leicht. Mit ihrer offenen, aber völlig unkalibrierten Art eckte sie ruckzuck bei den älteren, sehr Contenance-orientierten Kolleginnen an. Der Tonfall wurde ärgerlicher, Tränen flossen, Intrigen sponnen sich, hinter verschlossenen Türen hieß es "passt die wirklich zu uns?" und aus Mücken wurden Elefanten gemacht. Kennen wohl viele (leider).
In dieser Zeit sah ich mich mehr und mehr in einer Mentorenrolle ihr gegenüber und betrachtete sie stolz als mein persönliches Protegè.
Mehr noch: Als wir nach Feierabend noch gemeinsam auf dem Weihnachtsmarkt waren und ich ihre liebenswerte Art ganz ohne den Druck des Arbeitsplatzes erleben konnte - das war schon fast sowas wie Vaterliebe, die ich da in mir gespürt habe (ihr Auftreten entspricht eher einer Anfang-Zwanzigjährigen, obwohl sie 27 ist). Für mich stand fest:
MEINER Kollegin wird hier keiner was! Und wenn das jemand versucht dann ist aber ...!!! -und so weiter. Absoluter Beschützerinstinkt.
Insgesamt hatten wir nach einigen Monaten, in denen ich mit ihrer Einarbeitung betraut war, schon ein sehr enges Vertrauensverhältnis. Ich habe viel von ihr erfahren und sie von mir auch. Saß weinend vor mir wegen der Situation im Job und einiger privater Dinge ebenso, wir nutzten längere Autofahrten für intensive Gespräche -ich war mir sicher, dass ich ihr genauso wichtig war wie sie mir, meine ... shitfucking-dann-sag-ichs-halt: Ersatztochter.
In a trap trip I can't grip
Never thought I'd be the one who'd slip
Then I started to realize
I was living one big lie
- she fucking hates me
Nach einem Gespräch vor einigen Tagen war mir klar - nee, eigentlich war mir gar nix mehr klar.
Diese ganze Konstruktion von mir als ihr Beschützer, Mentor, Kapitän, dieses Bild von mir als Giles für meine Buffy, als jemand, zu dem sie doch aufschauen muss - ach du jemine, ist das kollabiert.
Sie hat mir vorgehalten, dass ich sie absolut nicht auf Augenhöhe mit mir sehe. Dass mein Tonfall befehlsartig ist und mein Verhalten stellenweise merkwürdig unsicher und nicht integer.
Und das wirklich Schlimme daran für mich ist: Diese Einschätzung ist nicht einmal unfair.
Während ich all die Dinge gesehen habe, die ich für sie getan habe - das war auch wirklich nicht wenig, und sie hat mir auch bestätigt, dass ich ihr das grundsätzlich ein toller Kollege bin - wuchs bei ihr eben auch die Ernüchterung darüber, wie ich unser Verhältnis offenbar sehe.
Und sie hat Recht, ich habe mich die ganze Zeit über sie gestellt und gedacht, wenn ich sie so bedingungslos gern hab und auf sie aufpasse, dann muss ich auch das Kommando übernehmen. Hat sie aber als Geringschätzung empfunden. Dazu kamen ein paar Vorkommnisse, bei denen ich mich nicht gerade unterstützend Verhalten habe - unabsichtlich, aber mega ungeschickt, habe ich z.B. einen Erfolg von ihr mit auf meine eigene Erfolgsliste gesetzt, obwohl ich nur am Schluss dieses Projektes wirklich beteiligt war.
Sie meint, sie ist mir nicht mehr böse, aber es ist nunmal passiert und sie wird es in Erinnerung behalten ...
Bei privaten Problemen habe ich manchmal auch blöde reagiert, bin z.B. mit einem Trauerfall in ihrem Umfeld nicht sehr einfühlsam umgegangen (aus Unsicherheit), was dazu geführt hat, dass wir das Thema auf ihren Wunsch hin auf der Arbeit nun völlig ausklammern - was ja auch okay ist. Aber ich muss sagen: Ich bewundere ihre Geduld. Ich an ihrer Stelle hätte wohl längst zur Zerbröselpistole gegriffen und so einen ""Mentor"" wie mich genüsslich standrechtlich zerbröselt.
Was zum GEIER ist denn mit mir los gewesen? Nach dem Gespräch vor kurzem fiel es mir erst wie Schuppen von den Augen. Die absolute Epiphanie eines Trottels. Innige Beziehung?Ersatztochter?
Wir sind Kollegen, nichts weiter, und selbst da gibt`s bessere Konstellationen. Was bleibt ist ein Gefühl veritabler Schäbigkeit.
Frage: Kennt das irgendwer, dass man das zwischenmenschliche Verhältnis zu irgendwem derart überschätzt bzw. verkehrt einschätzt? Dass man die Asymmetrie im Hinblick auf Zuneigung zu jemandem nicht wahrnimmt?
Kennt es wer, sich selbst völlig falsch eingeschätzt zu haben, und in allerfeinster Selbstleugnung einen Klops nach dem anderen gebracht zu haben, während man sich selbst in der eigenen Wahrnehmung aber absolut geil fand, zumindest solange bis einem dankbarerweise die Scheuklappen von den Augen gerissen werden?
Oder ist das nur meine höchstpersönliche Honkigkeit?
Und noch was: Ich habe mich für einige konkret dämliche Aktionen meinerseits (Tonfall, bevormundende Entscheidungen usw.) entschuldigt und sie hat auch alles angenommen. Aber mit einer zerknirschten Entschuldigung sind die Verfehlungen eines ganzen Jahres nicht auszuräumen. Weiter drüber reden bringt auch nix, ich hab sie ja schon zuvor bei jeder Gelegenheit vollgequatscht, wie solidarisch ich mit ihr wäre und dann doch wieder Bockmist veranstaltet.
Mir kommt als Lösung eigentlich nur noch der strategische Rückzug in den Sinn, also unser Verhältnis nun konsequent zu versachlichen, ich traue aber meiner eigenen Wahrnehmung in Bezug auf sie nicht mehr so wirklich. Außerdem fände ich das doch sehr, sehr schade und es würde mir auch saftig wehtun
. Innerhalb eines beschaulich-kleinen Teams wäre das auch eher ungewöhnlich, eine eher freundschaftliche Art gehört da zum Alltag.
IRGENDEINE Idee zu dieser Situation?
Honkige Grüße,
Spielerseele
Nun bin ich auch mal dran mit einem Thema hier.
Ich dachte kurz, das in den Kummerkasten zu stellen, aber eigentlich empfinde ich keinen Kummer. Ich komm mir bloß wie ein alter Esel vor.
Was war passiert?
Step by step:
Vor knapp einem Jahr bekam ich eine neue Kollegin in meinem Fachbereich. Da ich dort die erfahrene Fachkraft bin und wir thematisch in einem Zweierteam arbeiten, war klar, dass ich bei der Entscheidung für eine Bewerberin großes Mitspracherecht eingeräumt bekomme, auch die Einstellungsgespräche wurden überwiegend von mir geführt.
Ich habe mich für eine Kandidatin entschieden, die mir im Gesamteindruck sehr zusagte und mich gegen zwei ältere Kolleginnen durchgesetzt, die eine andere Favoritin hatten (wir sind ein insgesamt recht kleines Team und allgemeine Zustimmung zu einer Neueinstellung ist schon notwendig).
Jedenfalls fing diese Kollegin bei uns an. Etwas Erfahrung mitgebracht, jung, superfixe Auffassungsgabe, super-energetisch und lieb im Auftreten, ein richtiger Sonnenschein. Ich war happy.
Sie ist auch bildhübsch - aber darum gehts nicht. Waren andere Kandidatinnen auch. Also nein: Es geht nicht darum, dass ich sie eigentlich daten/heiraten/chloroformieren/operativ in eine hummerähnliche Kreatur verwandeln/knattern oder sonstiges will. Alles, was ich von Anfang an wollte war, dass der Laden sauber läuft und wir Spaß am Job haben.
Nun waren die Dinge nicht so leicht. Mit ihrer offenen, aber völlig unkalibrierten Art eckte sie ruckzuck bei den älteren, sehr Contenance-orientierten Kolleginnen an. Der Tonfall wurde ärgerlicher, Tränen flossen, Intrigen sponnen sich, hinter verschlossenen Türen hieß es "passt die wirklich zu uns?" und aus Mücken wurden Elefanten gemacht. Kennen wohl viele (leider).
In dieser Zeit sah ich mich mehr und mehr in einer Mentorenrolle ihr gegenüber und betrachtete sie stolz als mein persönliches Protegè.
Mehr noch: Als wir nach Feierabend noch gemeinsam auf dem Weihnachtsmarkt waren und ich ihre liebenswerte Art ganz ohne den Druck des Arbeitsplatzes erleben konnte - das war schon fast sowas wie Vaterliebe, die ich da in mir gespürt habe (ihr Auftreten entspricht eher einer Anfang-Zwanzigjährigen, obwohl sie 27 ist). Für mich stand fest:
MEINER Kollegin wird hier keiner was! Und wenn das jemand versucht dann ist aber ...!!! -und so weiter. Absoluter Beschützerinstinkt.
Insgesamt hatten wir nach einigen Monaten, in denen ich mit ihrer Einarbeitung betraut war, schon ein sehr enges Vertrauensverhältnis. Ich habe viel von ihr erfahren und sie von mir auch. Saß weinend vor mir wegen der Situation im Job und einiger privater Dinge ebenso, wir nutzten längere Autofahrten für intensive Gespräche -ich war mir sicher, dass ich ihr genauso wichtig war wie sie mir, meine ... shitfucking-dann-sag-ichs-halt: Ersatztochter.
In a trap trip I can't grip
Never thought I'd be the one who'd slip
Then I started to realize
I was living one big lie
- she fucking hates me
Nach einem Gespräch vor einigen Tagen war mir klar - nee, eigentlich war mir gar nix mehr klar.
Diese ganze Konstruktion von mir als ihr Beschützer, Mentor, Kapitän, dieses Bild von mir als Giles für meine Buffy, als jemand, zu dem sie doch aufschauen muss - ach du jemine, ist das kollabiert.
Sie hat mir vorgehalten, dass ich sie absolut nicht auf Augenhöhe mit mir sehe. Dass mein Tonfall befehlsartig ist und mein Verhalten stellenweise merkwürdig unsicher und nicht integer.
Und das wirklich Schlimme daran für mich ist: Diese Einschätzung ist nicht einmal unfair.
Während ich all die Dinge gesehen habe, die ich für sie getan habe - das war auch wirklich nicht wenig, und sie hat mir auch bestätigt, dass ich ihr das grundsätzlich ein toller Kollege bin - wuchs bei ihr eben auch die Ernüchterung darüber, wie ich unser Verhältnis offenbar sehe.
Und sie hat Recht, ich habe mich die ganze Zeit über sie gestellt und gedacht, wenn ich sie so bedingungslos gern hab und auf sie aufpasse, dann muss ich auch das Kommando übernehmen. Hat sie aber als Geringschätzung empfunden. Dazu kamen ein paar Vorkommnisse, bei denen ich mich nicht gerade unterstützend Verhalten habe - unabsichtlich, aber mega ungeschickt, habe ich z.B. einen Erfolg von ihr mit auf meine eigene Erfolgsliste gesetzt, obwohl ich nur am Schluss dieses Projektes wirklich beteiligt war.
Sie meint, sie ist mir nicht mehr böse, aber es ist nunmal passiert und sie wird es in Erinnerung behalten ...
Bei privaten Problemen habe ich manchmal auch blöde reagiert, bin z.B. mit einem Trauerfall in ihrem Umfeld nicht sehr einfühlsam umgegangen (aus Unsicherheit), was dazu geführt hat, dass wir das Thema auf ihren Wunsch hin auf der Arbeit nun völlig ausklammern - was ja auch okay ist. Aber ich muss sagen: Ich bewundere ihre Geduld. Ich an ihrer Stelle hätte wohl längst zur Zerbröselpistole gegriffen und so einen ""Mentor"" wie mich genüsslich standrechtlich zerbröselt.
Was zum GEIER ist denn mit mir los gewesen? Nach dem Gespräch vor kurzem fiel es mir erst wie Schuppen von den Augen. Die absolute Epiphanie eines Trottels. Innige Beziehung?Ersatztochter?
Wir sind Kollegen, nichts weiter, und selbst da gibt`s bessere Konstellationen. Was bleibt ist ein Gefühl veritabler Schäbigkeit.
Frage: Kennt das irgendwer, dass man das zwischenmenschliche Verhältnis zu irgendwem derart überschätzt bzw. verkehrt einschätzt? Dass man die Asymmetrie im Hinblick auf Zuneigung zu jemandem nicht wahrnimmt?
Kennt es wer, sich selbst völlig falsch eingeschätzt zu haben, und in allerfeinster Selbstleugnung einen Klops nach dem anderen gebracht zu haben, während man sich selbst in der eigenen Wahrnehmung aber absolut geil fand, zumindest solange bis einem dankbarerweise die Scheuklappen von den Augen gerissen werden?
Oder ist das nur meine höchstpersönliche Honkigkeit?
Und noch was: Ich habe mich für einige konkret dämliche Aktionen meinerseits (Tonfall, bevormundende Entscheidungen usw.) entschuldigt und sie hat auch alles angenommen. Aber mit einer zerknirschten Entschuldigung sind die Verfehlungen eines ganzen Jahres nicht auszuräumen. Weiter drüber reden bringt auch nix, ich hab sie ja schon zuvor bei jeder Gelegenheit vollgequatscht, wie solidarisch ich mit ihr wäre und dann doch wieder Bockmist veranstaltet.
Mir kommt als Lösung eigentlich nur noch der strategische Rückzug in den Sinn, also unser Verhältnis nun konsequent zu versachlichen, ich traue aber meiner eigenen Wahrnehmung in Bezug auf sie nicht mehr so wirklich. Außerdem fände ich das doch sehr, sehr schade und es würde mir auch saftig wehtun
IRGENDEINE Idee zu dieser Situation?
Honkige Grüße,
Spielerseele