Benutzer171033 (38)
Sehr bekannt hier
- #1
Ihr Lieben,
ich muss ausholen...
Ich hatte eine weitgehend glückliche und behütete Kindheit. Ich bin als Einzelkind aufgewachsen in einem soweit stabilen sozialen Umfeld, in dem meine Mutter Mittelpunkt war. Meine Mutter hat mich die ersten Jahre daheim betreut, danach bin ich frohes Kindergarten-Kind gewesen, und war auch oft betreut bei Großeltern und Onkel/Tante. Ich hatte reichlich behüteten Freiraum und reichlich Kontakt in der Nachbarschaft und zu Cousins/Cousinen.
Meine Mutter hat bereits in meinem Grundschulalter wechseln müssen von ganz normalen Tagdiensten ins Dreischichtsystem. Sie hat immer ihr Möglichstes gegeben, und mich mit Verantwortlichkeit, Fürsorge und Liebe aufgezogen. Ich war früh eigen- und selbstständig.
Mein Vater war erst einige Jahre als Land- und Baumaschinenschlosser berufstätig, später im Fernverkehr oft bis zu sechs Wochen am Stück unterwegs.
Starker Raucher, in meiner Kindheit durchschnittlich drei Schachteln am Tag, wir konnten in unserer Wohnung die Luft schneiden, die Wände waren immer gelb. Trinken gehört bis heute zum guten Ton, Feiern ohne Alkohol mach(t)en keinen Spaß, das Feierabendbierchen war/ist obligat, oder zwei, oder drei, danach noch ein Kurzer. Am Wochenende durfte es auch schon mal um 10 losgehen mit ´nem Bier...
Als kleines Mädchen war ich sein "Herzchen", sein über alles geliebtes Kindchen, erhoben auf einem Sockel, regelrecht verehrt. Kam er nach längerer Zeit nach Hause, hatte er immer ein Spielzeug für mich dabei, er hat mit mir gemalt, gespielt, Märchen erzählt. Samstags ist er erst mit mir zum Frühschoppen gefahren, dann in den Spielzeugladen. Die Mutter, die erzogen hat, auch mal nicht einverstanden war, auch mal nein gesagt hat, die mich sauber gehalten, das Bett überzogen, mit mir das Zimmer und für uns das Haus sauber gehalten hat, die war dann die Böse, die Spielverderberin für mich... Das hat ihm gefallen.
Als ich dann allmählich in ein Alter kam, um zu begreifen, als ich eine eigene Meinung hatte, die nicht mehr immer mit seiner gottgegeben konform war, gab es sehr häufig Streit. Sehr heftigen, destruktiven Streit.
Ich habe mir nichts mehr von ihm sagen lassen, er wollte demnach umso mehr seine wenige Wochenend-Autorität durchsetzen. Dazu hat er mich fern gehalten von meinen Hobbies, für die ich auch eine verbindliche Verantwortung empfunden habe:
Kleine Anekdote, stellvertretend für so viele weitere, hierzu:
Er und seine beiden Geschwister hatten eine sehr schwierige Kindheit: Sein Vater hat sich das Leben genommen, da war er noch so jung, dass er sich nicht an ihn erinnern kann. Seine Mutter exzentrisch und egozentrisch bis zum letzten Lebenstag. Hat es immer verstanden, die Leute zu ihrem eigenen Vorteil gegen einander auszuspielen, ohne Rücksicht auf Verluste. Der Stiefvater ein Lebemann, der die drei Kinder grün und blau gedroschen hat. Mit nicht ganz 16 ist mein Vater von daheim ins Erwachsenenleben geflohen, und hat danach versucht, seine Geschwister dort auch rauszuholen. Verarbeitet hat er seine Jugend nur in lustigen Geschichten über die Streiche, die sie anderen gespielt haben. Weltenflucht.
Ich kenne ihn nur egozentrisch, durchaus anteilnehmend am Befinden und Schicksal anderer, aber dabei kein bisschen empathisch, völlig resistent Argumenten gegenüber, und stets persönlich betroffen und sich angegriffen fühlend, wenn jemand mal anderer Ansicht ist als er. Er scheint mir nie erwachsen geworden zu sein. Er ist, so verhasst sie ihm ist, wenn sie sich nicht mit seiner eigenen deckt, immer auf die Meinung anderer Leute angewiesen, und sucht darin Bestätigung. Diese Bestätigung holt er sich manipulativ, indem er meint, Liebe kaufen zu können (siehe meine Schilderung zu meiner frühen Kindheit oben). Genauso hat er sich verhalten mit
, mit unseren Haustieren der Vergangenheit und Gegenwart, mit meiner Tochter. Dabei hat er besonderen Spaß daran, wenn er dann "mehr geliebt" wird, also in seinem manipulativen Verhalten bestätigt wird, als seine Kontrahenten, also jegliche weitere Bezugsperson des Liebesobjektes.
Ich könnte tausend Geschichten aus unserem Alltag erzählen, hier
Es gab immer wieder solche Situationen, die mich und uns zutiefst erschüttert haben, die mir nach und nach jegliches Vertrauen in ihn, in seine Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit, in seine Zuneigung und Wertschätzung uns gegenüber regelrecht vernichtet haben. Er ist jähzornig, laut, unberechenbar, psychisch gewalttätig, erpresserisch und wertend. Er hat damit auch viele der sozialen Kontakte meiner Mutter dauerhaft vernichtet. Ich bin dann direkt nach dem Abi ausgezogen und habe woanders studiert, bin nach dem Studium noch weiter weg gezogen, auch um möglichst viel Distanz zwischen uns zu bekommen. Für die Kontaktpflege zu meiner Mutter habe ich mich über die Jahre nach und nach wieder angenähert. Und ich glaubte seit vergangenem Jahr, wir seien auf einer Basis, wo man miteinander umgehen könne. Guten Tag, guten Weg, gutes Auskommen für die wenigen Tage, die man bei einander ist.
Wir haben erstmals seit der Geburt meiner Tochter als Familie zwei Wochen am Stück bei meinen Eltern verbringen wollen. Schon zu Beginn unseres Besuches suchte meine Mutter das Gespräch mit mir, und sagte, sie wisse nicht, wie lange sie so noch leben wolle, wie lange sich ihre Welt noch um ihn drehen solle. Ich habe ihr den Rücken gestärkt, und ihr gesagt, dass sie bei uns immer ein Zuhause haben und willkommen sein wird, und dass ich sie mehr als verstehen könne, wenn sie ginge.
Bei aller Liebe, die die Beiden unbestreitbar für einander empfinden, und bei all der Bewunderung für ihre Loyalität nach dem Motto "in guten wie in schlechten Zeiten" hätte ich mich schon als Jugendliche mehr als gefreut, wenn sie die Trennung gesucht hätte.
Es gab schon nach den ersten Paar Tagen Unstimmigkeiten und kleinere Streitereien zwischen ihm und mir, die aber noch lösbar, oder sagen wir lieber: unter den Tisch zu kehren waren. Gelöst werden in meiner Familie Probleme grundsätzlich nicht. Sie werden gut durchgekaut, hintergeschluckt, und vielleicht verdaut man sie, wenn man nicht daran erstickt ist.
kam dann in der zweiten Woche.
Ich habe von da an radikal jeglichen Kontakt zu ihn abgebrochen. Ich habe für mich erkannt, dass es keinerlei Grundlage gibt, irgendetwas zwischen uns zur Klärung zu bringen, tatsächlich Lösungen zu finden oder auch nur danach zu suchen. Er wird sich nicht ändern. Er wird bleiben, wer er schon immer war. Ich will mich des "lieben Friedens" wegen nicht mehr verdrehen. Wenn jemand so auf mich scheißt, dass es ihm egal, womöglich sogar Genugtuung ist, dass er mir mal so richtig eins reingewürgt hat, dann brauche ich mich nicht bei nächster Gelegenheit an den Tisch mit demjenigen zu setzen, als sei nichts gewesen. Ich habe es zuvor gar nicht (mehr) erkannt, was meine Jugend, was die gesamte Situation mit ihm über all die Jahre eigentlich mit mir gemacht hat, und wie negativ mich das in meiner Entwicklung, auch gesundheitlich, beeinflusst hat. Er schwächt meine Resilienz. Er untergräbt meinen Selbstwert.
Ich habe mich so wohl, so mit mir im Reinen gefühlt, als ich den Kontaktabbruch für mich entschieden hatte. Mir ging es gut wie nie.
Bei einem Gespräch neulich, hat nun meine Mutter festgelegt, sie will das nicht mehr dulden. Sie kommt nur zu unserer Hochzeit, wenn er auch mitkommt.
Wenn wir videotelefonieren drängt er sich ins Bild. Wenn sie mit mir telefoniert, ruft er von hinten Grüße für mich. Damit kann ich tatsächlich nicht umgehen. Es macht mich mürbe.
Meine Mutter fragt wegen Weihnachten. Das Enkel hat kurz vor Weihnachten Geburtstag.
Ich habe ihr gesagt, ich bin für mein Wohlergehen verantwortlich, nicht für seines. Und mit Kontakt zu ihm geht es mir nicht wohl. Ich würde nur immer auf die nächste Eskalation warten. Zu sprechen habe ich nichts mehr mit ihm. Zuneigung empfinde ich nicht mehr. Ich ringe darum, nicht den letzten Funken Respekt ihm gegenüber zu verlieren. Tatsächlich empfinde ich ihn als "vergeblich".
Sie sieht mich nun als diejenige, die uneinsichtig das Gespräch verweigert. Ist doch alles wieder gut. Da isser halt mal ausgerastet. Er hat sich ja wieder eingekriegt. Komm, sei doch nicht so...
Wie würdet ihr mit solch einer Situation umgehen? Ich habe eigentlich vorgehabt, den Kontakt zum Enkel nicht einzuschränken. Mit einigen 100km zwischen uns ist das ohnehin eine Herausforderung. Wenn ich jetzt aber ständig diesen Annäherungsversuchen ausgesetzt bin, ist es umso schwerer für mich, für sie das Videotelefonat zu starten, oder sie vorbei zu bringen, weil sie auch in Gesprächen dazu manipuliert wird, mich zu überreden. Und natürlich wünscht sie sich, dass "alles wieder normal ist". Dass es nie normal war, erkennt sie ja noch nicht. Ich würde mich persönlich zu Kontakt gern überzeugen lassen, wenn es irgendeine Änderung zu erwarten gäbe. Das halte ich aber für ausgeschlossen. Es steht nicht in Aussicht.
Im Moment befürchte ich, dass ich auf diese Weise meine Mutter auch verliere, wenn ich mir selbst und meinen Überzeugungen treu bleibe.
Tausend Dank für´s Lesen! Tausend Dank für eure Gedanken dazu.
ich muss ausholen...
Ich hatte eine weitgehend glückliche und behütete Kindheit. Ich bin als Einzelkind aufgewachsen in einem soweit stabilen sozialen Umfeld, in dem meine Mutter Mittelpunkt war. Meine Mutter hat mich die ersten Jahre daheim betreut, danach bin ich frohes Kindergarten-Kind gewesen, und war auch oft betreut bei Großeltern und Onkel/Tante. Ich hatte reichlich behüteten Freiraum und reichlich Kontakt in der Nachbarschaft und zu Cousins/Cousinen.
Meine Mutter hat bereits in meinem Grundschulalter wechseln müssen von ganz normalen Tagdiensten ins Dreischichtsystem. Sie hat immer ihr Möglichstes gegeben, und mich mit Verantwortlichkeit, Fürsorge und Liebe aufgezogen. Ich war früh eigen- und selbstständig.
Mein Vater war erst einige Jahre als Land- und Baumaschinenschlosser berufstätig, später im Fernverkehr oft bis zu sechs Wochen am Stück unterwegs.
Starker Raucher, in meiner Kindheit durchschnittlich drei Schachteln am Tag, wir konnten in unserer Wohnung die Luft schneiden, die Wände waren immer gelb. Trinken gehört bis heute zum guten Ton, Feiern ohne Alkohol mach(t)en keinen Spaß, das Feierabendbierchen war/ist obligat, oder zwei, oder drei, danach noch ein Kurzer. Am Wochenende durfte es auch schon mal um 10 losgehen mit ´nem Bier...
Als kleines Mädchen war ich sein "Herzchen", sein über alles geliebtes Kindchen, erhoben auf einem Sockel, regelrecht verehrt. Kam er nach längerer Zeit nach Hause, hatte er immer ein Spielzeug für mich dabei, er hat mit mir gemalt, gespielt, Märchen erzählt. Samstags ist er erst mit mir zum Frühschoppen gefahren, dann in den Spielzeugladen. Die Mutter, die erzogen hat, auch mal nicht einverstanden war, auch mal nein gesagt hat, die mich sauber gehalten, das Bett überzogen, mit mir das Zimmer und für uns das Haus sauber gehalten hat, die war dann die Böse, die Spielverderberin für mich... Das hat ihm gefallen.
Als ich dann allmählich in ein Alter kam, um zu begreifen, als ich eine eigene Meinung hatte, die nicht mehr immer mit seiner gottgegeben konform war, gab es sehr häufig Streit. Sehr heftigen, destruktiven Streit.
Ich habe mir nichts mehr von ihm sagen lassen, er wollte demnach umso mehr seine wenige Wochenend-Autorität durchsetzen. Dazu hat er mich fern gehalten von meinen Hobbies, für die ich auch eine verbindliche Verantwortung empfunden habe:
Kleine Anekdote, stellvertretend für so viele weitere, hierzu:
Mit etwa acht Jahren hat mein Onkel mich mit zu sich integriert in den Reitstall. Wir hatten vier Pferde dort. Zuerst habe ich misten und pflegen gelernt, und alles, was darum dazu gehört, um ein Pferd ordentlich zu halten, und was dazu gehört, das, was man braucht und als Ressource besitzt, zu erhalten und zu achten. Nach etwa einem Jahr das erste Mal ernsthaft auf dem Pferderücken, bald darauf täglich mehrere Stunden im Stall, Turniersport, Leistungssport, Vierkampf. Daheim hatte ich meine wöchentlichen Aufgaben im Haushalt. Die hatten stets Vorrang. Meine Schulnoten waren immer gut bis sehr gut. Keine Einwände seitens meiner Mutter. Mein Vater hat dann von mir beansprucht, ich müsse lernen, wo mein Platz in der Familie ist. Er hat mir an einem Wochenende verboten, in den Stall zu gehen, und statt dessen verlangt, ich müsse auf dem gesamten Hof aus den Pflasterfugen das Unkraut und Moos jäten. ca. 180 qm Fläche. Damit ich eine Aufgabe hatte, und keine Gelegenheit, zu gehen. Nach einigen Stunden haben mir die Fingerkuppen geblutet, meine Mutter hat ihn angefleht, er möge mich in Ruhe lassen, aber er hat mich weiter kriechen lassen.
Ich kenne ihn nur egozentrisch, durchaus anteilnehmend am Befinden und Schicksal anderer, aber dabei kein bisschen empathisch, völlig resistent Argumenten gegenüber, und stets persönlich betroffen und sich angegriffen fühlend, wenn jemand mal anderer Ansicht ist als er. Er scheint mir nie erwachsen geworden zu sein. Er ist, so verhasst sie ihm ist, wenn sie sich nicht mit seiner eigenen deckt, immer auf die Meinung anderer Leute angewiesen, und sucht darin Bestätigung. Diese Bestätigung holt er sich manipulativ, indem er meint, Liebe kaufen zu können (siehe meine Schilderung zu meiner frühen Kindheit oben). Genauso hat er sich verhalten mit
Mit 21 Jahren bin ich von einem Bekannten auf der Straße angesprochen worden, ob denn meine Halbschwester auch zum runden Geburtstag meines Vaters käme! Wenig später hat ein Cousin von mir vertraulich ein Gespräch mit mir gesucht, in dem er mir dann geschildert hat, er sei meiner Schwester durch Zufall wieder begegnet, und sie wünsche Kontakt zu mir. Er hat mir dann einen Namen & Telefonnummer gegeben. So habe ich erfahren, dass ich kein Einzelkind bin, sondern mein Vater in einer ersten Ehe mit einer anderen Frau bereits zwei Kinder hatte. Ich habe mich dann mit meiner Schwester einige wenige Male getroffen, habe von einem Bruder erfahren. Habe ihre Betrachtungsweise der Vergangenheit, ihre Version der Geschichte erfahren. Sie sind etwa vierzehn und zehn Jahre älter als ich. Ich habe dann das Gespräch mit meiner Mutter gesucht. Sie hat mir erzählt, dass mein Vater als Gipfel diverser Streits und Eskalationen damals die Kinder zu ihren Großeltern brachte, das gesamte Haus angezündet hat, und sich die Pulsadern längs aufgeschnitten hatte. Er wurde gerettet und hat überlebt... Er habe ihr gesagt, wenn ich jemals herausfinden würde, dass es diese Geschwister gibt, dann bringe er sich um. In den letzten Jahren habe ich hier und da auch mal einen Brocken von anderen Verwandten erfahren, die die Situation damals miterlebt hatten. Seinerseits gibt uns gab es nie Kontakt zu seinen weiteren Kindern.
Ich könnte tausend Geschichten aus unserem Alltag erzählen, hier
Meine Mutter hatte sich mal die Haare ganz mutig rot gefärbt. Ich fand es toll. Er auch! Wir waren dann auf einem Ausflug. Hinter uns liefen für einige Zeit ein paar Frauen, die deutlich vernehmbar über die Haarfarbe meiner Mutter lästerten und sich lustig machten. Daheim angekommen hat er meine ohnehin schon angegriffene Mutter niedergemacht, wie man denn auch so blöd sein könne, sich so zurecht zu machen. Wie bescheuert sie aussehe, wie kindisch sie sei. Dass er sich so nicht mehr auf der Straße mit ihr sehen ließe... Sie hat die Haarfarbe behalten und mit Stolz getragen. Er hat ein viertel Jahr! 12 Wochen! kein einziges Wort mehr mit ihr gesprochen. Sie ist geblieben...
Wir haben erstmals seit der Geburt meiner Tochter als Familie zwei Wochen am Stück bei meinen Eltern verbringen wollen. Schon zu Beginn unseres Besuches suchte meine Mutter das Gespräch mit mir, und sagte, sie wisse nicht, wie lange sie so noch leben wolle, wie lange sich ihre Welt noch um ihn drehen solle. Ich habe ihr den Rücken gestärkt, und ihr gesagt, dass sie bei uns immer ein Zuhause haben und willkommen sein wird, und dass ich sie mehr als verstehen könne, wenn sie ginge.
Bei aller Liebe, die die Beiden unbestreitbar für einander empfinden, und bei all der Bewunderung für ihre Loyalität nach dem Motto "in guten wie in schlechten Zeiten" hätte ich mich schon als Jugendliche mehr als gefreut, wenn sie die Trennung gesucht hätte.
Es gab schon nach den ersten Paar Tagen Unstimmigkeiten und kleinere Streitereien zwischen ihm und mir, die aber noch lösbar, oder sagen wir lieber: unter den Tisch zu kehren waren. Gelöst werden in meiner Familie Probleme grundsätzlich nicht. Sie werden gut durchgekaut, hintergeschluckt, und vielleicht verdaut man sie, wenn man nicht daran erstickt ist.
Zu Beginn der zweiten Woche hatte mich dann meine Mutter mit einbezogen, weil sie eine neue Küche planen wollte. Ich habe damit auch aus dem beruflichen Umfeld heraus einige Erfahrung im letzten Jahr sammeln dürfen. Und nach dem Besuch eines Küchenstudios habe ich ihr ehrliches Feedback gegeben, weil mir das ganze Herangehen des Beraters in erster Linie profitorientiert und nicht auf ihre Wünsche ausgerichtet erschien. Mein Vater kam hinzu, sie schilderte ihm einen Sachverhalt bezüglich ihrer Bedenken, und er explodierte wie aus heiterem Himmel. Er rammte erst mich, dann sie regelrecht verbal in den Boden aus bis heute nicht ersichtlichen Gründen. Ich habe mich dann schützend und verteidigend vor meine Mutter gestellt, und ihn aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen. Ich war laut. Er ist dann in seine Garage verschwunden, die ihm ohnehin der liebste Rückzugsort ist, hat sich eine Flasche Klaren hinter die Binde gekippt, hat auch die kommenden Tage gesoffen. Den Kontakt und Frieden zu meiner Mutter hat er schnell wieder gesucht, oder vielmehr sie mit ihm. Meinen Mann, sogar sein Enkel und mich hat er die folgenden Tage weiterhin ignoriert. Meine Tochter ist dann offensiv auf ihn zugegangen, und hat ihn gefragt, warum er so böse zu ihr ist. Danach ging der Umgang mit ihr. Jeder Familienmahlzeit ist er fern geblieben. Mit meinem Freund hat er am vorletzten Tag ein manipulatives Gespräch gesucht, und ihm beim Abschied eine Umarmung abgerungen. Bis dahin hat er ihn auch ignoriert. Mir hat er in dieser verbliebenen Woche genau einen Satz gesagt, nämlich, als ich meiner Mutter bei der Kirschernte geholfen habe, ich könne mich verpissen, meine Hilfe sei nicht erforderlich und nicht erwünscht. Ich bin in dieser Woche geblieben auf die verzweifelte Bitte meiner Mutter hin.
Ich habe von da an radikal jeglichen Kontakt zu ihn abgebrochen. Ich habe für mich erkannt, dass es keinerlei Grundlage gibt, irgendetwas zwischen uns zur Klärung zu bringen, tatsächlich Lösungen zu finden oder auch nur danach zu suchen. Er wird sich nicht ändern. Er wird bleiben, wer er schon immer war. Ich will mich des "lieben Friedens" wegen nicht mehr verdrehen. Wenn jemand so auf mich scheißt, dass es ihm egal, womöglich sogar Genugtuung ist, dass er mir mal so richtig eins reingewürgt hat, dann brauche ich mich nicht bei nächster Gelegenheit an den Tisch mit demjenigen zu setzen, als sei nichts gewesen. Ich habe es zuvor gar nicht (mehr) erkannt, was meine Jugend, was die gesamte Situation mit ihm über all die Jahre eigentlich mit mir gemacht hat, und wie negativ mich das in meiner Entwicklung, auch gesundheitlich, beeinflusst hat. Er schwächt meine Resilienz. Er untergräbt meinen Selbstwert.
Ich habe mich so wohl, so mit mir im Reinen gefühlt, als ich den Kontaktabbruch für mich entschieden hatte. Mir ging es gut wie nie.
Bei einem Gespräch neulich, hat nun meine Mutter festgelegt, sie will das nicht mehr dulden. Sie kommt nur zu unserer Hochzeit, wenn er auch mitkommt.
Wenn wir videotelefonieren drängt er sich ins Bild. Wenn sie mit mir telefoniert, ruft er von hinten Grüße für mich. Damit kann ich tatsächlich nicht umgehen. Es macht mich mürbe.
Meine Mutter fragt wegen Weihnachten. Das Enkel hat kurz vor Weihnachten Geburtstag.
Ich habe ihr gesagt, ich bin für mein Wohlergehen verantwortlich, nicht für seines. Und mit Kontakt zu ihm geht es mir nicht wohl. Ich würde nur immer auf die nächste Eskalation warten. Zu sprechen habe ich nichts mehr mit ihm. Zuneigung empfinde ich nicht mehr. Ich ringe darum, nicht den letzten Funken Respekt ihm gegenüber zu verlieren. Tatsächlich empfinde ich ihn als "vergeblich".
Sie sieht mich nun als diejenige, die uneinsichtig das Gespräch verweigert. Ist doch alles wieder gut. Da isser halt mal ausgerastet. Er hat sich ja wieder eingekriegt. Komm, sei doch nicht so...
Wie würdet ihr mit solch einer Situation umgehen? Ich habe eigentlich vorgehabt, den Kontakt zum Enkel nicht einzuschränken. Mit einigen 100km zwischen uns ist das ohnehin eine Herausforderung. Wenn ich jetzt aber ständig diesen Annäherungsversuchen ausgesetzt bin, ist es umso schwerer für mich, für sie das Videotelefonat zu starten, oder sie vorbei zu bringen, weil sie auch in Gesprächen dazu manipuliert wird, mich zu überreden. Und natürlich wünscht sie sich, dass "alles wieder normal ist". Dass es nie normal war, erkennt sie ja noch nicht. Ich würde mich persönlich zu Kontakt gern überzeugen lassen, wenn es irgendeine Änderung zu erwarten gäbe. Das halte ich aber für ausgeschlossen. Es steht nicht in Aussicht.
Im Moment befürchte ich, dass ich auf diese Weise meine Mutter auch verliere, wenn ich mir selbst und meinen Überzeugungen treu bleibe.
Tausend Dank für´s Lesen! Tausend Dank für eure Gedanken dazu.
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