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Benutzer225085 (35)
Ist noch neu hier
- #1
Hallo zusammen,
es ist mein erster Post hier. Normalerweise schreibe ich und lese ich hier nicht - warum ich aber jetzt doch hier gelandet bin, erkläre ich weiter unten.
ich wende mich heute an euch, weil ich innerlich zerrissen bin und einen Raum brauche, um meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Es geht um die Beziehung zu meiner Gefährtin, die nun seit etwa vier Jahren besteht und mein Leben auf unzählige Arten bereichert hat. Wir leben zwar noch in getrennten Wohnungen hier in derselben Stadt, aber der gemeinsame Wunsch, eines Tages ein gemeinsames Zuhause zu schaffen, gehört fest in unserer Zukunftsplanung.
Aus meiner Sicht haben wir eine Beziehung aufgebaut, die von Tiefe, Reife und Intensität geprägt ist. Wir haben einen Raum geschaffen, in dem wir über buchstäblich alles sprechen können, was uns bewegt. Ich habe keine Geheimnisse vor ihr, und ich spüre ein tiefes Vertrauen, dass auch sie mir gegenüber vollkommen offen ist. Sie hat mir nie den geringsten Anlass gegeben, an ihrer Aufrichtigkeit zu zweifeln. Im Gegenteil: In Momenten, in denen Unsicherheit oder Sorge in mir aufkeimten, hat sich immer wieder gezeigt, dass sie mit Ehrlichkeit und Loyalität an meiner Seite steht, selbst wenn die Umstände schwierig waren. Meine Liebe zu ihr ist tief und ich denke, dass diese Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen.
Auch unsere körperliche Intimität empfinde ich als lebendig und erfüllend. Wir sind neugierig, probieren gemeinsam Neues aus und sprechen offen über unsere jeweiligen Begierden und Fantasien. Ich bemühe mich sehr, auf ihre Wünsche einzugehen, ihr Freude zu bereiten, und habe den Eindruck, dass sie mit unserem gemeinsamen Erleben im Großen und Ganzen erfüllt ist – auch wenn es hier einen Punkt gibt, der uns herausfordert, auf den ich gleich noch zu sprechen komme. Wenn wir uns sehen, haben wir täglich Sex, manchmal auch mehrfach. Für mich sind diese Momente fast immer wunderschön.
Es ist vielleicht wichtig zu erwähnen, dass wir beide Autisten sind. Diese gemeinsame neurologische Besonderheit prägt unsere Wahrnehmung und Interaktion mit der Welt und miteinander auf eine Weise, die uns oft verbindet, manchmal aber auch eigene Herausforderungen mit sich bringt. Zusätzlich lebt sie mit einer Schwerbehinderung.
Gerade weil wir diese Kultur der radikalen Offenheit pflegen, hat sie mir vor einiger Zeit etwas sehr Persönliches und Verletzliches anvertraut: Sie hegt starke sexuelle Fantasien, die andere Männer involvieren, und sie schämt sich sehr dafür. Meine erste Reaktion war, sie zu beruhigen. Ich versicherte ihr, dass solche Fantasien bis zu einem gewissen Grad menschlich und normal sind und dass sie sich dafür absolut nicht schämen müsse. Ich sagte ihr, dass sie mutig sei, dies überhaupt zur Sprache zu bringen, und es berührt mich, dass sie das Vertrauen in mich und unsere Beziehung hatte, dieses "Geständnis" zu wagen, im Wissen, dass ich versuchen würde, verständnisvoll damit umzugehen.
Doch hier beginnt der Teil, der für mich emotional sehr schwierig wird. Ihre Offenbarung blieb nicht bei den Fantasien stehen. Sie gestand mir unter Tränen, dass sie einen tiefen Wunsch verspürt, diese Fantasien auszuleben – Sex mit anderen Männern zu haben. Sie beschrieb die Intensität dieses Wunsches auf einer Skala von 1 bis 10 mit einer 7,5. Das traf mich unerwartet und löste eine Welle widerstreitender Gefühle in mir aus. Nach langen, intensiven Gesprächen, in denen wir beide unsere Perspektiven und Ängste darlegten, konnte ich mich nicht dazu durchringen, dem zuzustimmen. Ich habe ihr versichert, dass ich sie für ihre Bedürfnisse nicht verurteile – sie hat sie sich nicht ausgesucht, sie sind einfach ein Teil von ihr. Gleichzeitig habe ich versucht, ihr zu erklären, warum die Vorstellung einer Öffnung der Beziehung für mich in dieser Form im Moment nicht funktioniert. Ich betonte aber auch, dass dies meine aktuelle Grenze ist und sich meine Gefühle dazu in Zukunft vielleicht ändern könnten.
Meine Bedenken sind vielschichtig. Zum einen spüre ich, dass unsere Beziehung, so stark sie auch ist, vielleicht noch nicht die Stabilität oder Reife für einen solch fundamentalen Schritt hat. Zum anderen fürchte ich eine gefährliche Schieflage, eine Art Ungleichgewicht in Rechten und Pflichten. Die Vorstellung, dass ein Teil der Beziehung sexuelle Erfahrungen außerhalb sammelt, während der andere Teil zurückbleibt, im Ungewissen darüber, was geschieht, und mit Ängsten vor Verlust und Vergleich konfrontiert ist – das erscheint mir wie ein Nährboden für Misstrauen und emotionale Distanz. Ich habe die Befürchtung, dass dies unsere Bindung nachhaltig belasten oder sogar zerstören könnte. Hinzu kommt die ehrliche Unsicherheit, ob und wie ich persönlich damit umgehen kann. Die Angst, aus dem Wunsch heraus, ihr alles zu ermöglichen, zuzustimmen und dann festzustellen, dass ich daran zerbreche, ist lähmend. Es wäre, als würde ich versehentlich den Todesstoß für das geben, was mir am wichtigsten ist.
Sie hat meine Argumente gehört und verstanden, auch wenn sie meine Sichtweise nicht gänzlich teilte. Sie empfand nicht, dass daraus zwangsläufig ein Ungleichgewicht entstehen würde. Dennoch hat sie am Ende akzeptiert, dass meine Gefühle und Ängste für mich real sind und respektiert werden müssen. Als Kompromiss schlug ich vor, dass wir vielleicht gemeinsam eine dritte Person einladen könnten, um neue Erfahrungen zu sammeln. Das lehnte sie jedoch ab; es sei nicht dasselbe und würde ihren spezifischen Wunsch nicht erfüllen. Daraufhin bot sie mir an, dass ich im Gegenzug ebenfalls Sex mit anderen Frauen haben könne. Aber das ist für mich keine Option. Zum einen verspüre ich momentan keinerlei Bedürfnis oder Interesse daran. Zum anderen fällt es mir extrem schwer, überhaupt Kontakte zu knüpfen, geschweige denn intime Begegnungen mit Frauen zu finden. Ich hatte bisher ausschließlich Sex innerhalb fester Beziehungen, und sie ist erst meine dritte Partnerin. Ich habe keinerlei weibliche Bekannte oder Freundinnen, ja, genau genommen habe ich keine soziale Kontakte, weder weibliche noch männliche. Das bedeutet, selbst wenn ich theoretisch das gleiche "Recht" hätte, wäre es für mich praktisch nicht umsetzbar. Selbst wenn ich wollte, wüsste ich nicht, wie ich jemanden finden sollte. Es wäre theoretisch Gleich aber praktisch nie umsetzbar.
Sie hat mir immer wieder versichert, dass sie mich nicht verletzen will und dass ihr unsere Beziehung wichtig ist. Sie würde nichts gegen meinen expliziten Willen tun. Das glaube ich ihr. Und doch quält mich der Gedanke, dass ich ihr Glück und ihre sexuelle Erfüllung möglicherweise einschränke, nur weil ich nicht in der Lage bin, mit dieser Situation umzugehen. Es fühlt sich an, als würde ich ihr etwas vorenthalten, ihr einen Teil ihres Selbst verwehren. Dieser Gedanke ist oft das Letzte, was mir durch den Kopf geht, bevor ich einschlafe, und das Erste, was ich beim Aufwachen im Kopf habe. Ich habe unzählige Stunden damit verbracht, nach Wegen zu suchen, wie es für mich funktionieren könnte, nach Kompromissen oder alternativen Lösungen. Bisher ohne Erfolg. Ich vermute, mein Selbstwertgefühl oder mein "Ego" ist einfach nicht robust genug, um sie in diesem Bereich "teilen" zu können. Die Verlustangst sitzt tief. Es ist die Angst, sie Stück für Stück zu verlieren, nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Es nagt an mir, dass sie unter meinen Komplexen und Ängsten leiden muss.
Vielleicht ist es an dieser Stelle relevant zu erwähnen, dass ich in all meinen vorherigen Beziehungen betrogen wurde. Mehrfach. Ich habe es jedes Mal selbst herausfinden müssen, was tiefe Wunden hinterlassen hat. Diese schmerzhaften Erfahrungen sind natürlich alles andere als hilfreich in der aktuellen Situation. Sie hat dafür viel Verständnis gezeigt und betont, wie anders unsere Beziehung sei. Und das ist sie auch! Dennoch spuken diese alten Geister in meinem Hinterkopf herum. Ich hoffe so inständig, diese Art von Schmerz nie wieder erleben zu müssen. Allein die Angst davor bringt mich manchmal fast dazu, doch noch zuzustimmen – nur um zu verhindern, dass es vielleicht irgendwann heimlich geschieht und ich es wieder auf die harte Tour erfahre. Aber ich muss mir immer wieder sagen: Sie hat mir nie, wirklich nie, den geringsten Anlass für ein solches Misstrauen gegeben. Im Gegenteil, sie hat ihre Vertrauenswürdigkeit immer wieder unter Beweis gestellt.
Ich habe versucht, kreative Wege zu finden, um ihren Bedürfnissen innerhalb unserer Grenzen entgegenzukommen. Wir haben mit Rollenspielen experimentiert, bei denen ich andere Männer verkörperte, oder Szenarien mit verbundenen Augen versucht. Das hat ihr aber leider überhaupt nicht gefallen, es fühlte sich für sie künstlich an. Was hingegen überraschend gut ankam, waren erotische Geschichten, die ich extra für sie geschrieben habe. Geschichten, in denen sie die Protagonistin war und sexuelle Abenteuer mit anderen Männern erlebte – mal freiwillig, mal in Fantasien von Überwältigung. Diese Geschichten haben ihr, wie sie sagte, sehr gefallen und ihr geholfen, einen Teil ihrer Fantasien zumindest mental auszuleben.
Aber jetzt spitzt sich die Situation leider zu. Sie hat vor einiger Zeit online einen Mann kennengelernt. Sie hat mir offenbart, dass sie sich sexuell extrem stark zu ihm hingezogen fühlt. Ich weiß, dass es ihm umgekehrt genauso geht und er immer wieder sehr eindeutige sexuelle Anspielungen macht. Sie sprechen auch offen über Sex im Allgemeinen. Das habe ich bisher akzeptiert, in der Hoffnung, dass sie hier vielleicht einen Teil ihrer Bedürfnisse auf einer harmlosen, virtuellen Ebene ausleben kann.
Ich äußerte den Wuschen, diesen Mann kennenzulernen, um ein Gefühl für ihn zu bekommen. Ich schlug vor, dass wir doch mal ganz ungezwungen zu dritt etwas unternehmen könnten, zum Beispiel online zusammen spielen, da wir beide Gamer sind. Damit wollte ich die Situation etwas entmystifizieren und ihm ein Gesicht geben. Seine Reaktion war jedoch eine klare und direkte Ablehnung. Er habe kein Interesse daran, mich kennenzulernen. Punkt.
Dieses Verhalten fand meine Freundin nicht in Ordnung und hat ihm das auch deutlich gesagt. Trotzdem entstand später der Plan, dass er sie besuchen möchte. Nach inneren Ringen habe ich zugestimmt, allerdings unter klaren Bedingungen: Er sollte sich ein Hotelzimmer in der Stadt nehmen, und wir würden mindestens eine gemeinsame Unternehmung machen. Ich schlug Klettern vor – etwas, das wir beide mögen und von dem ich wusste, dass er es auch mag. Das Hotel war für ihn prinzipiell in Ordnung, aber eine gemeinsame Aktivität mit mir lehnte er weiterhin ab.
Kurz darauf hieß es, ein Hotelzimmer sei ihm doch zu teuer. Die Frage kam auf, ob es für mich okay wäre, wenn er stattdessen bei ihr übernachten würde. Sie lebt in einer Einraumwohnung. Das bedeutet, er würde im selben Zimmer schlafen wie sie, auf einer Isomatte am Boden. Wieder habe ich, mit schwerem Herzen, zugestimmt. Meine Bedingung dafür war jedoch: Sie sollte am Abend vor seiner Ankunft bei mir schlafen, am nächsten Tag wie üblich mit mir zum Sport kommen (es wäre unser fester gemeinsamer Sporttag gewesen), und wir würden nach dem Sport zu dritt essen gehen. Danach könnten sie die restlichen Tage seines Besuchs alleine verbringen. Dieser Kompromiss wurde von allen Seiten akzeptiert. Ich habe ihm sogar noch geholfen, einen sicheren privaten Parkplatz zu organisieren, da er Bedenken wegen seines Autos hatte.
Doch nun der nächste Schritt: Sie teilte mir mit, dass sie es doch nicht schafft, am Abend vorher bei mir zu schlafen. Es wäre ihr zu viel Stress. Auch der gemeinsame Sporttag sei zu anstrengend für sie im Vorfeld seines Besuchs. Ich müsse darauf verzichten. Das gemeinsame Essen bliebe aber bestehen. Es fühlt sich an, als würde ich mich immer weiter öffnen, immer mehr zulassen, meine eigenen Grenzen verschieben, während gleichzeitig die wenigen Dinge, die mir helfen sollten, mit der Situation umzugehen, Stück für Stück wegfallen. Trotzdem habe ich wieder zugestimmt... Ich will nicht, dass sie wegen meiner Ängste und Komplexen unter Stress gerät und der Besuch für sie zur Qual wird. Sie ist in solchen Situationen fragil – zu viel Druck, und sie kippt in eine Paralyse, die tage anhalten kann. Das möchte ich ihr ersparen.
Und dann das: Das mit der Isomatte funktioniere doch nicht so gut, die Details habe ich nicht verstanden. Die Frage war nun, ob er nicht stattdessen mit in ihrem Bett schlafen könne. Ihr Bett ist nicht besonders groß. Ich weiß kaum, was ich dazu noch sagen oder denken soll. Sie hat klar gestellt, egal wie, wo und was, unsere Beziehung steht für sie oben und sie wird auch diesmal meine Grenzen einhalten. Es wird nichts passieren. Sie wünscht es sich, sie wird aber nichts tun was ich nicht zulasse. Es sind aber nicht nur die persönlichen Ängste vor Verlust und Verletzung, sondern auch ganz generelle Sorgen. Die Vorstellung, dass sie mit einem Mann, der für mich ein Fremder ist – aber letztlich auch für sie, sie haben sich ja noch nie persönlich getroffen und kennen sich erst seit vielleicht einem Monat – alleine in ihrer Wohnung ist... Ich habe Angst, dass ihr etwas zustoßen könnte oder dass die Situation eskaliert, dass sie die Kontrolle verliert.
Ich habe keine Freunde, keine engen Bekannten, mit denen ich über solche intimen und komplexen Probleme sprechen könnte. Sie ist normalerweise die Person, an die ich mich mit allem wende. Aber wie soll ich sie noch mehr mit meinen "inneren Dämonen" belasten, wenn sie selbst schon so angespannt ist? Deshalb schreibe ich das hier. Ich weiß nicht genau, was ich mir erhoffe. Vielleicht einen Rat, vielleicht nur das Gefühl, nicht ganz allein damit zu sein. Vielleicht eine Perspektive von außen.
Ich möchte noch einmal betonen: Ich mache ihr keine Vorwürfe. Mein Vertrauen in sie, in ihre Absichten und ihre Liebe zu mir, ist ungebrochen. Aber ich weiß auch, dass Dinge schiefgehen können, selbst mit den besten Intentionen. Und ich frage mich immer wieder: Bin ich wirklich so schwach, so kleinlich, dass ich nicht die Stärke aufbringe, dieser Situation mit Würde und Großzügigkeit zu begegnen? Warum kann ich nicht einfach sagen: "Ich weiß, das ist dir wichtig. Ich weiß, es geht dir vielleicht 'nur' um Sex oder um die Erfüllung eines tiefen Bedürfnisses. Hab deinen Spaß, leb dich aus, ich vertraue dir und warte hier auf dich"? Warum bin ich so von Angst zerfressen? Ich fühle mich jämmerlich und unzulänglich. Selbst jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen, steigen mir die Tränen in die Augen. Es fühlt sich an, als würde ich an meinen eigenen Ängsten scheitern und dabei vielleicht alles aufs Spiel setzen. ich wünschte, ich wäre eine andere Art von Mann. Stärker, selbstbewusster - jemand der ihr die Dinge gönnt, nach denen es ihr verlangt, aufrecht und nicht voller Selbstzweifel und Angst.
Edit: ich habe den Text mehrfach überarbeitet um die Formulierung zu verbessern und Punkte klarer zu machen oder Fehler zu korrigieren.
Ich habe versucht den Text noch mal zu kürzen um die Lesehürde abzubauen und um Wiederholungen zu entfernen.
Nachtrag: Ich stelle nicht die Beziehung in Frage, falls das eventuell so ankam. Ich glaube, ich suche eher nach Möglichkeiten mit der Situation oder mit mir selbst besser umgehen zu können. Ich kann sie nicht ändern und das will ich auch nicht. Ich kann nur daran arbeiten, wie ich damit umgehe und an mir selbst.
es ist mein erster Post hier. Normalerweise schreibe ich und lese ich hier nicht - warum ich aber jetzt doch hier gelandet bin, erkläre ich weiter unten.
ich wende mich heute an euch, weil ich innerlich zerrissen bin und einen Raum brauche, um meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Es geht um die Beziehung zu meiner Gefährtin, die nun seit etwa vier Jahren besteht und mein Leben auf unzählige Arten bereichert hat. Wir leben zwar noch in getrennten Wohnungen hier in derselben Stadt, aber der gemeinsame Wunsch, eines Tages ein gemeinsames Zuhause zu schaffen, gehört fest in unserer Zukunftsplanung.
Aus meiner Sicht haben wir eine Beziehung aufgebaut, die von Tiefe, Reife und Intensität geprägt ist. Wir haben einen Raum geschaffen, in dem wir über buchstäblich alles sprechen können, was uns bewegt. Ich habe keine Geheimnisse vor ihr, und ich spüre ein tiefes Vertrauen, dass auch sie mir gegenüber vollkommen offen ist. Sie hat mir nie den geringsten Anlass gegeben, an ihrer Aufrichtigkeit zu zweifeln. Im Gegenteil: In Momenten, in denen Unsicherheit oder Sorge in mir aufkeimten, hat sich immer wieder gezeigt, dass sie mit Ehrlichkeit und Loyalität an meiner Seite steht, selbst wenn die Umstände schwierig waren. Meine Liebe zu ihr ist tief und ich denke, dass diese Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen.
Auch unsere körperliche Intimität empfinde ich als lebendig und erfüllend. Wir sind neugierig, probieren gemeinsam Neues aus und sprechen offen über unsere jeweiligen Begierden und Fantasien. Ich bemühe mich sehr, auf ihre Wünsche einzugehen, ihr Freude zu bereiten, und habe den Eindruck, dass sie mit unserem gemeinsamen Erleben im Großen und Ganzen erfüllt ist – auch wenn es hier einen Punkt gibt, der uns herausfordert, auf den ich gleich noch zu sprechen komme. Wenn wir uns sehen, haben wir täglich Sex, manchmal auch mehrfach. Für mich sind diese Momente fast immer wunderschön.
Es ist vielleicht wichtig zu erwähnen, dass wir beide Autisten sind. Diese gemeinsame neurologische Besonderheit prägt unsere Wahrnehmung und Interaktion mit der Welt und miteinander auf eine Weise, die uns oft verbindet, manchmal aber auch eigene Herausforderungen mit sich bringt. Zusätzlich lebt sie mit einer Schwerbehinderung.
Gerade weil wir diese Kultur der radikalen Offenheit pflegen, hat sie mir vor einiger Zeit etwas sehr Persönliches und Verletzliches anvertraut: Sie hegt starke sexuelle Fantasien, die andere Männer involvieren, und sie schämt sich sehr dafür. Meine erste Reaktion war, sie zu beruhigen. Ich versicherte ihr, dass solche Fantasien bis zu einem gewissen Grad menschlich und normal sind und dass sie sich dafür absolut nicht schämen müsse. Ich sagte ihr, dass sie mutig sei, dies überhaupt zur Sprache zu bringen, und es berührt mich, dass sie das Vertrauen in mich und unsere Beziehung hatte, dieses "Geständnis" zu wagen, im Wissen, dass ich versuchen würde, verständnisvoll damit umzugehen.
Doch hier beginnt der Teil, der für mich emotional sehr schwierig wird. Ihre Offenbarung blieb nicht bei den Fantasien stehen. Sie gestand mir unter Tränen, dass sie einen tiefen Wunsch verspürt, diese Fantasien auszuleben – Sex mit anderen Männern zu haben. Sie beschrieb die Intensität dieses Wunsches auf einer Skala von 1 bis 10 mit einer 7,5. Das traf mich unerwartet und löste eine Welle widerstreitender Gefühle in mir aus. Nach langen, intensiven Gesprächen, in denen wir beide unsere Perspektiven und Ängste darlegten, konnte ich mich nicht dazu durchringen, dem zuzustimmen. Ich habe ihr versichert, dass ich sie für ihre Bedürfnisse nicht verurteile – sie hat sie sich nicht ausgesucht, sie sind einfach ein Teil von ihr. Gleichzeitig habe ich versucht, ihr zu erklären, warum die Vorstellung einer Öffnung der Beziehung für mich in dieser Form im Moment nicht funktioniert. Ich betonte aber auch, dass dies meine aktuelle Grenze ist und sich meine Gefühle dazu in Zukunft vielleicht ändern könnten.
Meine Bedenken sind vielschichtig. Zum einen spüre ich, dass unsere Beziehung, so stark sie auch ist, vielleicht noch nicht die Stabilität oder Reife für einen solch fundamentalen Schritt hat. Zum anderen fürchte ich eine gefährliche Schieflage, eine Art Ungleichgewicht in Rechten und Pflichten. Die Vorstellung, dass ein Teil der Beziehung sexuelle Erfahrungen außerhalb sammelt, während der andere Teil zurückbleibt, im Ungewissen darüber, was geschieht, und mit Ängsten vor Verlust und Vergleich konfrontiert ist – das erscheint mir wie ein Nährboden für Misstrauen und emotionale Distanz. Ich habe die Befürchtung, dass dies unsere Bindung nachhaltig belasten oder sogar zerstören könnte. Hinzu kommt die ehrliche Unsicherheit, ob und wie ich persönlich damit umgehen kann. Die Angst, aus dem Wunsch heraus, ihr alles zu ermöglichen, zuzustimmen und dann festzustellen, dass ich daran zerbreche, ist lähmend. Es wäre, als würde ich versehentlich den Todesstoß für das geben, was mir am wichtigsten ist.
Sie hat meine Argumente gehört und verstanden, auch wenn sie meine Sichtweise nicht gänzlich teilte. Sie empfand nicht, dass daraus zwangsläufig ein Ungleichgewicht entstehen würde. Dennoch hat sie am Ende akzeptiert, dass meine Gefühle und Ängste für mich real sind und respektiert werden müssen. Als Kompromiss schlug ich vor, dass wir vielleicht gemeinsam eine dritte Person einladen könnten, um neue Erfahrungen zu sammeln. Das lehnte sie jedoch ab; es sei nicht dasselbe und würde ihren spezifischen Wunsch nicht erfüllen. Daraufhin bot sie mir an, dass ich im Gegenzug ebenfalls Sex mit anderen Frauen haben könne. Aber das ist für mich keine Option. Zum einen verspüre ich momentan keinerlei Bedürfnis oder Interesse daran. Zum anderen fällt es mir extrem schwer, überhaupt Kontakte zu knüpfen, geschweige denn intime Begegnungen mit Frauen zu finden. Ich hatte bisher ausschließlich Sex innerhalb fester Beziehungen, und sie ist erst meine dritte Partnerin. Ich habe keinerlei weibliche Bekannte oder Freundinnen, ja, genau genommen habe ich keine soziale Kontakte, weder weibliche noch männliche. Das bedeutet, selbst wenn ich theoretisch das gleiche "Recht" hätte, wäre es für mich praktisch nicht umsetzbar. Selbst wenn ich wollte, wüsste ich nicht, wie ich jemanden finden sollte. Es wäre theoretisch Gleich aber praktisch nie umsetzbar.
Sie hat mir immer wieder versichert, dass sie mich nicht verletzen will und dass ihr unsere Beziehung wichtig ist. Sie würde nichts gegen meinen expliziten Willen tun. Das glaube ich ihr. Und doch quält mich der Gedanke, dass ich ihr Glück und ihre sexuelle Erfüllung möglicherweise einschränke, nur weil ich nicht in der Lage bin, mit dieser Situation umzugehen. Es fühlt sich an, als würde ich ihr etwas vorenthalten, ihr einen Teil ihres Selbst verwehren. Dieser Gedanke ist oft das Letzte, was mir durch den Kopf geht, bevor ich einschlafe, und das Erste, was ich beim Aufwachen im Kopf habe. Ich habe unzählige Stunden damit verbracht, nach Wegen zu suchen, wie es für mich funktionieren könnte, nach Kompromissen oder alternativen Lösungen. Bisher ohne Erfolg. Ich vermute, mein Selbstwertgefühl oder mein "Ego" ist einfach nicht robust genug, um sie in diesem Bereich "teilen" zu können. Die Verlustangst sitzt tief. Es ist die Angst, sie Stück für Stück zu verlieren, nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Es nagt an mir, dass sie unter meinen Komplexen und Ängsten leiden muss.
Vielleicht ist es an dieser Stelle relevant zu erwähnen, dass ich in all meinen vorherigen Beziehungen betrogen wurde. Mehrfach. Ich habe es jedes Mal selbst herausfinden müssen, was tiefe Wunden hinterlassen hat. Diese schmerzhaften Erfahrungen sind natürlich alles andere als hilfreich in der aktuellen Situation. Sie hat dafür viel Verständnis gezeigt und betont, wie anders unsere Beziehung sei. Und das ist sie auch! Dennoch spuken diese alten Geister in meinem Hinterkopf herum. Ich hoffe so inständig, diese Art von Schmerz nie wieder erleben zu müssen. Allein die Angst davor bringt mich manchmal fast dazu, doch noch zuzustimmen – nur um zu verhindern, dass es vielleicht irgendwann heimlich geschieht und ich es wieder auf die harte Tour erfahre. Aber ich muss mir immer wieder sagen: Sie hat mir nie, wirklich nie, den geringsten Anlass für ein solches Misstrauen gegeben. Im Gegenteil, sie hat ihre Vertrauenswürdigkeit immer wieder unter Beweis gestellt.
Ich habe versucht, kreative Wege zu finden, um ihren Bedürfnissen innerhalb unserer Grenzen entgegenzukommen. Wir haben mit Rollenspielen experimentiert, bei denen ich andere Männer verkörperte, oder Szenarien mit verbundenen Augen versucht. Das hat ihr aber leider überhaupt nicht gefallen, es fühlte sich für sie künstlich an. Was hingegen überraschend gut ankam, waren erotische Geschichten, die ich extra für sie geschrieben habe. Geschichten, in denen sie die Protagonistin war und sexuelle Abenteuer mit anderen Männern erlebte – mal freiwillig, mal in Fantasien von Überwältigung. Diese Geschichten haben ihr, wie sie sagte, sehr gefallen und ihr geholfen, einen Teil ihrer Fantasien zumindest mental auszuleben.
Aber jetzt spitzt sich die Situation leider zu. Sie hat vor einiger Zeit online einen Mann kennengelernt. Sie hat mir offenbart, dass sie sich sexuell extrem stark zu ihm hingezogen fühlt. Ich weiß, dass es ihm umgekehrt genauso geht und er immer wieder sehr eindeutige sexuelle Anspielungen macht. Sie sprechen auch offen über Sex im Allgemeinen. Das habe ich bisher akzeptiert, in der Hoffnung, dass sie hier vielleicht einen Teil ihrer Bedürfnisse auf einer harmlosen, virtuellen Ebene ausleben kann.
Ich äußerte den Wuschen, diesen Mann kennenzulernen, um ein Gefühl für ihn zu bekommen. Ich schlug vor, dass wir doch mal ganz ungezwungen zu dritt etwas unternehmen könnten, zum Beispiel online zusammen spielen, da wir beide Gamer sind. Damit wollte ich die Situation etwas entmystifizieren und ihm ein Gesicht geben. Seine Reaktion war jedoch eine klare und direkte Ablehnung. Er habe kein Interesse daran, mich kennenzulernen. Punkt.
Dieses Verhalten fand meine Freundin nicht in Ordnung und hat ihm das auch deutlich gesagt. Trotzdem entstand später der Plan, dass er sie besuchen möchte. Nach inneren Ringen habe ich zugestimmt, allerdings unter klaren Bedingungen: Er sollte sich ein Hotelzimmer in der Stadt nehmen, und wir würden mindestens eine gemeinsame Unternehmung machen. Ich schlug Klettern vor – etwas, das wir beide mögen und von dem ich wusste, dass er es auch mag. Das Hotel war für ihn prinzipiell in Ordnung, aber eine gemeinsame Aktivität mit mir lehnte er weiterhin ab.
Kurz darauf hieß es, ein Hotelzimmer sei ihm doch zu teuer. Die Frage kam auf, ob es für mich okay wäre, wenn er stattdessen bei ihr übernachten würde. Sie lebt in einer Einraumwohnung. Das bedeutet, er würde im selben Zimmer schlafen wie sie, auf einer Isomatte am Boden. Wieder habe ich, mit schwerem Herzen, zugestimmt. Meine Bedingung dafür war jedoch: Sie sollte am Abend vor seiner Ankunft bei mir schlafen, am nächsten Tag wie üblich mit mir zum Sport kommen (es wäre unser fester gemeinsamer Sporttag gewesen), und wir würden nach dem Sport zu dritt essen gehen. Danach könnten sie die restlichen Tage seines Besuchs alleine verbringen. Dieser Kompromiss wurde von allen Seiten akzeptiert. Ich habe ihm sogar noch geholfen, einen sicheren privaten Parkplatz zu organisieren, da er Bedenken wegen seines Autos hatte.
Doch nun der nächste Schritt: Sie teilte mir mit, dass sie es doch nicht schafft, am Abend vorher bei mir zu schlafen. Es wäre ihr zu viel Stress. Auch der gemeinsame Sporttag sei zu anstrengend für sie im Vorfeld seines Besuchs. Ich müsse darauf verzichten. Das gemeinsame Essen bliebe aber bestehen. Es fühlt sich an, als würde ich mich immer weiter öffnen, immer mehr zulassen, meine eigenen Grenzen verschieben, während gleichzeitig die wenigen Dinge, die mir helfen sollten, mit der Situation umzugehen, Stück für Stück wegfallen. Trotzdem habe ich wieder zugestimmt... Ich will nicht, dass sie wegen meiner Ängste und Komplexen unter Stress gerät und der Besuch für sie zur Qual wird. Sie ist in solchen Situationen fragil – zu viel Druck, und sie kippt in eine Paralyse, die tage anhalten kann. Das möchte ich ihr ersparen.
Und dann das: Das mit der Isomatte funktioniere doch nicht so gut, die Details habe ich nicht verstanden. Die Frage war nun, ob er nicht stattdessen mit in ihrem Bett schlafen könne. Ihr Bett ist nicht besonders groß. Ich weiß kaum, was ich dazu noch sagen oder denken soll. Sie hat klar gestellt, egal wie, wo und was, unsere Beziehung steht für sie oben und sie wird auch diesmal meine Grenzen einhalten. Es wird nichts passieren. Sie wünscht es sich, sie wird aber nichts tun was ich nicht zulasse. Es sind aber nicht nur die persönlichen Ängste vor Verlust und Verletzung, sondern auch ganz generelle Sorgen. Die Vorstellung, dass sie mit einem Mann, der für mich ein Fremder ist – aber letztlich auch für sie, sie haben sich ja noch nie persönlich getroffen und kennen sich erst seit vielleicht einem Monat – alleine in ihrer Wohnung ist... Ich habe Angst, dass ihr etwas zustoßen könnte oder dass die Situation eskaliert, dass sie die Kontrolle verliert.
Ich habe keine Freunde, keine engen Bekannten, mit denen ich über solche intimen und komplexen Probleme sprechen könnte. Sie ist normalerweise die Person, an die ich mich mit allem wende. Aber wie soll ich sie noch mehr mit meinen "inneren Dämonen" belasten, wenn sie selbst schon so angespannt ist? Deshalb schreibe ich das hier. Ich weiß nicht genau, was ich mir erhoffe. Vielleicht einen Rat, vielleicht nur das Gefühl, nicht ganz allein damit zu sein. Vielleicht eine Perspektive von außen.
Ich möchte noch einmal betonen: Ich mache ihr keine Vorwürfe. Mein Vertrauen in sie, in ihre Absichten und ihre Liebe zu mir, ist ungebrochen. Aber ich weiß auch, dass Dinge schiefgehen können, selbst mit den besten Intentionen. Und ich frage mich immer wieder: Bin ich wirklich so schwach, so kleinlich, dass ich nicht die Stärke aufbringe, dieser Situation mit Würde und Großzügigkeit zu begegnen? Warum kann ich nicht einfach sagen: "Ich weiß, das ist dir wichtig. Ich weiß, es geht dir vielleicht 'nur' um Sex oder um die Erfüllung eines tiefen Bedürfnisses. Hab deinen Spaß, leb dich aus, ich vertraue dir und warte hier auf dich"? Warum bin ich so von Angst zerfressen? Ich fühle mich jämmerlich und unzulänglich. Selbst jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen, steigen mir die Tränen in die Augen. Es fühlt sich an, als würde ich an meinen eigenen Ängsten scheitern und dabei vielleicht alles aufs Spiel setzen. ich wünschte, ich wäre eine andere Art von Mann. Stärker, selbstbewusster - jemand der ihr die Dinge gönnt, nach denen es ihr verlangt, aufrecht und nicht voller Selbstzweifel und Angst.
Edit: ich habe den Text mehrfach überarbeitet um die Formulierung zu verbessern und Punkte klarer zu machen oder Fehler zu korrigieren.
Ich habe versucht den Text noch mal zu kürzen um die Lesehürde abzubauen und um Wiederholungen zu entfernen.
Nachtrag: Ich stelle nicht die Beziehung in Frage, falls das eventuell so ankam. Ich glaube, ich suche eher nach Möglichkeiten mit der Situation oder mit mir selbst besser umgehen zu können. Ich kann sie nicht ändern und das will ich auch nicht. Ich kann nur daran arbeiten, wie ich damit umgehe und an mir selbst.
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