Super tolles Match, aber psych. Erkrankungen zwangen uns in die Knie

K
Benutzer196691  (26) Öfter im Forum
  • #1
Ich (24m) war mit meiner Ex-Partnerin (31f) 10 Monate lang bis vor paar Tagen zusammen.
Sie war meine erste Beziehung (& die erste Person, mit der ich jemals gekuschelt habe) und ich war ihre zweite Beziehung, Wir haben auch zusammen unsere Sexualität entdeckt, weil wir beide davor noch nie wirklich Sex hatten.

Das Bittere, um was ich gerade sehr stark heule ist: wir passen so perfekt zusammen, was unsere Werte, Prinzipien und Interessen angeht. Wir denken beide ähnlich stark über die Natur, über Tiere, über gesellschaftspolitische Themen und unsere Berufswege. Und selbst bei Hobbies, die wir nicht teilen (z. B. singt sie gerne oder ich geh gern klettern), nehmen wir gerne hin und wieder Anteil an der Freude des jeweils anderen daran.
Wir haben auch oft über eine gemeinsame Zukunft fantasiert: wir würden beide gerne kinderlos in einem Haus mit Tieren wohnen.
Wir haben auch mal übers Heiraten gesprochen.

Das Problem: unsere Psychen = Kindheitstraumata und Verhaltensweisen. Wir sind beide in Psychotherapie, aber Veränderungen hatten sich nicht schnell genug ergeben und unsere Verhaltensweisen triggern & verletzen den jeweils anderen. Bei uns beiden stehen Borderline-Persönlichkeitstendenzen im Raum (laut Therapeut:innen).

Was tun? Aktuell haben wir absolute Kontaktpause. Ich tue mir gerade schwer, mich damit abzufinden, sie gehen zu lassen, obwohl wir inhaltlich und von der Liebe so gut zusammenpassen, aber halt nicht psychisch-verhaltensmäßig.

Unsere Psychen in kurz: ich habe einen anxious attachment style, d.h. in groben Zügen, dass ich mir ihrer Bindung zu mir nie ganz sicher war, ich konstant von Reassurances ("ich liebe dich", "ich mag dich, auch wenn wir uns heute mal nicht sehen") abhängig war.
Ich kann starke negative Emotionen (Angst, Trauer, Wut, Einsamkeit) nur mit anderen co-regulieren, weil meine Fähigkeit zur Selbst-Regulation (Selbstbeschäftigung, mal einen Tag Alleinsein) schlecht ausgeprägt ist. Ich habe mich sehr stark an sie gebunden in einem ungesunden Ausmaß hin zur Co-Abhängigkeit. Ich habe einige tiefe Freundschaften und komme mit Menschen generell sehr gut klar.

Sie ist gegenteilig: sie hat einen avoidant attachment style, d.h. u.a. dass sie über-unabhängig ("hyper independence") ist, Konflikte vermeidet und lieber zwischenmenschliche Beziehungen gnadenlos abbricht, als das Risiko einzugehen verletzt zu werden. Sie unterdrückt verletzliche Emotionen (Trauer; Angst; Unsicherheit; Gefühle des Abgelehntwerdens) und vermeidet es sich zu öffnen. Daraus und aus wahnsinniger Anspannung (die mit Borderline einhergeht) ergibt sich, dass sie sehr oft versucht hat "im Affekt wegzulaufen". Sie hat schon mehr als 10 Mal sich getrennt oder die Trennung angedroht, teils aus super banalen Anlässen. Hier drei Beispiele: ich habe mal gesagt, dass ich nicht so auf Shopping stehe (war tatsächlich nur meines Tagesform, ich mag das...), dass ich mal 4 Tage alleine wo hin fahren möchte oder dass ich ihr bei einem Alltagskistentransport einmalig nicht sofort helfen konnte (weil keine Zeit).
Sie kann starke negative Emotionen nur alleine selbst-regulieren, weil ihre Fähigkeit zur Co-Regulation schlecht ausgeprägt ist. Sie hat sich sehr stark an mich gebunden, auch hin bis zur Co-Abhängigkeit. Außerdem betrieb sie exzessives People-Pleasing und hat regelmäßig ihre Grenzen nicht kommuniziert. Sie hat keine Freundschaften und stößt Menschen immer weg von sich.

Unsere Beziehungskonflikte in kurz: Unsere Beziehung war gekennzeichnet von einem Nähe-Distanz-Zick-Zack. Wir haben unglaublich nahe und intensive intime Momente erlebt. Momente, bei denen die Welt stillstand und wir in so inniger Einheit waren 💓 Und dann gab es Nachmittage, an denen innerhalb von 4 Stunden wir 4 Mal bei Trennung und dann wieder bei Umarmung und Heulen waren. Sie ist unfähig, beständige Liebe & emotionale Nähe zu geben und entzieht diese je nach Laune.

Wir haben uns immer gegenseitig weh getan. Zum Beispiel ging sie sie bei den kleinsten Dissonanzen (z.B. bei Politik-Konversationen -- und das sind wahrlich nur Details, unsere polit. Strömungen sind identisch) auf harten Abstand, in einen Debatten-Modus ("wir debattieren gegeneinander; ich muss das Argument jetzt gewinnen"), in einen Verteidigungs-Modus, entzog mir Nähe (körperlich als auch emotional), sagte spätere Treffen ab (z. B. wenn die Politik-Konversation via Chat war), weil sie sich entfremdet gefühlt habe, oder wollte das Treffen beenden, wenn wir uns schon persönlich gesehen hatten.
Ganz ganz oft habe ich mich von ihr verletzt gefühlt, weil sie Handlungen freiwillig mitgemacht hat und im Nachhinein kommuniziert hat, dass sie gar nicht wollte (people pleasing, fawning). So hatte wir wochenlang Treffen, die für sie zu lang waren, oder so hat sie wochenlang Konsens zu Sex gefaked (mir vorgetäuscht, sie hätte Lust), 9 Monate lang nicht gesagt, dass ihr eine gewisse Sexpraktik missfällt und viele weitere Geschichten. (Kein Wunder, dass nachdem ich tabula rasa gemacht habe und nur noch authentischen Sex gefordert hatte, sie danach ihren ersten Orgasmus des Lebens bekam :smile:)

All dies hat heftige Anxiety in mir getriggert. Ich konnte mir ihrer nie sicher sein: ob das Treffen (Kuscheln, Sex) gerade auch von ihr gewollt ist. Und so habe ich immer heftiger meine Anxiety ausgelebt, sie ständig um Reassurance gebeten, ihr People Pleasing immer heftiger kritisiert. Ich hatte oft in Konflikten Angst, dass sie sich trennt. Das Ende eines Treffens hat mir immer Probleme bereitet, insb. wenn sie ohne Umarmung in Wut gehen wollte. In manchen Monaten hatte ich immer geweint, als sie gegangen ist, und immer inständig um ein nächstes Treffen am nächsten Tag gebeten. Und damit kam sie nicht klar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eireland
Benutzer63776  Beiträge füllen Bücher
  • #2
Wenn man innerhalb von 4 Stunden viermal vor der Trennung steht ist das alles andere als ein perfektes Match. Es liegt m. E. weniger an den vielen gemeinsamen Interessen oder der gemeinsamen Ansichten. Der prägendste Grund dürfte hier die mögliche Borderlinestörung sein.
Wurde diese denn diagnostiziert oder ist es nur eine Vermutung?
 
ugga
Benutzer172492  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #3
Ich glaube ihr beide habt therapeutisch noch Einiges vor euch und solltet so lange erstmal Single sein.
So oder so ist es für dich keine schlaue Idee, dir ein Gegenüber zu suchen, welches deine Ängste verstärkt.
 
O
Benutzer192997  (44) Öfter im Forum
  • #4
Das klingt von mir jetzt vielleicht echt blöd und naiv, aber gibt es hier vielleicht die Möglichkeit, dass ein Therapeut sich euch beide auch als Paar zusammen da durch hilft? Vielleicht, kann euch da jemand helfen, eure Kommunikation miteinander und das Verständnis für einander zu verbessern, damit ihr euch nicht versehentlich gegenseitig so oft triggert und es mit der Zeit besser in den Griff bekommt.

Meine mangelnde Erfahrung mit dieser Thematik und die unbeholfene Frage meinerseits ist da für dich vielleicht auch frustrierend, daher entschuldige ich mich schon mal.
 
K
Benutzer196691  (26) Öfter im Forum
  • Themenstarter
  • #5
Der prägendste Grund dürfte hier die mögliche Borderlinestörung sein.
Wurde diese denn diagnostiziert oder ist es nur eine Vermutung?
Mein Therapeut hat es bei mir offiziell diagnostiziert. Ihre Therapeutin hat es mal betont in den Raum gestellt, wobei mein Therapeut davon ausgeht (soweit er vorsichtig fremdiagnostizieren kann), dass sie es hat.
Allerdings ist mein Borderline wahnsinnig anders als ihrs: meins wird immer dann stark getriggert, wenn sie dieses Nähe-Distanz-Zickzack-Spiel mit mir spielt.

Ich komme mit anderen Menschen recht gut klar, habe viele engere Bekannschaften und auch paar enge Freundschaften. Und bei Konflikten in diesen zwischenmenschlichen Beziehungen bin ich bisher nur ganz selten weggelaufen und das war dann bei stärkeren Grenzüberschreitungen.


Das klingt von mir jetzt vielleicht echt blöd und naiv, aber gibt es hier vielleicht die Möglichkeit, dass ein Therapeut sich euch beide auch als Paar zusammen da durch hilft? Vielleicht, kann euch da jemand helfen, eure Kommunikation miteinander und das Verständnis für einander zu verbessern, damit ihr euch nicht versehentlich gegenseitig so oft triggert und es mit der Zeit besser in den Griff bekommt.
Ich war schon mal als Gast bei ihrer Therapeutin und sie als Gästin bei meinem Therapeuten.
Das hat nur begrenzt bis gar nichts gebracht.

Wie meine Ex-Partnerin sehr schön mal zusammenfasste: "In Hochspannung werfen wir beide so ziemlich alle Beschlüsse, Übereinkünfte und Grenzen, die wir haben, über Bord." Hochspannung ist hier ein Begriff aus der Borderlinewelt: es beschreibt den Zustand der Überflutung mit Emotionen, der Unfähigkeit, rational zu denken, und eines Notfall-Gefühls, unbedingt handeln zu müssen. (Ihre präferierte Handlung ist dann meist Trennung. Meine präferierte Handlung ist verängstigte Kommunikation -- anstand abzuwarten und Emotionen abkühlen zu lassen.)

Aber ihr Anteil an Beziehungskonflikten ergibt sich aus mehr als nur Borderline. Ich habe Monate gebraucht ihr klarzumachen, dass Bedürfnisse zu kommunizieren ein Muss in einer Beziehung ist. Sie war Monate lang der Ansicht, dass ich ihre Bedürfnisse erraten müsse. (Tieferliegender Grund: sie fühlt Scham- und Schuldgefühle, wenn sie ihre Bedürfnisse kommuniziert. Daher hat sie die Verantwortung monatelang auf mich abgewälzt.)
Sie hat mir auch wochenlang vorgeworfen, dass ich nicht erraten konnte, wann sie wünscht, dass ein Treffen zeitlich endet, weil sie müde ist o.Ä.
 
K
Benutzer196691  (26) Öfter im Forum
  • Themenstarter
  • #6
Ich glaube ihr beide habt therapeutisch noch Einiges vor euch und solltet so lange erstmal Single sein.
Leider ironisch, nachdem was ein Tag vor der Trennung passiert ist:
  • Samstag frühe Morgenstunden: sie legt 2 Datingprofile (f sucht f) an
  • Samstag mittag: wir reden über unsere Konflikte und was wir besser machen können (durchaus konstruktiv)
  • Samstag nachmittag 1: sie weint, weil sie Angst hat, dass ich mich bald trennen werde (habe ihr versichert, dass wir echt nochmal reden können und Lösungen finden können)
  • Samstag nachmittag 2: wir haben Sex
  • Samstag Mitternacht: sie erzählt mir erst jetzt, dass sie 2 Datingprofile noch vor dem Sex angelegt hatte und dass der Beweggrund der Datingprofile folgender sei: sie hoffe, dass Frauen mehr Verständnis für ihre Verhaltensmuster habe oder dieselben toxischen Verhaltensmuster habe und sie habe sich erhofft, mit dem Dating anfangen zu können, um erst dann unsere Beziehung auslaufen zu lassen -- sodass sie quasi nie als Single dasteht.
Wir hatten zwar schon mal über Polyamorie gesprochen, sind aber größtenteils bei Monogamie als Konsens verblieben.
Ob Poly oder nicht: der Gedanke, sich zuerst neues Land zu verschaffen & mich dann abzuservieren, ist echt mies.

Mein Therapeut hat mal ein Buch über Borderline vorgeschlagen. Der Titel ist: "Ich hasse dich, bitte verlass mich nicht." Treffender könnte der Titel nicht sein.

PS: Mein Textanteil ist recht hoch in diesem Thread. Entschuldigt. Ich lasse erstmal Euch wieder antworten :smile:
 
O
Benutzer192997  (44) Öfter im Forum
  • #7
Hochspannung ist hier ein Begriff aus der Borderlinewelt: es beschreibt den Zustand der Überflutung mit Emotionen, der Unfähigkeit, rational zu denken, und eines Notfall-Gefühls, unbedingt handeln zu müssen.
Vielen Dank für die Erklärung. Ich kannte zwar Menschen mit Borerline persönlich, jedoch konnte es mir leider nie jemand so erklären, dass ich es auch verstand.

Wenn ich es richtig verstehe, dann ist es, als würde man fast in diesem Meer aus Emotionen ertrinken und greift instinktiv panisch nach dem einzigen Strohalm, von dem man weiß, dass er einem daraus hilft. Richtig?
 
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