
Benutzer120069 (44)
Benutzer gesperrt
- #1
Hallo,
ich habe mich mit unreifem und naiven Verhalten wieder in Schwierigkeiten gebracht!
Seit letzter Woche mache ich ein Praktikum in einem Altenheim.
Bei Zufriedenheit von Seiten des Arbeitgebers hätte mich ab August ein Jahresvertrag erwartet.
Ich arbeite in der Tagespflege. Das heißt, ich bereite das Frühstück zu, serviere das Mittagessen, erledige die anfallenden Arbeiten in der Küche und helfe bei der Betreuung der alten Menschen.
In dem Bereich, wo ich eingesetzt bin, sind überwiegend Demzenkranke. Das bedeutet, man kann sich mit fast keinem mehr unterhalten, weil sie bis auf drei Personen schon sehr verwirrt sind.
Wir machen dann Gymnastik, lesen aus der Zeitung vor, gehen spazieren, etc.
Es war so, dass ich gleich am ersten Tag eine innigere Beziehung zu einem 85-jährigen Herrn aufbaute.
Mir gefiel seine aufgeschlossene und nette Art. Damit hat er mich als schüchternen Menschen gleich aus der Reserve gelockt.
Ich habe mich viel mit ihm unterhalten und fand heraus, dass er trotz beginnender Demenz immer noch ein ganz toller und gebildeter Mensch ist.
Ja, ich gebe es zu, ich habe ihn in mein Herz geschlossen.
Vielleicht klingt das jetzt für euch schon ungewöhnlich?
Ich muss dazu sagen, dass er mir auch von Anfang an so leid tat.
Er hat nur noch ein Bein und ich hatte gleich ein unglaubliches Mitgefühl!
Seit vorletzten Freitag hatte ich eine noch engere Bindung zu ihm.
Ich ging mit einer Gruppe von Leuten und einer Pflegerin spazieren. Sie stellte den Rollstuhl dieses Mannes ab, um einer Frau behilflich zu sein. Vergaß die Bremse anzuziehen, so dass der Rollstuhl schon gefährlich auf die Straße zurollte.
Ich konnte ihn gerade noch erwischen bevor er über die Bordsteinkante kippte. Es war der totale Schreck für mich, während er sich nichts anmerken ließ.
Ich habe mich den Tag über zusammengerissen, aber abends zu Hause habe ich nur noch geweint. Ich hatte immer wieder das Bild vor Augen, dass er fast auf die Straße gestürzt wäre und wie es hätte ausgehen können...
Es war schrecklich für mich, weil ich ihn eben so mochte und voller Mitgefühl war.
Ich war auch traurig, als ich hörte, dass seine Familie auf einen Platz im Altenheim wartet. Ich weiß, dass so ein Mensch sehr anstrengend sein kann, aber es tat mir leid für ihn!
Ich wurde schon seitens der Pflegerinnen ermahnt, mich weniger mit ihm zu beschäftigen. Ich habe es versucht, aber es zog mich immer wieder zu ihm.
Ich bemerkte, dass die anderen schon anfingen zu murren, aber ich sah darin nichts böses.
Ehrlich gesagt, habe ich mir NICHTS im Umgang mit diesem lieben Kerl gedacht. Als eine Pflegerin ihm sagte, er solle nicht mit mir flirten, war er empört und wies auf sein Alter hin.
Für mich war das ein Zeichen, dass es für ihn auch nichts bedeutete und er sich nur ein wenig an meiner Aufmerksamkeit erfreute.
Dachte mir auch nichts dabei, dass er charmant war und mich "mein Schatz" nannte, denn so sprach er auch die Pflegerinnen an und war auch zu den Frauen aus der Gruppe immer zuvorkommend.
Fand auch nett, dass er so oft von seiner Frau sprach.
Ich lernte auch seinen Sohn kenneng, der ihn nachmittags immer abholte.
Für mich war also alles ein netter Umgang.
Zu Beginn dieser Woche hat man mir dann sehr deutlich gemacht, dass mein Umgang mit ihm auf keinen Fall harmlos und angemessen war!
Sein Sohn hat sich beschwert, dass sein Vater sich in der kurzen Zeit verändert habe. Er sei nicht mehr so nett zu seiner Frau, weil er jetzt mich als seine Favoritin ansehen würde.
Ab nächster Woche wird er nur noch einmal wöchentlich zur Tagespflege kommen.
Auch ein noch halbwegs geistig fitter Mann aus der Gruppe beschwerte sich heute. Nach dem Motto: bisher sei man ja mit dem Personal zufrieden gewesen, aber so etwas ginge gar nicht.
Die Pflegerin verteidigte mich noch ein bisschen. Dass eben mein "Verehrer" froh gewesen sei, eine Vertraute und Freundin in der Gruppe zu haben.
Klar, denn die anderen haben ja trotz Demenz sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er höchst unerwünscht war!
Am Donnerstag hatte ich ein Gepräch mit einer Pflegerin. Sie fragte mich, was mich eigentlich bewogen hat, diesen Menschen derart zu bevorzugen.
Ich antwortete, dass es meine übergroße Empathie war und weil er gleich so kontaktfreudig auf mich introvertierte Person zugegangen war.
Sie meinte, dass ihr aufgefallen sei, dass wir einander vom ersten Tag an angezogen hätten wie Magneten. Was mir natürlich peinlich war angesichts der Tatsache, dass er ein Greis ist!
Gestern war unser letzter gemeinsamer Tag und es war ganz schrecklich für mich! Die ganze Zeit war mir bewusst, dass der Abschied für immer näher rückte.
Wir haben heute während der Mittagsruhe über eine Stunde in Ruhe reden können.
Es war so schlimm, als er mir mehrere Male sagte, dass er mich liebe. Sollte ich antworten, dass ich ihn nicht liebe, ihn aber sehr gern habe?
Ich sagte darauf nur, er solle an seine Frau denken. Seine Antwort war, dass es ihm schwer fallen würde es seiner Frau zu sagen, aber vielleicht sei es ihr auch egal.
Er dachte schon über die Zukunft nach. Wir er mit mir umgehen würde, wenn wir mal streiten. Was er tun würde, wenn er mich mit einem anderen Mann sehen würde.
Mir blieb nichts anderes übrig ihm gut zuzureden, dass er doch sicher glücklich mit seiner Frau sei.
Als wir später im Garten mit der ganzen Gruppe zusammensaßen, war er wieder nur auf mich fixiert und hörte den anderen nicht zu. Ich konnte ihn nicht zurechtweisen, denn es waren doch unsere letzten gemeinsamen Momente.
Ich musste die ganze Zeit krampfhaft die Tränen unterdrücken, vor allem, als er noch wehmütig begann vom Krieg und Verlust seines Beins zu reden.
Als er von seiner Frau abgeholt wurde, habe ich mich in die hinterste Ecke des Raums verzogen. Ich winkte von weitem und rief nur "tschüss". Er winkte mich noch mal zu sich ran, während seine Frau mir giftige Blicke zuwarf. Dann forderte er mich auf mich noch mal rumzudrehen. Er wollte sehen, ob mein T-Shirt von hinten glatt gezogen sei. Ich drückte kurz seine Hand und ging schnell weg.
Zum Glück konnte ich das Heulen unterdrücken bis ich zu Hause war.
Mein Praktikum endet im Laufe der kommenden Woche. Den Job kann ich wohl vergessen.
Ich bin mir im nachhinein bewusst, dass ich mich absolut unangemessen und unprofessionell verhalten habe. Mir war aber zu keiner Zeit vorher bewusst, dass ich zu dem Mann eine Art Ersatzbindung aufbaute. Ich dachte in keinem Moment über seine Angehörigen nach.
Meine Geschichte mag ungewöhnlich klingen, ist aber auf jeden Fall wahr.
Es ist einfach so, dass man selten so einem tollen und charismatischen Menschen begegnet.
Ich werde ihn nicht vergessen, wobei mir schmerzlich bewusst ist, dass er mich schon längst vergessen hat.
Ich hoffe, er wird noch eine Weile leben und dass es ihm gut gehen wird.
LG
Stormy
ich habe mich mit unreifem und naiven Verhalten wieder in Schwierigkeiten gebracht!
Seit letzter Woche mache ich ein Praktikum in einem Altenheim.
Bei Zufriedenheit von Seiten des Arbeitgebers hätte mich ab August ein Jahresvertrag erwartet.
Ich arbeite in der Tagespflege. Das heißt, ich bereite das Frühstück zu, serviere das Mittagessen, erledige die anfallenden Arbeiten in der Küche und helfe bei der Betreuung der alten Menschen.
In dem Bereich, wo ich eingesetzt bin, sind überwiegend Demzenkranke. Das bedeutet, man kann sich mit fast keinem mehr unterhalten, weil sie bis auf drei Personen schon sehr verwirrt sind.
Wir machen dann Gymnastik, lesen aus der Zeitung vor, gehen spazieren, etc.
Es war so, dass ich gleich am ersten Tag eine innigere Beziehung zu einem 85-jährigen Herrn aufbaute.
Mir gefiel seine aufgeschlossene und nette Art. Damit hat er mich als schüchternen Menschen gleich aus der Reserve gelockt.
Ich habe mich viel mit ihm unterhalten und fand heraus, dass er trotz beginnender Demenz immer noch ein ganz toller und gebildeter Mensch ist.
Ja, ich gebe es zu, ich habe ihn in mein Herz geschlossen.
Vielleicht klingt das jetzt für euch schon ungewöhnlich?
Ich muss dazu sagen, dass er mir auch von Anfang an so leid tat.
Er hat nur noch ein Bein und ich hatte gleich ein unglaubliches Mitgefühl!
Seit vorletzten Freitag hatte ich eine noch engere Bindung zu ihm.
Ich ging mit einer Gruppe von Leuten und einer Pflegerin spazieren. Sie stellte den Rollstuhl dieses Mannes ab, um einer Frau behilflich zu sein. Vergaß die Bremse anzuziehen, so dass der Rollstuhl schon gefährlich auf die Straße zurollte.
Ich konnte ihn gerade noch erwischen bevor er über die Bordsteinkante kippte. Es war der totale Schreck für mich, während er sich nichts anmerken ließ.
Ich habe mich den Tag über zusammengerissen, aber abends zu Hause habe ich nur noch geweint. Ich hatte immer wieder das Bild vor Augen, dass er fast auf die Straße gestürzt wäre und wie es hätte ausgehen können...
Es war schrecklich für mich, weil ich ihn eben so mochte und voller Mitgefühl war.
Ich war auch traurig, als ich hörte, dass seine Familie auf einen Platz im Altenheim wartet. Ich weiß, dass so ein Mensch sehr anstrengend sein kann, aber es tat mir leid für ihn!
Ich wurde schon seitens der Pflegerinnen ermahnt, mich weniger mit ihm zu beschäftigen. Ich habe es versucht, aber es zog mich immer wieder zu ihm.
Ich bemerkte, dass die anderen schon anfingen zu murren, aber ich sah darin nichts böses.
Ehrlich gesagt, habe ich mir NICHTS im Umgang mit diesem lieben Kerl gedacht. Als eine Pflegerin ihm sagte, er solle nicht mit mir flirten, war er empört und wies auf sein Alter hin.
Für mich war das ein Zeichen, dass es für ihn auch nichts bedeutete und er sich nur ein wenig an meiner Aufmerksamkeit erfreute.
Dachte mir auch nichts dabei, dass er charmant war und mich "mein Schatz" nannte, denn so sprach er auch die Pflegerinnen an und war auch zu den Frauen aus der Gruppe immer zuvorkommend.
Fand auch nett, dass er so oft von seiner Frau sprach.
Ich lernte auch seinen Sohn kenneng, der ihn nachmittags immer abholte.
Für mich war also alles ein netter Umgang.
Zu Beginn dieser Woche hat man mir dann sehr deutlich gemacht, dass mein Umgang mit ihm auf keinen Fall harmlos und angemessen war!
Sein Sohn hat sich beschwert, dass sein Vater sich in der kurzen Zeit verändert habe. Er sei nicht mehr so nett zu seiner Frau, weil er jetzt mich als seine Favoritin ansehen würde.
Ab nächster Woche wird er nur noch einmal wöchentlich zur Tagespflege kommen.
Auch ein noch halbwegs geistig fitter Mann aus der Gruppe beschwerte sich heute. Nach dem Motto: bisher sei man ja mit dem Personal zufrieden gewesen, aber so etwas ginge gar nicht.
Die Pflegerin verteidigte mich noch ein bisschen. Dass eben mein "Verehrer" froh gewesen sei, eine Vertraute und Freundin in der Gruppe zu haben.
Klar, denn die anderen haben ja trotz Demenz sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er höchst unerwünscht war!
Am Donnerstag hatte ich ein Gepräch mit einer Pflegerin. Sie fragte mich, was mich eigentlich bewogen hat, diesen Menschen derart zu bevorzugen.
Ich antwortete, dass es meine übergroße Empathie war und weil er gleich so kontaktfreudig auf mich introvertierte Person zugegangen war.
Sie meinte, dass ihr aufgefallen sei, dass wir einander vom ersten Tag an angezogen hätten wie Magneten. Was mir natürlich peinlich war angesichts der Tatsache, dass er ein Greis ist!
Gestern war unser letzter gemeinsamer Tag und es war ganz schrecklich für mich! Die ganze Zeit war mir bewusst, dass der Abschied für immer näher rückte.
Wir haben heute während der Mittagsruhe über eine Stunde in Ruhe reden können.
Es war so schlimm, als er mir mehrere Male sagte, dass er mich liebe. Sollte ich antworten, dass ich ihn nicht liebe, ihn aber sehr gern habe?
Ich sagte darauf nur, er solle an seine Frau denken. Seine Antwort war, dass es ihm schwer fallen würde es seiner Frau zu sagen, aber vielleicht sei es ihr auch egal.
Er dachte schon über die Zukunft nach. Wir er mit mir umgehen würde, wenn wir mal streiten. Was er tun würde, wenn er mich mit einem anderen Mann sehen würde.
Mir blieb nichts anderes übrig ihm gut zuzureden, dass er doch sicher glücklich mit seiner Frau sei.
Als wir später im Garten mit der ganzen Gruppe zusammensaßen, war er wieder nur auf mich fixiert und hörte den anderen nicht zu. Ich konnte ihn nicht zurechtweisen, denn es waren doch unsere letzten gemeinsamen Momente.
Ich musste die ganze Zeit krampfhaft die Tränen unterdrücken, vor allem, als er noch wehmütig begann vom Krieg und Verlust seines Beins zu reden.
Als er von seiner Frau abgeholt wurde, habe ich mich in die hinterste Ecke des Raums verzogen. Ich winkte von weitem und rief nur "tschüss". Er winkte mich noch mal zu sich ran, während seine Frau mir giftige Blicke zuwarf. Dann forderte er mich auf mich noch mal rumzudrehen. Er wollte sehen, ob mein T-Shirt von hinten glatt gezogen sei. Ich drückte kurz seine Hand und ging schnell weg.
Zum Glück konnte ich das Heulen unterdrücken bis ich zu Hause war.
Mein Praktikum endet im Laufe der kommenden Woche. Den Job kann ich wohl vergessen.
Ich bin mir im nachhinein bewusst, dass ich mich absolut unangemessen und unprofessionell verhalten habe. Mir war aber zu keiner Zeit vorher bewusst, dass ich zu dem Mann eine Art Ersatzbindung aufbaute. Ich dachte in keinem Moment über seine Angehörigen nach.
Meine Geschichte mag ungewöhnlich klingen, ist aber auf jeden Fall wahr.
Es ist einfach so, dass man selten so einem tollen und charismatischen Menschen begegnet.
Ich werde ihn nicht vergessen, wobei mir schmerzlich bewusst ist, dass er mich schon längst vergessen hat.
Ich hoffe, er wird noch eine Weile leben und dass es ihm gut gehen wird.
LG
Stormy
Zuletzt bearbeitet: