Eltern Von Eltern distanzieren

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Benutzer216761  (24) Ist noch neu hier
  • #1
Sorry, dass ich schon wieder ein Thema poste, ich hab sonst nicht wem zu reden und finde den Umgang hier echt gut und hilfreich.

Meine (24M) Kindheit und Jugend war nicht unbedingt das, was man als traumatisch bezeichnen würde. Aber irgendwie sind da Sachen schiefgelaufen, die mich Jahre später noch beeinflussen. Konkret merke ich, dass mir der Umgang mit meinen Eltern nicht gut tut und wenn ich mich scheiße fühle, hat das zu 99% mit denen zu tun.

Meine Eltern haben sich getrennt als ich acht war und ich wurde dann irgendwie hin und her gereicht. Hab erst bei meinem Vater gewohnt und dann bei meiner Mutter und dann wieder bei meinem Vater.
Dass meine Eltern sich getrennt haben, hat mich an sich gar nicht gestört. Mein Problem lag mehr dabei, dass meine Eltern sich komplett geweigert haben, miteinander zu kommunizieren und mein Vater sich auch immer extrem negativ über meine Mutter geäußert hat und sie als "versoffenes Stück Scheiße" und ähnliches bezeichnet hat.
Meine Mutter war über die Jahre hinweg mehrmals in Kliniken, wegen Depressionen und Alkohol.
Mit meinem Vater konnte ich nicht über Probleme mit meiner Mutter reden, weil er das zum Anlass genommen hat, sie fertig zu machen. Und mit meiner Mutter konnte ich nicht über Probleme mit meinem Vater reden, weil sie dann immer angefangen hat zu heulen oder sich betrunken hat.

Meine Eltern sind beide auch total unterschiedlich und ich habe komplett gegensätzliche Signale von denen bekommen.
Meine Mutter hat mir schon irgendwie gezeigt, dass sie mich liebt. Aber sie hat mir keine Grenzen gesetzt und mir keine Sicherheit gegeben. Und mein Vater hat mir stattdessen immer das Gefühl gegeben, dass er mich nicht leiden kann und mit mir was falsch ist und er sich nur aus Verantwortungsgefühl um mich kümmert. Bei ihn wusste dafür wenigstens, dass ich mich auf ihn verlassen kann.

Ich bin nach dem Abi ausgezogen und habe jetzt einen Abschluss und einen Job und bin nicht mehr von meinen Eltern abhängig. Und ich merke irgendwie immer mehr, dass mir der Kontakt mit denen nicht gut tut.

Mir ging es jetzt tagelang echt scheiße, weil ich Stress mit meiner Mutter habe, weil ich mich negativ über eine Entscheidung geäußert habe, die sie getroffen hat. Sie hat mir eine wütende Nachricht geschickt, in der sie meinte, ich habe ihr nicht zu sagen, wie sie ihr Leben lebt und hat mich ignoriert als ich versucht habe, sie anzurufen um das zu klären. Ich bin mir sehr sicher, dass sie wieder trinkt, weil sie sowas nicht schreibt wenn sie nüchtern ist.

D.h. meine Mutter ignoriert mich seit vier Tagen und ich fühle mich scheiße. Und ihre Aussage, ich hätte ihr nicht in ihr Leben reinzureden, hat irgendwie was in mir ausgelöst. Nicht, weil ich das Gefühl habe, ich hätte was falsch gemacht. Sondern weil ich denke, ich sollte überhaupt nicht in dieser Situation sein. Als ihr Sohn sollte es nicht mein Job sein, mir Gedanken machen zu müssen, dass meine Mutter keine verantungslosen Entscheidungen trifft. Ich will das auch nicht mehr.

Und jetzt frage ich mich, ob ich es einfach dabei belassen und mich auch nicht mehr melden sollte. Wahrscheinlich würde es mir dann besser gehen, wenn ich mir den ganzen Stress nicht mehr antun würde. Oder ob das egoistisch, undankbar und übertrieben wäre.
 
axis mundi
Benutzer172636  Planet-Liebe-Team
Moderator
  • #2
Und jetzt frage ich mich, ob ich es einfach dabei belassen und mich auch nicht mehr melden sollte.
Du musst das weder jetzt entscheiden, noch musst du eine Entscheidung auf ewig treffen.
Für den Moment kannst du auch versuchen, den Fokus erstmal auf dich zu lenken. Du hast einige Baustellen, es wäre gut, wenn du ihnen nicht alleine und mit relativ leerem Werkzeugkasten gegenüberstehen müsstest.
Gute Anlaufstellen, um erstmal zu reden und zu sortieren, sind die psycho-sozialen Stellen, die viele Städte anbieten. Im allgemeinen hast du dort erstmal einen Mensch vor dir sitzen, der dir zuhört und sich bemüht, dich und deine Situation zu verstehen. Oftmals kennen diese Menschen auch weitere Einrichtungen und können demnach Orientierung für die nachfolgenden Schritte bieten.
Du musst nicht allein durch diese Situation gehen.

Es ist schön, dass du dich hier im Forum gut aufgenommen fühlst! :smile:
 
housedrache
Benutzer192233  (49) Öfter im Forum
  • #3
Meine Eltern waren (bzw sind) auch alkoholkrank. Mein Vater ist schon vor 30 Jahren gestorben, aber mit meiner Mutter habe ich auch ein extrem schwieriges Verhältnis. Auch ich bin direkt nach dem Abi ausgezogen & habe alles daran gesetzt, in jeder Hinsicht „frei von daheim“ zu werden (auch finanziell). Etwa 1 gutes Jahr oder mehr habe ich jeglichen Kontakt abgebrochen. Mir hat das sehr gut getan und meiner Mutter insofern auch, dass sie kapiert hat, dass ich mich weder schlecht behandeln noch im Suff beschimpfen lasse und dass sie sich „vernünftig“ verhalten muss mir gegenüber, da sie sonst jeglichen Kontakt zu mir verliert. Dasselbe habe ich auch meiner jüngeren Schwester „eingetrichtert“. Ich kann dir bei alkoholkranken Familienmitgliedern die Anonymen Alkoholiker wärmstens empfehlen, dort gibt es auch Gruppen für Betroffene, deren Angehörige Alkoholiker sind. Wir Kinder Alkoholkranker neigen oft zu einer sog. Co - Abhängigkeit, und da kann man gut dran arbeiten, um sich nicht immer die Verhaltensmuster der Angehörigen aufzwingen zu lassen.
 
Bembelschorsch
Benutzer186758  (51) Öfter im Forum
  • #4
Du musst jetzt keine Entscheidung für immer treffen.
So wie du es beschreibst würde ich den Kontakt erstmal so lange einstellen bis du wieder ein Interesse daran hast.
Ich möchte hier das Du ausdrücklich betonen.
Ich habe 2 erwachsene Kinder und da war der Kontakt auch mal für ein Jahr bei einem Weg. Fand ich damals nicht toll, ist aber das Fundament das wir jetzt wieder einen sehr guten und gesunden Kontakt haben.
Das sollten deine Eltern verstehen oder sie lernen es zu verstehen.
Ganz normal
 
H
Benutzer184244  (48) Sorgt für Gesprächsstoff
  • #5
Du bist für Dein Leben verantwortlich, also sollte das Organisieren Deines Lebens und die Pflege Deiner, auch geistigen, Gesundheit an erster Stelle stehen. Deshalb ist es wichtig, dass Du Deine persönlichen Prioritäten erkennst und sie auch im Alltag umsetzt und verteidigst. Punkt.
Deinen Eltern gegenüber würde ich die Tür aber einen Spalt weit offen lassen. In dem Sinne, dass Du klar kommunizierst, mit ihren Entscheidungen nicht immer einverstanden zu sein, aber natürlich bereit bist, bei dringendem Bedarf Hilfe zu leisten.
Das wäre für mich die Verpflichtung als Kind meiner Eltern, wenn es hart auf hart kommt und eigentlich eine emotionale Entfremdung vorliegt. Mehr aber auch nicht, wenn das Elternhaus droht, einen emotional, physisch oder finanziell zu belasten.
 
Allegiance147
Benutzer203000  Öfter im Forum
  • #6
Liest sich wie meine Geschichte. Allerdings war ich schon 16 als sie sich endlich getrennt haben. Es war vorher schon nicht mehr auszuhalten. 🙄
Ich habe schwer mit dem Alkoholismus meiner Mutter zu kämpfen gehabt. Immer habe ich mich verantwortlich gefühlt und geholfen. Sie hat mich beschimpft, gedemütigt und mir den Tod gewünscht. Alles unter Alkoholeinfluss. Trotzdem habe ich tapfer ihre Hand gehalten als sie im Januar 2023 starb.
Ich habe das nicht nur für sie gemacht, sondern für mich. Es war mein Abschluss - dachte ich zumindest. Noch immer kann ich mich nicht entscheiden ob ich wütend auf sie bin, weil sie sich tot gesoffen hat, uns Kinder damit auch krank gemacht hat oder ob ich traurig sein soll, weil sie tot ist.
Ich verstehe wie zerrissen man ist und ich kann dir nicht sagen wie du entscheiden sollst. Aber du sollst wissen - du bist nicht alleine ❤️
Es gibt auch für Angehörige von Alkoholikern Hilfegruppen. Hab das ein paar Mal besucht. Erst danach habe ich verstanden das ich ihr nicht helfen kann, wenn sie sich nicht helfen lassen will. 😞
 
Duracellhäschen
Benutzer211462  (44) Öfter im Forum
  • #7
Meine Eltern waren nicht alkoholkrank aber haben andere Probleme und uns Kinder teilweise gar nicht gut behandelt.
Sie wollten mich zeitlebens in ein Leben pressen, das nicht zu mir passt und mich stark einschränkt.

Du bist deinen Eltern rein gar nichts schuldig! Du hast nicht darum gebeten, in diese Familie geboren zu werden und schon gar nicht, so behandelt zu werden. Eine zu große Loyalität zu den Eltern kann sogar der eigenen Heilung entgegen stehen.

Ich hab den Kontakt zu meinen Eltern über die Jahre fast vollständig abgebrochen und es tut mir unglaublich gut. Wenn deine Eltern dich nicht respektvoll und liebevoll behandeln wie du es schlicht verdient hast, hast du wirklich jedes Recht, Grenzen zu setzen!

Familie ist leider für viele Kinder nicht der sichere Platz, der er sein sollte, sein müsste. Deswegen müssen diese Kinder selber für einen sicheren Raum für sich sorgen. Eltern bringen in so Fällen oftmals dauerhaft Leid rein. Wenn du Kraft dafür hast und das willst, kannst du deinen Eltern Chancen geben, aber moralisch bist du dazu überhaupt nicht verpflichtet.

Wenn du dich nicht darum kümmerst, dass es dir gut geht, wird es leider niemand sonst tun, und wenn das bedeutet, dass du Menschen aus deinem Leben werfen musst, die dich teilweise nicht mal lieben ist das vollkommen in Ordnung.
Ich erwarte von meinen Eltern das, was ich auch von Freunden erwarte: dass sie mich mögen und akzeptieren so wie ich bin und mich respektvoll behandeln. Das ist das Minimum, was jedes Kind von seinen Eltern erwarten darf. Ist das nicht gegeben, ist so eine Beziehung einfach nur eins: toxisch.
 
R
Benutzer216292  (40) Klickt sich gerne rein
  • #8
Ja, kann allen Vorrednern zustimmen. Deine Eltern sind für sich selbst verantwortlich. Deine Eltern haben sich entschieden Kinder zu bekommen und ihre Lebensaufgabe war es, ihre Kinder zu versorgen und zu lieben. Egal, ob sie das gut oder schlecht gemacht haben, aber es war ihre selbstgewählte Aufgabe und dies bedeutet, dass die Kinder ihnen nichts schuldig sind.
Es ist falsch anzunehmen, dass nur weil ich mich gut um ein Kind gekümmert habe, dieses aus Anstand und Loyalität im Alter meine Probleme lösen soll. Wenn das Kind es nicht tut, ist es undankbar. Ich denke, dass man seinen Eltern nichts schuldig ist. Es war ihre Aufgabe. Ich werde dies hoffentlich meinem Kind mitteilen können, dass sie das tun sollen, was sie glücklich macht, weil es ihr Leben ist. Ob sie eine Bar auf Haiti eröffnen, Pilot werden oder nebenan als Metzger arbeiten.
Es ist ja auch nicht deine alleinige Aufgabe das Verhältnis zu deinen Eltern zu fördern. Wenn deine Mutter erstmal den Kontakt abbricht, kann man noch 1x nachfragen und wenn sie das wieder tut, abwarten, bis sie sich meldet.
Man kann auch nicht alles erzwingen, aber es tut bestimmt gut, wenn man mit sich selbst zufrieden ist. Das bedeutet im Sinne: es ist mir völlig Wurscht, was die ganze Welt tut oder macht. Ich komme auch alleine gut klar und ich mache meine Gefühle nicht von anderen Menschen abhängig. Sollen alle machen was sie wollen. Viel Glück!

Ein Spruch: wenn du lachst, lacht die Welt mit dir. Wenn du weinst, weinst du allein.
 
sockenpaul
Benutzer216599  (46) Klickt sich gerne rein
  • #9
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Ich glaube, es ist wichtig zu verinnerlichen, dass du nicht für deine Eltern verantwortlich bist. Was du machen kannst ist, für sie da zu sein, wenn sie dich brauchen, aber ihr Leben leben müssen sie schon selbst. DU bist dafür verantwortlich zu analysieren, welche Fehler deine Eltern deiner Meinung nach gemacht haben (und davon hast du ja schon jede Menge gefunden) und es selber besser zu machen!

Meine eigenen Eltern sind seit 45 Jahren verheiratet, führen aber die (meiner Meinung nach) beschissenste Ehe, die man sich vorstellen kann: haben sich nichts zu sagen, reden schlecht übereinander, streiten oft, ich kann mich nicht dran erinnern, sie jemals körperlich innig gesehen zu haben (küssen, umarmen) - nicht einmal bei Beerdigungen. Für mich gruselig und absolut abwegig, in so einer Beziehung zu sein. Genau 1x habe ich mich (damals ca 22 und schon längst auf eigenen Beinen) auf die Seite meiner Mutter gestellt und sie gegen meinen Vater verteidigt, als er besonders beschissen war. Die Folge war, dass meine Mutter die Chance genutzt hat, auf die Seite meines Vaters zu wechseln und ich in der Folge fast 2 Jahre keinen Kontakt mehr zu den Beiden hatte.
Daraus habe ich meine Lehren gezogen: Kein wichtig machen. Unterstützung ja, wenn sie gebraucht wird - aber nur durch Zuspruch und nicht durch Mitkämpfen. Leben lassen. ABER alles sehen, analysieren und selber versuchen, besser zu machen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Deine Aufgabe ist es, alles dafür zu tun, dass DEIN Kind später mal denkt: "ich mache es genau so wie mein Papa".
 
J27
Benutzer175612  (56) Meistens hier zu finden
  • #10
D.h. meine Mutter ignoriert mich seit vier Tagen und ich fühle mich scheiße.
Schuldumkehr. Bestrafung durch Liebesentzug.

Ich habe mich von meiner Mutter für 6 Jahre zwischen 1999 und 2005 völlig distanziert. Und es war auch gut so. Es war die beste Entscheidung meines Lebens. Den Ausschlag gab meine damalige Freundin: 1999 hatte ich eine Freundin, die war das Gegenteil von meiner Mutter - meine Freundin war liebevoll, freundlich, ruhig. Ich schaute damals meine Freundin an und dachte mir: warum muss ich mich mit einer toxischen Mutter abgeben, die mich jeden Tag fertig macht? Dann habe ich den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. Und es folgten 6 glückliche Jahre.

2005 hat meine Frau unser erstes Kind erwartet, und eben diesem Kind zuliebe habe ich mich wieder an meine Mutter gewandt, damit unser Kind eine Oma hat. Es war ein Fehler. 2007 - 2009 hatte ich wieder den Kontakt völlig abgebrochen, nur um bei unserem zweiten Kind 2010 erneut denselben Fehler zu begehen und wieder den Kontakt zu meiner Mutter zu suchen. Heute bereue ich es erneut.

Aus meiner persönlichen Lebenserfahrung empfehle ich: Distanziere dich von deiner toxischen alkoholkranken Mutter, lebe ein selbstbestimmtes Leben, baue dir eine eigene neue Familie auf mit einer Frau und Kindern und investiere deine Liebe und Zeit und Energie in diese neue Familie.
 
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