Sich wünschen, Probleme zu haben

Keru
Benutzer172237  (23) Sorgt für Gesprächsstoff
  • #1
Ich möchte erst einmal klarstellen, dass mir bewusst ist, dass mein "Wunsch" aus einer sehr privilegierten Position kommt und in gewisser Weise lächerlich und auch beleidigend gegenüber Leuten ist, die richtige Probleme haben. Dieses Bewusstsein ändert aber nichts daran, dass ich so empfinde, das ist hier das Problem.

Zum eigentlichen Thema: ich verspüre immer wieder den "Wunsch", ein echtes Problem zu haben oder dass mir irgendetwas Traumatisches passiert wäre. Ich bin ziemlich privilegiert und das ist mir auch bewusst. Ich bin (zumindest auf dem Papier) männlich, weiß, gesund, haben Zugang zu einer guten Bildung, komme gut mit meiner Familie klar und habe nie etwas Traumatisches erlebt. Und dafür bin ich dankbar, auch wenn es vielleicht nicht so klingt.
Mein einziges "Problem" ist, dass ich keine Probleme habe, was dazu führt, dass ich das Gefühl habe, ich müsse glücklich und zufrieden und dankbar sein und mich schlecht fühle weil das eben nicht der Fall ist. Meine Logik ist, wenn es in meinem Leben ein Problem gäbe, dann wäre es gerechtfertigt, dass ich das Gefühl habe, dass mit mir etwas nicht stimmt..
Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, lüge ich immer, weil ich keinen Grund habe, mich schlecht zu fühlen. Ich habe Freund*innen, die haben richtige Probleme zuhause, deren Eltern haben ein Alkoholproblem oder sie sind arm oder haben richtig schlimme Sachen erlebt. Und dann bin da ich mit meinem perfekten Leben und ich habe keinen Grund, mich scheiße zu fühlen und eben auch deshalb kein Recht dazu. Ich würde einfach gerne mal ehrlich sein können und sagen können, dass es mir nicht gut geht, aber wie, wenn alles perfekt ist und ich keinen Grund habe.
 
Maifeld
Benutzer155728  Sehr bekannt hier
  • #2
Selbst wenn du jetzt auf einmal ein Problem hättest, würde das doch nichts helfen, da du ja immer wüsstest, dass deine Unzufriedenheit und die Tatsache, dass du dich unglücklich fühlst ja schon vorher da war.
Taugt also als "Entschuldigung" nicht so recht.

Zu deiner momentanen Gefühlslage: Wer legt denn fest, welche Aspekte alle erfüllt sein müssen damit man sich verdammt nochmal glücklich fühlen muss?

Wichtiger für dich wäre zu überlegen, woher diese Gefühle kommen. Fühlst du dich orientierungslos?
Überfordert? Unterfordert?
Nicht wertgeschätzt?
Nur um mal ins Blaue hinein ein paar Möglichkeiten zu nennen.
 
K
Benutzer166918  (36) Meistens hier zu finden
  • #3
Das ging mir in deinem Alter ähnlich. Rückblickend vermute ich, dass ich einfach nicht beschäftigt genug war bzw. meine Hobbys mich nicht ausreichend erfüllt haben.
Ich habe mir damals übrigens tatsächliche Probleme geschaffen und es hat Jahre gedauert, die dadurch entstandenen Schäden wieder auszubügeln. Pass auf dich auf.
 
Keru
Benutzer172237  (23) Sorgt für Gesprächsstoff
  • Themenstarter
  • #4
Orientierungslos passt schon mal ganz gut. Ich mache nächstes Jahr Abi und habe keinen Plan, wie es danach weitergehen soll.
Es sind aber auch noch andere Sachen, die ich nicht erklären kann. Ich glaube, ich denke einfach zu viel und bin zu sensibel. Ich komme mit Ungerechtigkeit nicht klar und davon gibt es in der Welt einfach zu viel. Und viele Probleme werden einfach nicht erkannt oder ernst genommen und wenn man dann versucht, es den Leuten klarzumachen, wird man nicht ernst genommen und als social justice warrier bezeichnet. Ich komme mit der Hilflosigkeit nicht klar.
Ich denke, ich muss meine Proviligiertheit dazu nutzen, Gutes zu tun und fühle mich schlecht weil ich so sehr auf mich selbst fokussiert bin. Mich überfordert gerade einfach alles.
Und ich habe auch diese Gedanken, dass ich mir halt selbst Probleme mache, wenn ich keine habe. Zu wissen, dass diese Gedanken falsch sind, und dagegen anzukämpfen, stresst mich noch mehr.
 
Maifeld
Benutzer155728  Sehr bekannt hier
  • #5
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Zuletzt bearbeitet:
Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #6
Jetzt mal der ganz üble Hobby-Freud aus der untersten Küchenpsychologie-Schublade: kann es sein, dass Du ein Problem mit Dir haben möchtest, das dann so viel Raum in Deinem Denken und Handeln einnimmt, dass Du Dich nicht mit Deinem wirklichen Leben in der nahen Zukunft beschäftigen oder gar Entscheidungen für Dich treffen musst? Prokrastinieren auf einer Meta-Ebene sozusagen?
 
G
Benutzer Gast
  • #7
Da, du hast dein Problem gefunden: die Abwesenheit eines Problems

mind = blown :whoot:
 
G
Benutzer Gast
  • #8
Ich habe den Eindruck, als würdest du in einer Blase leben. In einer heilen Welt, wo aber nicht viel los ist. Du nimmst die Außenwelt zwar wahr, denkst darüber nach, lässt sie aber nicht an dich ran.

Du schreibst, dass du dich orientierungslos fühlst. Da hilft eigentlich am besten sich Ziele zu setzten. Wie soll es nach dem Abi weitergehen? Gibt es jemanden, der dir die Möglichkeiten aufzeigen kann und dir bei der Entscheidung helfen kann?

Du könntest dir im Alltag kleine Herausforderungen suchen. Damit meine ich, dass du nicht immer den einfachsten Weg nehmen solltest, wenn es auch einen schwierigeren Weg gibt, den du auch meistern kannst.
Eine große Herausforderung wäre, ein Studium ganz weit weg von zu Hause, wo du auf dich allein gestellt wärst. Dazu braucht es aber eine gute Portion Willenskraft und Selbstvertrauen, die du dir bis dahin noch erarbeiten müsstest, denn in deiner aktuellen Verfassung wäre dieses Vorhaben wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt.
 
einsamerEngel
Benutzer35148  Beiträge füllen Bücher
  • #9
Also wenn du wirklich Probleme haben willst, dann hast du ein echtes Problem.
Sei froh daß du keine hast, ehrlich!

Vielleicht kannst du dich in die Richtung eines Problemlösers entwickeln?
Denn es gibt genügend Berufe, bei denen man ständig mit Problemen irgendwelcher Art konfrontiert wird, und die man je nachdem zügig und doch gut lösen muß.

Wozu tendierst du denn eher?

Sozialwesen?
Ingenieurwesen?
Medizin?

Es gibt genügend Beispiele...

:engel:
 
Keru
Benutzer172237  (23) Sorgt für Gesprächsstoff
  • Themenstarter
  • #10
Wenn man nun der Meinung ist, man müsse aber zumindest seinen Beitrag dazu leisten, hilft es, den Blick vom Makrokosmos auf den Mikrokosmos zu richten.
Will sagen: du kannst vielleicht nicht die Weltmeere retten und die Probleme des afrikanischen Kontinents lösen, aber du kannst im örtlichen Tierheim Hunde gassi führen oder im Seniorenheim Weihnachtsgeschichten vorlesen. Nur so als plakatives Beispiel.
Der große Vorteil dabei ist: durch die direkte Rückmeldung siehst und spürst du den Erfolg deines Engagements und sowas kann echt glücklich machen.

Der Gedanke ist mir auch schon gekommen und ich habe überlegt, ob es nicht etwas gibt, dass ich ehrenamtlich machen kann um anderen zu helfen. Ich habe aber erst mal beschlossen, das auf nächsten Sommer zu verlegen, weil ich dann mit dem Abi fertig bin. Für längerfristige soziale Aktivitäten fehlt mir gerade neben der Schule die Energie. Immerhin versuche ich, die Augen offen zu halten und ein aufmerksamerer und zuvorkommenderer Mensch zu werden.
Ich denke manchmal aber auch, dass das schleimerisch wirkt. Muss da erst noch den Mittelweg finden.

Jetzt mal der ganz üble Hobby-Freud aus der untersten Küchenpsychologie-Schublade: kann es sein, dass Du ein Problem mit Dir haben möchtest, das dann so viel Raum in Deinem Denken und Handeln einnimmt, dass Du Dich nicht mit Deinem wirklichen Leben in der nahen Zukunft beschäftigen oder gar Entscheidungen für Dich treffen musst? Prokrastinieren auf einer Meta-Ebene sozusagen?

Das ist mir bisher nicht in den Sinn gekommen. Aber ich kann die Idee weder bestätigen noch verneinen. Keine Ahnung , ob ich das vielleicht unbewusst tue.

Ich habe den Eindruck, als würdest du in einer Blase leben. In einer heilen Welt, wo aber nicht viel los ist. Du nimmst die Außenwelt zwar wahr, denkst darüber nach, lässt sie aber nicht an dich ran.

Du schreibst, dass du dich orientierungslos fühlst. Da hilft eigentlich am besten sich Ziele zu setzten. Wie soll es nach dem Abi weitergehen? Gibt es jemanden, der dir die Möglichkeiten aufzeigen kann und dir bei der Entscheidung helfen kann?

Du könntest dir im Alltag kleine Herausforderungen suchen. Damit meine ich, dass du nicht immer den einfachsten Weg nehmen solltest, wenn es auch einen schwierigeren Weg gibt, den du auch meistern kannst.
Eine große Herausforderung wäre, ein Studium ganz weit weg von zu Hause, wo du auf dich allein gestellt wärst. Dazu braucht es aber eine gute Portion Willenskraft und Selbstvertrauen, die du dir bis dahin noch erarbeiten müsstest, denn in deiner aktuellen Verfassung wäre dieses Vorhaben wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt.

Das mit der Blase verstehe ich auf gewisser Ebene. Es fühlt sich an, als würde ich durch ein Kriegsgebiet gehen und bin selbst in einer schützenden Blase, während alle um mich herum den Gefahren ausgesetzt sind.

Was meine Zukunft angeht, habe ich keinen Plan. Es gibt zwar vieles, das mich interessiert, aber was ich beruflich machen will, weiß ich nicht.
Und weil mein Leben so verdammt perfekt ist und meine Eltern so verständnisvoll, setzen sie mich diesbezüglich auch nicht unter Druck. Sie würden es garantiert nicht akzeptieren wenn ich nach dem Abi einfach zuhause rumhängen und ihnen auf der Tasche liegen würde, aber solange ich ETWAS mache (egal on Studium, Ausbildung, FSJ oder was auch immer), unterstützen sie mich. Das ist jedenfalls der Eindruck, den ich habe.

Vielleicht kannst du dich in die Richtung eines Problemlösers entwickeln?
Denn es gibt genügend Berufe, bei denen man ständig mit Problemen irgendwelcher Art konfrontiert wird, und die man je nachdem zügig und doch gut lösen muß.

Wozu tendierst du denn eher?

Sozialwesen?
Ingenieurwesen?
Medizin?

Es gibt genügend Beispiele...

:engel:

So was in der Richtung überlege ich auch. Sozialwissenschaften oder Gender Studies z. B. fände ich interessant. Oder internationale Kommunikation, Hilfsprojekte. Ich möchte mich für Minderheiten einsetzen und meine privilegierte Position dazu nutzen, Menschen eine Stimme zu verleihen, denen nicht zugehört wird.
 
G
Benutzer Gast
  • #11
Und weil mein Leben so verdammt perfekt ist und meine Eltern so verständnisvoll, setzen sie mich diesbezüglich auch nicht unter Druck. Sie würden es garantiert nicht akzeptieren wenn ich nach dem Abi einfach zuhause rumhängen und ihnen auf der Tasche liegen würde, aber solange ich ETWAS mache (egal on Studium, Ausbildung, FSJ oder was auch immer), unterstützen sie mich. Das ist jedenfalls der Eindruck, den ich habe.

Wenn du deinen Eltern offen sagen würdest, dass du nicht weißt, wie es nach dem Abi weitergehen soll, könnten sie dir helfen? Immerhin sollten sie dich gut genug kennen, um eine Ahnung davon zu haben, was zu dir passen könnte. Wenn es auch noch andere Menschen gibt, die dich gut genug kennen, dann frage sie auch. Je mehr Impulse du bekommst, desto besser. Es müssen auch keine konkrete Vorschläge dabei sein, es hilft schon, darüber zu reden um die Gedanken in Schwung zu bringen. Danach kannst du hoffentlich deine eigene Entscheidung treffen und deine eigene Ziele setzen, an die du dich orientieren kannst.
 
Keru
Benutzer172237  (23) Sorgt für Gesprächsstoff
  • Themenstarter
  • #12
Das wissen meine Eltern schon. Sie finden das ok und meinen, ich würde mich schon noch entscheiden. Für ein Studium muss ich mich erst nächsten Sommer bewerben und dann ist auch nicht klar, wo ich überhaupt angenommen werde. An meine Wunsch-Uni werde ich eh nicht genommen werden, die haben für alle für mich interessanten Fächer einen echt krassen NC.
[doublepost=1545279935,1545257729][/doublepost]Guten Morgen.
Wisst ihr, was richtig scheiße ist? Wenn man sich bescheiden fühlt und keine Ahnung hat, warum.
 
G
Benutzer Gast
  • #13
An meine Wunsch-Uni werde ich eh nicht genommen werden, die haben für alle für mich interessanten Fächer einen echt krassen NC.
Welche wären denn deine Wunschfächer und wieso gerade die?
 
Glaedr
Benutzer162074  Sehr bekannt hier
  • #14
Mir scheint, dass du mit dir selbst am kämpfen bist. Wer hat dir gesagt, dass deine Gefühle nicht richtig wären (dass du dich unglücklich fühlst, auch wenn du sonst "alles" hast)? Gefühle sind nicht falsch und es hilft nichts gegen sie anzukämpfen. Nicht jeden Gefühlen kann man nachgehen (wie wenn man sich in jemanden verliebt, der vergeben ist oder ähnliches). Jedoch ist es ein Unterschied, ob man seine Gefühle ignoriert und schön redet oder ob man sie annimmt und das beste draus macht.

Wenn du dich unglücklich fühlst, dann ist das so. Das wichtigste daran ist, dass du herausfindest wieso das so ist, denn erst dann kannst du etwas dagegen machen. Ich habe das Gefühl, dass du nicht in Balance mit dir selbst bist und dich erst selbst kennenlernen musst. Das ist ganz normal in deinem Alter und viele haben das selbst noch später in ihrem Leben. Solche Phasen kommen bei vielen Leuten vor, dass man nicht weiß wohin mit sich. Du musst für dich herausfinden, wo dein Platz ist und was dich glücklich macht.
Was ich herauslese ist, dass du Menschen helfen willst und auch Ergebnisse aus deiner Arbeit sehen willst, damit du dast Gefühl hast etwas am großen Ganzen beitragen zu können. Daher überlege dir, ob du direkt Menschen helfen willst oder eher im Hintergrund (wie bei Organsationen) die Fäden ziehen willst.
Mach dich nicht verrückt. Ja, vielleicht wären viele Menschen zufrieden mit deinem Leben, jedoch ist jeder anders und wenn dir etwas fehlt ist es an dir herauszufinden was das ist. Das bedeutet nicht, dass du nicht dafür dankbar sein kannst, was du hast und wie dein Leben läuft. Das eine schließt das andere nicht aus, jedoch musst du erst aufhören mir dir selbst zu kämpfen.
 
Keru
Benutzer172237  (23) Sorgt für Gesprächsstoff
  • Themenstarter
  • #15
Mir geht es seit gestern nur noch scheiße. Ich kann nicht denken , ich kann nicht richtig atmen. Ich weiß nicht warum.
 
Manche Beiträge sind ausgeblendet. Bitte logge Dich ein, um alle Beiträge in diesem Thema anzuzeigen.
ProximaCentauri
Benutzer32843  (37) Sehr bekannt hier
  • #16
Man kann auch Depressionen oder Angst-/Panikstörungen oder so haben wenn einem objektiv nichts im Leben fehlt, weil das dann meistens einfach Probleme der Hirnchemie sind.
Wenn du drunter leidest wäre vielleicht eine Vorstellung bei einer entsprechenden Fachperson nicht schlecht.
 
Keru
Benutzer172237  (23) Sorgt für Gesprächsstoff
  • Themenstarter
  • #17
Mein größtes Problem ist gerade, dass ich einfach keine Worte finde. Selbst wenn ich jemanden zum reden hätte, wüsste ich nicht, was ich sagen soll. Auch wenn ich jetzt vor einer/einem Therapeut*in sitzen würde. Deshalb ist es letztendlich leichter, einfach gar nichts zu sagen und so zu tun, als wäre alles ok. Ich kann einfach nichts zum Ausdruck bringen, selbst die deutsche Sprache erscheint mir fremd. Dabei bin ich deutscher Muttersprachler. Alles, was ich schreibe, klingt für mich selbst falsch.
 
froschteich
Benutzer164451  (38) Beiträge füllen Bücher
  • #18
Kann es sein dass du dich einfach komplett verloren und leer fühlst?
Mir hat es mal extrem geholfen eine Liste zu machen, welcher Mensch ich gerne sein würde. Stell dir mal den für dich perfekten 25jährigen Menschen vor.
Welche Hobbies hat er? Welche Interessen? Welche Fähigkeiten, welchen Beruf, in welchen Ländern war er um was zu machen? etc etc
Und dann überlege was du machen kannst um so zu werden wie diese Person.

Fülle dein Leben damit und gib ihm so einen Sinn. Wenn du ein facettenreicher Mensch sein willst, dann hast du viel Arbeit vor dir.
Du bist auf der Schwelle zum Erwachsensein, das ist irrsinnig schwer und verwirrend. Natürlich kannst du dich in Probleme stürzen damit dich jemand bei der Hand nimmt.
Oder du zeigst dir selbst den Weg
 
Guinan
Benutzer34612  Planet-Liebe Berühmtheit
Redakteur
  • #19
ProximaCentauri
Benutzer32843  (37) Sehr bekannt hier
  • #20
Mein größtes Problem ist gerade, dass ich einfach keine Worte finde. Selbst wenn ich jemanden zum reden hätte, wüsste ich nicht, was ich sagen soll. Auch wenn ich jetzt vor einer/einem Therapeut*in sitzen würde. Deshalb ist es letztendlich leichter, einfach gar nichts zu sagen und so zu tun, als wäre alles ok. Ich kann einfach nichts zum Ausdruck bringen, selbst die deutsche Sprache erscheint mir fremd. Dabei bin ich deutscher Muttersprachler. Alles, was ich schreibe, klingt für mich selbst falsch.

Wenn man in so einer Situation ist, muss man die Worte/das Vokabular dafür manchmal erst finden. Wenn man auch keine richtige "Verbindung" zu seinen Gefühlen hat, dann ist das zusätzlich schwierig. Ein guter Therapeut wird dir dabei aber helfen können, die sind ja nicht nur dazu da, mit jemandem zu reden, der alles schon weiss, sondern genau im Gegenteil! Ein wichtiger Teil einer Therapie besteht ja auch darin erst einmal die Probleme zu formulieren, und herauszufinden was der Kern der Sache ist.
 
haarefan
Benutzer38494  Sehr bekannt hier
  • #21
Mein einziges "Problem" ist, dass ich keine Probleme habe
dieses problem haben sicherlich nicht nur menschen in deinem alter. :zwinker:
ich war schon immer der meinung, das der mensch probleme im leben braucht, um nicht krank zu werden.
hat man alles auf der welt, kann es passieren, das man gefahr läuft sich ein problem zu züchten. sieht man öfters mal bei leuten, wo man sich fragt: wieso ist der denn jetzt alkoholiker geworden? der dürfte doch eigentlich gar keine probleme haben!

der mensch braucht probleme als ansporn, antrieb und um später stolz drauf sein zu können, diese probleme (letztlich selbst) angegangen, bewältigt und gelöst zu haben.
genauso wie man nur glücklich sein kann, wenn man auch traurig war.
man muss wissen wie es im gefühlstal ist, um das gefühlshoch genießen zu können.

du kannst dir gewiss sein, das du im laufe deines lebens immer wieder vor probleme stehst, die du aus dem weg räumen lernst.
momentan hast du eben - in deinen augen - das problem, keines zu haben und somit hast du es ja schon. :zwinker:
in deiner lebensphase ist das alles, wie hier auch schon geschrieben wurde, nicht sonderlich ungewöhnlich und viele menschen haben diese phase durchmachen müssen.

Maifeld Maifeld hat eigentlich schon viele wichtige dinge geschrieben, die ich persönlich auch so sehe und mir ist auch als erstes mal die idee gekommen, das man sich ja auch durchaus probleme anderer annehmen kann, wie beispielsweise die aktive mithilfe in der tafel oder einer anderen sozialen stelle oder auch einer tierhilfeorganisation.
manche menschen bezeihnen das auch als "dem leben einen sinn geben".

gleichzeitig muss man auf sich aufpassen, das man sich nicht zu sehr mit anderer leute probleme verzettelt und sich selbst dann verliert.
man kann immer nur so gut anderen helfen, wie man selbst noch halbwegs im seelischen gleichgewicht ist. merkt man, das die hilfe die man versucht zu geben einen zu sehr belastet, muss man auf sich acht geben und sich wieder zurückziehen, um sich zu sammeln.

was mich mal interessieren würde:
wie sieht momentan dein alltag aus?
hast du struktur in deinem tagesablauf?
treibst du regelmäßig sport?
bewegst du dich vorwiegend in "virtuellen" sozialen netzwerken oder gehst du auch real regelmäßig aus, um dich mit anderen aug in aug auszutauschen?
 
A
Benutzer160853  Sehr bekannt hier
  • #22
Ich möchte erst einmal klarstellen, dass mir bewusst ist, dass mein "Wunsch" aus einer sehr privilegierten Position kommt und in gewisser Weise lächerlich und auch beleidigend gegenüber Leuten ist, die richtige Probleme haben. Dieses Bewusstsein ändert aber nichts daran, dass ich so empfinde, das ist hier das Problem.

Zum eigentlichen Thema: ich verspüre immer wieder den "Wunsch", ein echtes Problem zu haben oder dass mir irgendetwas Traumatisches passiert wäre. Ich bin ziemlich privilegiert und das ist mir auch bewusst. Ich bin (zumindest auf dem Papier) männlich, weiß, gesund, haben Zugang zu einer guten Bildung, komme gut mit meiner Familie klar und habe nie etwas Traumatisches erlebt. Und dafür bin ich dankbar, auch wenn es vielleicht nicht so klingt.
Mein einziges "Problem" ist, dass ich keine Probleme habe, was dazu führt, dass ich das Gefühl habe, ich müsse glücklich und zufrieden und dankbar sein und mich schlecht fühle weil das eben nicht der Fall ist. Meine Logik ist, wenn es in meinem Leben ein Problem gäbe, dann wäre es gerechtfertigt, dass ich das Gefühl habe, dass mit mir etwas nicht stimmt..
Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, lüge ich immer, weil ich keinen Grund habe, mich schlecht zu fühlen. Ich habe Freund*innen, die haben richtige Probleme zuhause, deren Eltern haben ein Alkoholproblem oder sie sind arm oder haben richtig schlimme Sachen erlebt. Und dann bin da ich mit meinem perfekten Leben und ich habe keinen Grund, mich scheiße zu fühlen und eben auch deshalb kein Recht dazu. Ich würde einfach gerne mal ehrlich sein können und sagen können, dass es mir nicht gut geht, aber wie, wenn alles perfekt ist und ich keinen Grund habe.

Du solltest doch genügend Fragestellungen haben, was nun mit deinen Leben passiert. Der Bereich "Ende der Schulzeit-Studium/Ausbildung" ist nicht einfach, weil der erste Lebensabschnitt zu Ende geht und eine Menge neue Dinge auf dich warten. Das ist erstmals ganz normal und ein gewisses Unbehagen finde ich verständlich.Dem muss man sich stellen, weil es irgendwann nicht anders geht, Abiprüfung und Anfang des Studiums warten nicht ewig. Hier würde ich ansetzen und Ziele definieren.
Nun ziehst du dir auf einer Meta-Ebene die Laufschuhe an und rennst einen weiten Bogen um die eigentliche Aufgabe.
Das Wegrennen von eigentliche Aufgaben, die das Leben hat, ist sehr angenehm und es ist wahnsinnig einfach ist sich irgendwo in Plattitüden über das eigene Leben (vermeintlich privilegierte Stellung) zu verlieren.
Aktivität kannst du auch in einem weniger großen Maßstab haben. Ich fabuliere kurz: Du kannst im Tierheim den Hund ausführen und für Oma Matha den Einkauf in den fünften Stock tragen oder dich im Sportverein als Betreuer der Jugendgruppe einsetzen. Bei solchen Aktivitäten hast du ein Ergebnis und du verlierst dich nicht in der Meta-Ebene.

Hast du eine enge Vertrauensperson? Dann rede mit ihr, versucht gemeinsam Pflöcke zu schlagen und thematisiere dein Unbehagen.
Die eigentliche Aufgabe ist nicht, dass du jetzt unbedingt eine ernstes Problem brauchst, sondern ein Zukunftsidee. Solche finden sich leichter aus einer Grundsicherheit als aus Krisen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Keru
Benutzer172237  (23) Sorgt für Gesprächsstoff
  • Themenstarter
  • #23
Ich stelle fest, das abendliche Zugfahrten wenn man mit Koffein zugepumpt und unterzuckert ist und sich scheiße fühlt ein super Setting sind um nachzudenken und sich selbst zu bemitleiden.

Ich hatte eine Erkenntnis. Ich habe noch mal zurück überlegt, wann dieses Gefühl bei mir anfing und gemerkt, dass der Ursprung eigentlich offensichtlich ist. Das fing einfach damit an, dass ich mich mit Politik und sozialen Missständen auf der Welt auseinander gesetzt habe und gemerkt habe, wie viel Hass und Gleichgültigkeit herrscht und wie gut ich es selbst habe. Seitdem mir das klar geworden ist, kann ich nicht mehr glücklich sein, weil ich das Gefühl habe, mir mein Glück verdienen zu müssen. Ich fühle mich schlecht für jede Sekunde, in der ich nichts sinnvolles tue um anderen zu helfen. Ich kann nicht nein sagen wenn mich irgendjemand um einen Gefallen bittet. Ich komme nicht damit klar, Menschen zu enttäuschen.
Eigentlich ist das nicht mal logisch wenn ich meine Familienkonstellation betrachte. Ich müsste eigentlich total selbstverliebt und egozentrisch sein, stattdessen bin ich so sensibel, dass ich mich fühle als hätte ich keine Daseinsberechtigung .
 
A
Benutzer160853  Sehr bekannt hier
  • #24
Du kannst dich doch im Kleinen einsetzen. Da würdest du etwas erreichen und hättest eine sinnvolle Beschäftigung. Die Beschäftigung mit Politik und Gesellschaft ist wichtig, aber bitte mit Abstand. Es sollte eine Maxime werden, dass du dich wichtig nimmst, weil du du bist. Du bemerkst grundsätzlich, dass du erstmals Aufgaben bewältigen musst. Das sollte elementar im Zentrum deiner Wahrnehmung stehen, nicht weil du egoistisch bist, sondern weil du dein Leben führen musst und nicht nebenher die Leben aller Anderer.
Lerne Nein zu sagen. Das ist elementar, weil du nicht die Heilige Johanna bist. Zwischen egoistisch und einem klaren Standpunkt liegen immer noch Galaxien.
In den letzten Tagen hörte ich immer wieder, dass mein Unbehagen über die persönlichen Veränderungen im kommenden Jahr im Vergleich zu X oder Y doch eher gering seien.
Du kannst Leben, Probleme oder andere Dinge nicht in Relation bringen, weil dies immer schief wird.
 
einsamerEngel
Benutzer35148  Beiträge füllen Bücher
  • #25
Vergiss bitte eines nicht: damit wir (damit meine ich die meisten mit normalen Verhältnissen) hier in Westeuropa glücklich und friedlich leben können, mussten vorher leider sehr viele unschuldig unglücklich sein, und sie konnten nicht einmal etwas dafür.

Wir haben es sehr gut, und es gibt eigentlich keinen Grund, dass wir uns generell dauernd mies fühlen müssen.

Ja, es gibt auch hier etwas Unrecht und Leid.
Ja, dem Rest der Welt geht es oft nicht so gut.
Das ist bedauerlich und traurig.
Und dagegen kann man, wenn man will, im Rahmen der Möglichkeiten, etwas machen, seien es Gebete, Spenden, passive und aktive Mitarbeit in kulturellen und sozialen Bereichen, bis hin zu politischem Engagement.
Auch wenn einen das ferne und nahe Leid einen berührt, darf es einen trotzdem nicht fertig machen.
Man muss es leider akzeptieren, dass es etlichen Menschen aus den verschiedensten Gründen schlechter geht, aber auch dass man oft nichts wirklich unternehmen kann.
Niemand kann die Welt alleine retten.

Also, einmal angenommen du findest eine Hilfsstelle, z. B. in Bangladesh oder in Afrika, oder auch bei dir in der nächsten größeren Stadt, da wirst du direkt und mit voller Wucht mit den jeweiligen Leid und Unglück konfrontiert werden.
Da stellt sich nur eine Frage:
Wärst du in der Lage, das längere Zeit auszuhalten und deine Energie positiv einzusetzen, anstatt depressiv oder aggressiv zu werden?
 
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